BERGBAU K
Der Räuber
Nicht immer sachlich sind die
Redensarten, die allenthalben ge¬
führt werden über die angebliche
Bevorzugung der Bergmänner und
ihrer Angehörigen. Oft hört man
merkwürdige Ansichten von Außen¬
stehenden, die sich keinesfalls in
den Bergmannsberuf hineindenken
können. Begleiten wir deshalb eine
Bergmannsgruppe, die die gefähr¬
liche Arbeit des Pfeilerrückens und
Rauhens verrichtet, auf ihre Arbeits¬
stelle.
Die Mittagschicht hat die Arbeits¬
stelle verlassen. Ihr folgt die Nacht¬
schicht, die die Rutschenstränge von
dem alten in das neuausgekohlte Feld
verlegt und wieder neu einbaut. In¬
dessen beginnen die Pfeilerkolonnen
Ihre schwierige, gefährliche Arbeit.
Zwei und zwei Mann geht jede die¬
ser Kolonnen ans Werk, das darin
besteht, die Holzpfeiler zum Ein¬
sturz zu bringen und ein Feld vorzu¬
ziehen und neu aufzusetzen, sowie
die eisernen Stempel und Schienen,
die das Feld sichern, zu rauben und
zu bergen. Die Pfeiler sind aus 15 cm
dicken Vierkanthölzern, die längs
und quer genau auf die Enden auf¬
einander gelegt werden. In die Mitte
werden eiserne Auslösebalken ein¬
gebaut, die mit einer Auslösevor¬
richtung versehen sind und das
Ganze wird mit scharfen Keilen ab¬
gekeilt, die jedes Weichen der Pfeiler
durch den Gebirgsdruck verhindern
sollen. Das Auslösen ist eine sehr
gefährliche Arbeit und erfordert
große Geschicklichkeit. Stürzt der
Pfeiler zusammen, müssen mit
äußerster Schnelligkeit Holz und
Auslösebalken herausgenommen wer¬
den, da sehr oft das Gebirge ein¬
stürzt. Wenn das passiert, dann muß
in mühseliger Arbeit Stück um Stück,
oft Zentimeter um Zentimeter, her¬
ausgeschafft werden. In niedrigen
Flözen wird die Arbeit auf den
Knien rutschend oder auf dem
Bauch oder Rücken im Kohlendreck
fegend, ausgeübt. Scharfe Kohlen¬
stückchen, die Unter die Kleidungs-'
stücke und Schuhe geraten, pressen
sich in die Haut, einstürzende Ge-
birgsmassen breiten Gesteinsstaub¬
wolken aus, die das Atmen er¬
schweren.
Sind die Pfeiler vorgezogen, dann
beginnt das Rauben der Stempel
und Schienen. Die eisernen Stempel
sind mit einem Keil versehen. Wenn
dieser zurückgeschlagen wird, sackt
der Stempel zusammen. Ist der Ge¬
birgsdruck zu stark, dann hat er die
Stempel derart ineinander gedrückt,
daß sie in mühseliger Arbeit ge¬
lockert werden müssen durch Ab-
spitzen des Gesteines über oder unter
dem Stempel. Die Raubarbeit ver¬
langt Mut und Entschlossenheit,
Kenntnisse der Gebirgsverhältnisse.
Sie verlangt sehr gute Augen und
noch bessere Ohren, die aus allen
optischen und akustischen Erschei¬
nungen die Gefahr und den Moment
des Gebirgsein Sturzes erkennen.
Jedes Knistern und Mahlen im Ge¬
birge, jeder Ton der Kohlenwand,
das leiseste Bersten von Holz kann
eine Warnung sein für den, der diese
Arbeit kennt. Oft gehen auf einen
Schlag hunderte Meter im alten Feld
mit Krachen und Bersten des Ge¬
birges, mit dumpfem Dröhnen der
Kohlenwand zu Bruch und dann
folgt eine undurchsichtige Wolke
von Kohlen und Gesteinsstaub und
kleine und größere Stücke Gesteins
fallen vom Hangenden klirrend in
die metallene Rinne der Rutsche.
Nach kurzer Zeit kommt das in Be¬
wegung geratene Gebirge in Ruhe
und die Räuber, die mit angespann¬
ten Sinnen jede Gebirgsbewegung in
nächster Nähe beobachten, haben
ihr Werk getan.
Mancher freilich mußte bei dieser
Arbeit sein Leben lassen und fast
alle Räuber haben dauernd kleinere
oder größere Verletzungen. Trotzdem
fahren1' jeden Abend die Kolonnen
ein und nehmen den Kampf mit den
Nafurgewalten mutig und trotzig auf.
Und wenn wir nachts im Bette lie¬
gen, denken wir an diese Männer,
die keinen Nachtschlaf kennen, die
tief unter uns jede Nacht-ihr Leben
und ihre Gesundheit im Staub, Hitze
und Durst zum Wbhle der Mensch¬
heit aufs Spiel setzen. Sie kennen
noch das hohe Lied der Kamerad¬
schaft und gegenseitiger Hilfe. Seien
auch wir Kameraden und gönnen
ihnen die Bevorzugungen, die ihnen -
voll und ganz zustehen. J. M.
2üc lakceswende!
Ein Jahr Aufbauarbeit liegt
hinter uns. Vieles ist getan
worden, was Fortschritt' be¬
deutet. Der Industrieverband
Bergbau der Einheitsgewerk¬
schaft konnte sich zahlenmäßig
#und im Organisationsapparat
weiter festigen und au- bauen.
Die Grundlage wird immer
sicherer. Es geht vorwärts auf
der ganzen Linie. Unsere
Werbekampagne für den Ver¬
band tragen wir in das neue
Jahr hinein.
Wir bitten die organisierten'
Kameraden vom Bergbau, die
Gewerkschaftsarbeit, Kraft,
Verantwortung, Selbstver¬
trauen und Eifer zu verdop¬
peln. WTir kämpfen und ringen
für die Achtung und Bewer¬
tung unseres Bergarbeiter¬
standes. Mit der Gesamt-Ein¬
heitsgewerkschaft wollen c wir
mithelfen, überall wo Aufbau¬
arbeit und Neuland ist, wo
Hilfe not tut, wo es gilt eine
wirklich neue Welt zu bauen.
Wir verbinden damit unseren
herzlichen Dank an alle, die
mitgcholfcn haben im letzten
Jahr am inneren und äußeren
Aufbau unseres Verbandes.
Glückauf!
Die Verbandsleitung.
Lohnrevision im Bergbau
Ein Erfolg der Gewerkschaftseinheit
„Wer Hitler wählt, wählt den
krieg“, dieser Mahnruf aller Anti¬
faschisten war mehr als eine Parole,
sondern entsprang nüchterner, realer
Feststellung So war auch die Lohn¬
politik der Nazis auf den Saargruben
abgestimmt und eingespannt auf den
Anlauf der Kriegsmaschine.
Als im Jahre 1935 die braunen Ko¬
lonnen bei uns an der Saar ihre
Positionen bezogen, blieben die
Löhne auf den Saargruben, trotz ver¬
teuerter Lebenslage die gleichen.
Um nun doch eine höhere Kohlen¬
förderung als entscheidender Beitrag
zur Kriegsrüstung herbeizuführen,
ging man den Weg der Arbeitszeit-
Verlängerung. Von der 7‘/!stündigen
Schichtzeit kam man zur ßstündigen
Schichtzeit. Die „Arbeitsfront“ als
Interessenvertretung der Kapitali¬
sten, und äusführendes Organ der
Kriegs-Treiber sanktionierte diese
Maßnahmen. Auf Kommando wur¬
den aus diesem Grunde Dankes¬
adressen von den „berufenen“ Ver¬
tretern der Bergarbeiterschaft, den
damaligen Obmännern der Saargru¬
ben, dem „Führer“ übersandt.
Die neuerstandene Kriegsindustrie
brauchte aber dringend Arbeits¬
kräfte, besonders Fachkräfte. Der
AAreiz dazu waren hohe Löhne und
Trennungs - Zulagen. Die Auswir¬
kungen im Bergbau waren katastro¬
phal, wenn auch nicht unmittelbar
auf die Kohlenförderung. Die Ar¬
beitszeitverlängerung und die eini¬
germaßen tragbaren Bedingungen
für den Gedingearbeiter hielten den
Stand der notwendigen Förderung.
Eine Abwanderung der Saarbergar¬
beiter in großer Anzahl in die besser
bezahlte neue Kriegsindustrie war
wegen ihrer Bodenständigkeit weni¬
ger zu befürchten. Der bergmänni¬
sche Nachwuchs aber wurde ein
Problem. Als Vabanque - Spieler
glaubten die Nazis die Arbeit ln Zu¬
kunft mit Arbeitssklaven aus unter¬
drückten Ländern meistern zu kön¬
nen. Die Schichtlühner, vor allem
die Handwerker und Maschinisten
auf den Gruben mußten, gemessen
an den Löhnen der anderen Indu¬
strien eine Lohnspanne von zwei,
drei und mehr Mark pro Schicht
widerspruchslos hinnehmen. Der Ar¬
beitsfriede und die Stabilität des
Betriebes wurden durch die Verne¬
belung mit Naziidcologie und durch
das Fehlen einer Gewerkschaft ge¬
währleistet.
Der Krieg kam und mit ihm die
Erhöhung der Arbeitszeit von acht
auf achtdreiviertel Stunden. Die trotz
Preisstop eingetretene Verteuerung,
mußte durch Mehrarbeit ausgeglichen
werden. Hinzukam der Arbeitsein¬
satz von Arbeitssklaven, Gefangenen
und Deportierten aus fremden Län¬
dern, und schließlich der Frauenein¬
satz.
Ein gütiges Geschick und die Rück¬
sichtnahme der kämpfenden alliier¬
ten Streitmacht haben den Saar¬
bergbau vor dem Schlimmsten be¬
wahrt. Auch waren Arbeiter, Ange¬
stellte und Beamte der Saargruben
nicht so verblendet, den Anord¬
nungen der Obernazi Verbrecher auf
Zerstörung der Gruben Folge zu
leisten. Das Verantwortungsbewußt-
sein und die Einsicht der Bergarbei¬
ter, daß die Kohlenförderung die
elementare Voraussetzung des Wie¬
deraufbaues ist, haben uns die An¬
lagen erhalten. Zu den Maßnahmen,
die erforderlich sind, um die Förder¬
leistung der Gruben zu steigern, ge¬
hört vor allem auch eine gerechte
Entlohnung aller im Kohlengewin¬
nungsprozeß tätigen Arbeiter.
Nach dem Zusammenbruch haben
die Besatzungsmächte den Preis- und
Lohnstop neu verfügt, eine Notwen¬
digkeit, um nicht in einer rapiden
Inflation zu versacken. Die schema¬
tische Behandlung des Lohnstops
aber würde die lohnpolitischen auf
den Krieg abgestimmten Maßnah¬
men der Nazikriegsverbrecher wei¬
terhin aufrecht erhalten. Sie wäre
ungerecht, ungesund und hemmend
für den Wiederaufbau. Wenn der
Krieg die Rüstungsindustrie iohn-
poiitisch einseitig bevorzugt hat, so
verlangt der Wiederaufbau eine ge¬
rechte Lösung der Lohnfrage. Mit
Zwangsmitteln allein die Lenkung
der Arbeitskräfte herbeizuführen
wäre weder klug, noch zum Vorteil
des Wiederaufbaues. Eine Lohnrevi¬
sion für die Sparten der Wiederauf¬
bauwirtschaft ist ein unabdingbares
Gebot der Stunde.
Vor allem muß dem Bergbau als
Schlüsselindustrie, in der Lohnfrage
weitgehend Rechnung getragen wer¬
den. Hier geht es um die Beseitigung
eines Unrechtes, das durch die Nazi¬
kriegspolitik verursacht worden ist.
Eine Lohnrevision wird aber auch
ein Anreiz sein, den Bergbau als
Schlüsselindustrie zum Nutzen des
Wiederaufbaues zu beleben und dem
Nachwuchs durch eine günstigere
Lohnsituation dem Bergbau zu er¬
halten. Schon die Arbeitseinsatzkon*
trolle im Bergbau verlangt gebiete¬
risch einen gerechten Lohnausgleich.
Im Interesse des Wiederaufbaues
und einer höchstmöglichen Kohlen¬
förderung hat der Industrieverband
Bergbau der Einheitsgewerkschaft
eine Lohnrevision im Saarbergbau
angestrebt. Der Hauerdurchschnitts¬
lohn auf den Saargruben sieht in
keinem Verhältnis zu der Schwere
und der volkswirtschaftlichen Be¬
deutung der zu leistenden Arbeit.
Der Lohn der Schichtlöhner von
Unter- und Uebertage, deren Wich¬
tigkeit im Kohlengewinnungsprozeß
ausschlaggebend ist, verlangt nicht
weniger eine Neuregelung, als die
Entlohnung der Jugendlichen, die
dem Nachwuchsproblem seine be¬
sondere Bedeutung gibt.
Unter Berücksichtigung dieses Ge¬
sichtspunktes forderte die Verbands¬
leitung des Industrieverbandes Berg¬
bau der Einheitsgewerkschaft eine
20°/oige Lohnerhöhung, nachdem es
bereits vorher den gewerk¬
schaftlichen Bemühungen
gelungen war eine 1 0 ®/# i g e
Ajn w es en h c i t s p r ä m i e für
die Untertagebelegschaft
als Teilerfolg hereinzu-
holen. Während der Lohnverhand¬
lungen wurde auf diese schon zuge-
standene Lohnerhöhung hingewie¬
sen. Die Ausschaltung der Ubertage¬
belegschaft. von der Lohnrevision
aber ist geeignet den Wirtschafts¬
frieden zu gefährden. Eine Lohnre¬
vision aus Gerechtigkeit, und unter
dem Gesichtspunkt der Beschleuni¬
gung des Wiederaufbaues muß sich'
auf alle Sparten des Bergbaues be¬
ziehen. Dieser Notwendigkeit haben
sich die in Frage kommenden Stellen,
nicht verschlossen. Einschlägiges Be*-
weismaterial bestätigte die berech¬
tigten Ansprüche der Übertagebeleg¬
schaft in die Lohnverhandlungen mit
einbezogen zu werden.
Ihr erfolgreicher Verlauf hat be¬
wiesen, daß die gewerkschaftliche
Einheit sich nutzbringend für die
Belegschaft auszuwirken vermag.
Sollten einmal gewerkschaftliche
Spalter, aus persönlichen und ande¬
ren egoistischen Motiven heraus veJ^
suchen, die Arbeitnehmerschaft zu
spalten, so müßte diesen Schädlingen
schnellstens und radikal das Hand¬
werk gelegt werden.
Die zielbewußt und beharrlich ge¬
führten Lohn-Verhandlungen sind
zum Abschluß gekommen. Ab' 1.
Dezember 1 946 erhalten,
die Lohn-Empfänger der
Saargruben eine 2 5 ®/o i g e
bezw. 2 0 •/• i g e Lohnauf-*
besserung. Für die Gen
dingelöhner wurde di«
1 0*/• ige Anwesenheitsprä«
mie sanktioniert und we*»