Full text: 1947 (0002)

BERGBAU K 
Der Räuber 
Nicht immer sachlich sind die 
Redensarten, die allenthalben ge¬ 
führt werden über die angebliche 
Bevorzugung der Bergmänner und 
ihrer Angehörigen. Oft hört man 
merkwürdige Ansichten von Außen¬ 
stehenden, die sich keinesfalls in 
den Bergmannsberuf hineindenken 
können. Begleiten wir deshalb eine 
Bergmannsgruppe, die die gefähr¬ 
liche Arbeit des Pfeilerrückens und 
Rauhens verrichtet, auf ihre Arbeits¬ 
stelle. 
Die Mittagschicht hat die Arbeits¬ 
stelle verlassen. Ihr folgt die Nacht¬ 
schicht, die die Rutschenstränge von 
dem alten in das neuausgekohlte Feld 
verlegt und wieder neu einbaut. In¬ 
dessen beginnen die Pfeilerkolonnen 
Ihre schwierige, gefährliche Arbeit. 
Zwei und zwei Mann geht jede die¬ 
ser Kolonnen ans Werk, das darin 
besteht, die Holzpfeiler zum Ein¬ 
sturz zu bringen und ein Feld vorzu¬ 
ziehen und neu aufzusetzen, sowie 
die eisernen Stempel und Schienen, 
die das Feld sichern, zu rauben und 
zu bergen. Die Pfeiler sind aus 15 cm 
dicken Vierkanthölzern, die längs 
und quer genau auf die Enden auf¬ 
einander gelegt werden. In die Mitte 
werden eiserne Auslösebalken ein¬ 
gebaut, die mit einer Auslösevor¬ 
richtung versehen sind und das 
Ganze wird mit scharfen Keilen ab¬ 
gekeilt, die jedes Weichen der Pfeiler 
durch den Gebirgsdruck verhindern 
sollen. Das Auslösen ist eine sehr 
gefährliche Arbeit und erfordert 
große Geschicklichkeit. Stürzt der 
Pfeiler zusammen, müssen mit 
äußerster Schnelligkeit Holz und 
Auslösebalken herausgenommen wer¬ 
den, da sehr oft das Gebirge ein¬ 
stürzt. Wenn das passiert, dann muß 
in mühseliger Arbeit Stück um Stück, 
oft Zentimeter um Zentimeter, her¬ 
ausgeschafft werden. In niedrigen 
Flözen wird die Arbeit auf den 
Knien rutschend oder auf dem 
Bauch oder Rücken im Kohlendreck 
fegend, ausgeübt. Scharfe Kohlen¬ 
stückchen, die Unter die Kleidungs-' 
stücke und Schuhe geraten, pressen 
sich in die Haut, einstürzende Ge- 
birgsmassen breiten Gesteinsstaub¬ 
wolken aus, die das Atmen er¬ 
schweren. 
Sind die Pfeiler vorgezogen, dann 
beginnt das Rauben der Stempel 
und Schienen. Die eisernen Stempel 
sind mit einem Keil versehen. Wenn 
dieser zurückgeschlagen wird, sackt 
der Stempel zusammen. Ist der Ge¬ 
birgsdruck zu stark, dann hat er die 
Stempel derart ineinander gedrückt, 
daß sie in mühseliger Arbeit ge¬ 
lockert werden müssen durch Ab- 
spitzen des Gesteines über oder unter 
dem Stempel. Die Raubarbeit ver¬ 
langt Mut und Entschlossenheit, 
Kenntnisse der Gebirgsverhältnisse. 
Sie verlangt sehr gute Augen und 
noch bessere Ohren, die aus allen 
optischen und akustischen Erschei¬ 
nungen die Gefahr und den Moment 
des Gebirgsein Sturzes erkennen. 
Jedes Knistern und Mahlen im Ge¬ 
birge, jeder Ton der Kohlenwand, 
das leiseste Bersten von Holz kann 
eine Warnung sein für den, der diese 
Arbeit kennt. Oft gehen auf einen 
Schlag hunderte Meter im alten Feld 
mit Krachen und Bersten des Ge¬ 
birges, mit dumpfem Dröhnen der 
Kohlenwand zu Bruch und dann 
folgt eine undurchsichtige Wolke 
von Kohlen und Gesteinsstaub und 
kleine und größere Stücke Gesteins 
fallen vom Hangenden klirrend in 
die metallene Rinne der Rutsche. 
Nach kurzer Zeit kommt das in Be¬ 
wegung geratene Gebirge in Ruhe 
und die Räuber, die mit angespann¬ 
ten Sinnen jede Gebirgsbewegung in 
nächster Nähe beobachten, haben 
ihr Werk getan. 
Mancher freilich mußte bei dieser 
Arbeit sein Leben lassen und fast 
alle Räuber haben dauernd kleinere 
oder größere Verletzungen. Trotzdem 
fahren1' jeden Abend die Kolonnen 
ein und nehmen den Kampf mit den 
Nafurgewalten mutig und trotzig auf. 
Und wenn wir nachts im Bette lie¬ 
gen, denken wir an diese Männer, 
die keinen Nachtschlaf kennen, die 
tief unter uns jede Nacht-ihr Leben 
und ihre Gesundheit im Staub, Hitze 
und Durst zum Wbhle der Mensch¬ 
heit aufs Spiel setzen. Sie kennen 
noch das hohe Lied der Kamerad¬ 
schaft und gegenseitiger Hilfe. Seien 
auch wir Kameraden und gönnen 
ihnen die Bevorzugungen, die ihnen - 
voll und ganz zustehen. J. M. 
2üc lakceswende! 
Ein Jahr Aufbauarbeit liegt 
hinter uns. Vieles ist getan 
worden, was Fortschritt' be¬ 
deutet. Der Industrieverband 
Bergbau der Einheitsgewerk¬ 
schaft konnte sich zahlenmäßig 
#und im Organisationsapparat 
weiter festigen und au- bauen. 
Die Grundlage wird immer 
sicherer. Es geht vorwärts auf 
der ganzen Linie. Unsere 
Werbekampagne für den Ver¬ 
band tragen wir in das neue 
Jahr hinein. 
Wir bitten die organisierten' 
Kameraden vom Bergbau, die 
Gewerkschaftsarbeit, Kraft, 
Verantwortung, Selbstver¬ 
trauen und Eifer zu verdop¬ 
peln. WTir kämpfen und ringen 
für die Achtung und Bewer¬ 
tung unseres Bergarbeiter¬ 
standes. Mit der Gesamt-Ein¬ 
heitsgewerkschaft wollen c wir 
mithelfen, überall wo Aufbau¬ 
arbeit und Neuland ist, wo 
Hilfe not tut, wo es gilt eine 
wirklich neue Welt zu bauen. 
Wir verbinden damit unseren 
herzlichen Dank an alle, die 
mitgcholfcn haben im letzten 
Jahr am inneren und äußeren 
Aufbau unseres Verbandes. 
Glückauf! 
Die Verbandsleitung. 
Lohnrevision im Bergbau 
Ein Erfolg der Gewerkschaftseinheit 
„Wer Hitler wählt, wählt den 
krieg“, dieser Mahnruf aller Anti¬ 
faschisten war mehr als eine Parole, 
sondern entsprang nüchterner, realer 
Feststellung So war auch die Lohn¬ 
politik der Nazis auf den Saargruben 
abgestimmt und eingespannt auf den 
Anlauf der Kriegsmaschine. 
Als im Jahre 1935 die braunen Ko¬ 
lonnen bei uns an der Saar ihre 
Positionen bezogen, blieben die 
Löhne auf den Saargruben, trotz ver¬ 
teuerter Lebenslage die gleichen. 
Um nun doch eine höhere Kohlen¬ 
förderung als entscheidender Beitrag 
zur Kriegsrüstung herbeizuführen, 
ging man den Weg der Arbeitszeit- 
Verlängerung. Von der 7‘/!stündigen 
Schichtzeit kam man zur ßstündigen 
Schichtzeit. Die „Arbeitsfront“ als 
Interessenvertretung der Kapitali¬ 
sten, und äusführendes Organ der 
Kriegs-Treiber sanktionierte diese 
Maßnahmen. Auf Kommando wur¬ 
den aus diesem Grunde Dankes¬ 
adressen von den „berufenen“ Ver¬ 
tretern der Bergarbeiterschaft, den 
damaligen Obmännern der Saargru¬ 
ben, dem „Führer“ übersandt. 
Die neuerstandene Kriegsindustrie 
brauchte aber dringend Arbeits¬ 
kräfte, besonders Fachkräfte. Der 
AAreiz dazu waren hohe Löhne und 
Trennungs - Zulagen. Die Auswir¬ 
kungen im Bergbau waren katastro¬ 
phal, wenn auch nicht unmittelbar 
auf die Kohlenförderung. Die Ar¬ 
beitszeitverlängerung und die eini¬ 
germaßen tragbaren Bedingungen 
für den Gedingearbeiter hielten den 
Stand der notwendigen Förderung. 
Eine Abwanderung der Saarbergar¬ 
beiter in großer Anzahl in die besser 
bezahlte neue Kriegsindustrie war 
wegen ihrer Bodenständigkeit weni¬ 
ger zu befürchten. Der bergmänni¬ 
sche Nachwuchs aber wurde ein 
Problem. Als Vabanque - Spieler 
glaubten die Nazis die Arbeit ln Zu¬ 
kunft mit Arbeitssklaven aus unter¬ 
drückten Ländern meistern zu kön¬ 
nen. Die Schichtlühner, vor allem 
die Handwerker und Maschinisten 
auf den Gruben mußten, gemessen 
an den Löhnen der anderen Indu¬ 
strien eine Lohnspanne von zwei, 
drei und mehr Mark pro Schicht 
widerspruchslos hinnehmen. Der Ar¬ 
beitsfriede und die Stabilität des 
Betriebes wurden durch die Verne¬ 
belung mit Naziidcologie und durch 
das Fehlen einer Gewerkschaft ge¬ 
währleistet. 
Der Krieg kam und mit ihm die 
Erhöhung der Arbeitszeit von acht 
auf achtdreiviertel Stunden. Die trotz 
Preisstop eingetretene Verteuerung, 
mußte durch Mehrarbeit ausgeglichen 
werden. Hinzukam der Arbeitsein¬ 
satz von Arbeitssklaven, Gefangenen 
und Deportierten aus fremden Län¬ 
dern, und schließlich der Frauenein¬ 
satz. 
Ein gütiges Geschick und die Rück¬ 
sichtnahme der kämpfenden alliier¬ 
ten Streitmacht haben den Saar¬ 
bergbau vor dem Schlimmsten be¬ 
wahrt. Auch waren Arbeiter, Ange¬ 
stellte und Beamte der Saargruben 
nicht so verblendet, den Anord¬ 
nungen der Obernazi Verbrecher auf 
Zerstörung der Gruben Folge zu 
leisten. Das Verantwortungsbewußt- 
sein und die Einsicht der Bergarbei¬ 
ter, daß die Kohlenförderung die 
elementare Voraussetzung des Wie¬ 
deraufbaues ist, haben uns die An¬ 
lagen erhalten. Zu den Maßnahmen, 
die erforderlich sind, um die Förder¬ 
leistung der Gruben zu steigern, ge¬ 
hört vor allem auch eine gerechte 
Entlohnung aller im Kohlengewin¬ 
nungsprozeß tätigen Arbeiter. 
Nach dem Zusammenbruch haben 
die Besatzungsmächte den Preis- und 
Lohnstop neu verfügt, eine Notwen¬ 
digkeit, um nicht in einer rapiden 
Inflation zu versacken. Die schema¬ 
tische Behandlung des Lohnstops 
aber würde die lohnpolitischen auf 
den Krieg abgestimmten Maßnah¬ 
men der Nazikriegsverbrecher wei¬ 
terhin aufrecht erhalten. Sie wäre 
ungerecht, ungesund und hemmend 
für den Wiederaufbau. Wenn der 
Krieg die Rüstungsindustrie iohn- 
poiitisch einseitig bevorzugt hat, so 
verlangt der Wiederaufbau eine ge¬ 
rechte Lösung der Lohnfrage. Mit 
Zwangsmitteln allein die Lenkung 
der Arbeitskräfte herbeizuführen 
wäre weder klug, noch zum Vorteil 
des Wiederaufbaues. Eine Lohnrevi¬ 
sion für die Sparten der Wiederauf¬ 
bauwirtschaft ist ein unabdingbares 
Gebot der Stunde. 
Vor allem muß dem Bergbau als 
Schlüsselindustrie, in der Lohnfrage 
weitgehend Rechnung getragen wer¬ 
den. Hier geht es um die Beseitigung 
eines Unrechtes, das durch die Nazi¬ 
kriegspolitik verursacht worden ist. 
Eine Lohnrevision wird aber auch 
ein Anreiz sein, den Bergbau als 
Schlüsselindustrie zum Nutzen des 
Wiederaufbaues zu beleben und dem 
Nachwuchs durch eine günstigere 
Lohnsituation dem Bergbau zu er¬ 
halten. Schon die Arbeitseinsatzkon* 
trolle im Bergbau verlangt gebiete¬ 
risch einen gerechten Lohnausgleich. 
Im Interesse des Wiederaufbaues 
und einer höchstmöglichen Kohlen¬ 
förderung hat der Industrieverband 
Bergbau der Einheitsgewerkschaft 
eine Lohnrevision im Saarbergbau 
angestrebt. Der Hauerdurchschnitts¬ 
lohn auf den Saargruben sieht in 
keinem Verhältnis zu der Schwere 
und der volkswirtschaftlichen Be¬ 
deutung der zu leistenden Arbeit. 
Der Lohn der Schichtlöhner von 
Unter- und Uebertage, deren Wich¬ 
tigkeit im Kohlengewinnungsprozeß 
ausschlaggebend ist, verlangt nicht 
weniger eine Neuregelung, als die 
Entlohnung der Jugendlichen, die 
dem Nachwuchsproblem seine be¬ 
sondere Bedeutung gibt. 
Unter Berücksichtigung dieses Ge¬ 
sichtspunktes forderte die Verbands¬ 
leitung des Industrieverbandes Berg¬ 
bau der Einheitsgewerkschaft eine 
20°/oige Lohnerhöhung, nachdem es 
bereits vorher den gewerk¬ 
schaftlichen Bemühungen 
gelungen war eine 1 0 ®/# i g e 
Ajn w es en h c i t s p r ä m i e für 
die Untertagebelegschaft 
als Teilerfolg hereinzu- 
holen. Während der Lohnverhand¬ 
lungen wurde auf diese schon zuge- 
standene Lohnerhöhung hingewie¬ 
sen. Die Ausschaltung der Ubertage¬ 
belegschaft. von der Lohnrevision 
aber ist geeignet den Wirtschafts¬ 
frieden zu gefährden. Eine Lohnre¬ 
vision aus Gerechtigkeit, und unter 
dem Gesichtspunkt der Beschleuni¬ 
gung des Wiederaufbaues muß sich' 
auf alle Sparten des Bergbaues be¬ 
ziehen. Dieser Notwendigkeit haben 
sich die in Frage kommenden Stellen, 
nicht verschlossen. Einschlägiges Be*- 
weismaterial bestätigte die berech¬ 
tigten Ansprüche der Übertagebeleg¬ 
schaft in die Lohnverhandlungen mit 
einbezogen zu werden. 
Ihr erfolgreicher Verlauf hat be¬ 
wiesen, daß die gewerkschaftliche 
Einheit sich nutzbringend für die 
Belegschaft auszuwirken vermag. 
Sollten einmal gewerkschaftliche 
Spalter, aus persönlichen und ande¬ 
ren egoistischen Motiven heraus veJ^ 
suchen, die Arbeitnehmerschaft zu 
spalten, so müßte diesen Schädlingen 
schnellstens und radikal das Hand¬ 
werk gelegt werden. 
Die zielbewußt und beharrlich ge¬ 
führten Lohn-Verhandlungen sind 
zum Abschluß gekommen. Ab' 1. 
Dezember 1 946 erhalten, 
die Lohn-Empfänger der 
Saargruben eine 2 5 ®/o i g e 
bezw. 2 0 •/• i g e Lohnauf-* 
besserung. Für die Gen 
dingelöhner wurde di« 
1 0*/• ige Anwesenheitsprä« 
mie sanktioniert und we*»
	        
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