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Juli 1947
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„Die Arbeit'* *
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Kapitals und der Arbeit müssen ihre
alte Kampfstellung auf geben, weil
jetzt beide Partner zum Gestalter
und Träger der Wirtschaft geworden
sind. Beide müssen jetzt die Verant¬
wortung für das Funktionieren der
Wirtschaft übernehmen. Die zukünf¬
tige Kritik über wirtschaftliche-oder
soziale Verhältnisse wird sich nicht
mehr gegen die Kapitalisten von
gestern richten, sondern gegen den
neuen Betriebsführer, der evtl, sogar
aus den eigenen gewerkschaftlichen
Reihen gekommen ist. Die Kritik
trifft dann nicht mehr die feudale
Kaste, den alten Staat von gestern,
sondern die Demokratie, den neuen
Staat von heute, uns selbst. Die so¬
ziale Neuordnung führt also zur
Selbstkritik. Diese Entwicklung mag
den Gewerkschaftler schrecken, der
die Verantwortung scheut, ^er viel¬
leicht denkt: Kritisieren ist leichter
als besser machen. Dennoch braucht
diese Entwicklung kein Nachteil zu
sein, wenn wir für jedes Aufgaben¬
gebiet die- erforderliche Sachkennt¬
nis und das notwendige Verantwor¬
tungsgefühl mitbringen. Jetzt gilt es
für die Gewerkschaften zu zeigen,
daß sie sich von innen heraus dieser
Aufgabe gewachsen fühlen. Hierbei
darf es kein Versagen geben. Das
würde das Volk enttäuschen und
viele gesunde Kräfte lähmen.
Das Aufgabengebiet, das den Ge¬
werkschaften zugefallen, ist nicht
leicht. Es ist schwieriger als jede po¬
litische Aufgabe, denn letzten Endes
hängt von der sozialen auch die po¬
litische Entwicklung ab. Das Auf¬
gabengebiet zu bewältigen ist für die
Gewerkschaft umso schwerer, weil
der Nazismus die geistige Aus- und
Weiterbildung der Funktionäre und
Vertrauensleute der früheren Rich¬
tungsgewerkschaften jäh unterbrach
und lahm legte, so daß heute gewal¬
tige Lücken nicht quantitativ, son¬
dern auch qualitativ.zu verzeichnen
sind.
Vom Blickfeld des Aufgabengebie¬
tes aus treten wir deshalb auch für
den Gedanken der Einheitsgewerk¬
schaft ein. Die gewerkschaftliche
Einigung der deutschen Arbeiter¬
schaft muß und wird entscheidende
Auswirkungen auf unsere soziale
Neuordnung haben. Dieses Einigungs-.
werk hat sicherlich heute noch viele
Mängel. Auch diese werden über¬
wunden, wenn die führenden Kol¬
legen aller früheren Richtungen aus
ehrlicher Ueberzeugung und ohne
jedes Vorurteil nur sachlich gewerk¬
schaftliche Arbeit leisten. Ehrliches
Wollen und sachliches Wirken wer¬
den das Einigungswerk zur Reife
bringen. Das setzt aber voraus, daß
keine Richtung ein Führerprinzip er¬
hebt. daß alle eifersüchtig darüber
wachen, daß religiöse und partei¬
politische Neutralität gewahrt wird.
Niemand darf parteipolitisch bevor¬
zugt oder benachteiligt werden. Eine
parteiische Einstellung würde nicht
nur die Einigung, sondern auch
die Gewerkschaftsarbeit empfindlich
stören. Wer stört, gefährdet nicht
nur das Einigungswerk, er schwächt
Das Tor ist offen
Die Tagung des Generalrates des
Weltgewerkschfatsbundes vom 10. bis
15. Juni in Prag war das wichtigste
Ereignis in der Geschichte der
deutschen Gewerkschaftsbewegung.
Während der Hitlerherrschaft war
die deutsche Arbeiterschaft von jeder
Zusammenarbeit mit der internatio¬
nalen Arbeiterschaft ausgeschlossen.
Nun hat die erste Delegation deut¬
scher Gewerkschaftler an der Ta¬
gung des Generalrates des WGB
teilgenommen, und zwar aus jeder
Zone und Berlins mit je einem Ver¬
treter: Hans Buckler (brit. Zone),
Fritz Tarnow (amerikanische Zone),
Matthias Schneider (franz. Zone),
Hermann Schlimme (Berlin) und
Hans Jendretzky (Sowjet-Zone).
Kollege Kuypers (Holland) gab
einen Bericht über die Kommission
des WGB, die Deutschland bereiste,
und befürwortete die Zulassung der
deutschen Gewerkschaften zum WGB
ohne besondere Bedingungen. An
der Aussprache beteiligten sich 15
Delegierte, von denen einige Be¬
denken gegen die Aufnahme äußer¬
ten, vor allem die Vertreter Polens,
Jugoslawiens und Palästinas. Trotz
dieser Bedenken traten die Ver¬
treter Frankreichs, 'Rußlands und
anderer Länder dafür ein, daß die
neuen Gewerkschaften, unter Be¬
rücksichtigung ihrer bis jetzt ge¬
leisteten Arbeit, zugelassen werden
sollen. Nach eintägiger Aussprache
stimmte der Generalrat'dem Antrag
des Exekutivausschusses zu und gab
bekannt, daß ein Büro des WGB in
Deutschland errichtet wird, um der
deutschen Gewerkschaftsbewegung
Stütze und Hilfe zu sein.
Hermann Schlimme gab für
die deutsche Delegation eine Er¬
klärung ab, in der er die Wirt¬
schaftslage und den Standpunkt der
deutschen Gewerkschaften erläu¬
terte. Zum Schluss^ führte er aus:
Mit Genugtuung haben wir Kennt¬
nis genommen von dem Bericht der
Kommission des Weltgewerkschafts¬
bundes, die Deutschland bereiste
und unsere gewerkschaftlichen Ar¬
beiten geprüft- hat. Mit Freude
haben wir festgestellt, daß das
Exekutivkomitee die Empfehlung
der Kommission akzeptiert und dem
Generalrat vorgeschlagen hat, dem
Wiedereintritt der deutschen Ge¬
werkschaften in die Internationale
zuzustimmen. Auch in der Diskus¬
sion sind viele freundliche, und er¬
mutigende Worte der Anerkennung
unserer Arbeit gesprochen worden.
Wir haben nicht Unerhört, daß in
der Diskussion auch Meinungen
damit den sozialen Gestaltungswil¬
len, ja er gefährdet die soziale Neu¬
ordnung und damit die Volksdemo¬
kratie überhaupt.
Ohne Volksdemokratie keine Völ¬
kersolidarität. Das sollten alle be¬
denken, die es angeht.
14. Juli - gesetzlicher Feiertag
Eine Verordnung der Verwaltungs¬
kommission des Saarlandes.
Durch den Sieg der Alliierten
über den Nationalsozialismus hat
jener Geist die Mächte der Gewalt
und Unterdrückung überwunden,
der am 14. Juli 1789 durch den
Sturm auf die Basfille und die Er¬
klärung der Menschenrechte die
Menschheit von den Fesseln abso¬
lutistischer Gewaltherrschaft be¬
freite. Die Proklamation der Men¬
schenrechte brachte der mensch¬
lichen Gesellschaft die Gleichheit
vor dem Gesetz ohne Rücksicht
auf Rasse, Stand upd Religion, und
wurde bereits vor 150 Jahren über
die Grenzen Frankreichs hinaus, an
Saar, Mosel und Rhein mit Begei¬
sterung begrüßt und gefeiert. Die
Wiederherstellung der Menschen¬
laut geworden sind, die erkennen
lassen, daß das Mißtrauen noch
nicht ganz überwunden ist. Wir
hoffen durch unsere weitere ge-
»werkschaftliche Arbeit in Deutsch¬
land diejenigen zu überzeugen, die
uns heute noch nicht ihr volles
Vertrauen schenken können.
Im Aufträge meiner anwesenden
Kameraden danke ich noch einmal
für die Einladung zu dieser Tagung.
Wir werden unseren Gewerkschaften
in der Heimat Bericht erstatten.
Wir hegen nicht den geringsten
Zweifel, daß in den Organisationen
aller Zonen der baldige Anschluß
an den Weltgewerkschaftsbund er¬
sehnt wird. Mit Hilfe des Welt¬
gewerkschaftsbundes hoffen wir die
letzten Schwierigkeiten für den
deutschen Zusammenschluß zu
überwinden.“
Der General rat der Welt ge werk -
Schaftsförderation beschloß:
a) Ein Verbindungsbüro des Welt¬
gewerkschaftsbundes in Deutsch¬
land mit der Aufgabe zu schaffen,
die Verbindung mit den deutschen
Gewerkschaften aufrecht zu halten
und zusammen mit ihnen die Be¬
dingungen für die Vereinigung der
deutschen Gewerkschaften auf de¬
mokratischer Grundlage zu schaffen.
Den Generalsekretär zu beauftragen,
die Errichtung des Sitzes sicher¬
zustellen.
b) Eine Delegation aus allen vier
Zonen zu den Tagungen einzu¬
laden.
c) Den Beitritt der deutschen Ge¬
werkschaften zum WGB im Prinzip
anzunehmen. Der Beitritt wird unter
folgenden Bedingungen wirksam:
1. Errichtung eines Gewerkschafts¬
zentrums in Deutschland. Um
dies zu verwirklichen, wird den
Gewerkschaften in allen vier
Zonen vorgeschlagen, mit der
praktischen Arbeit, insbesondere
mit der Vorbereitung eines Kon¬
gresses auf der Grundlage einer
demokratischen Delegiertenver¬
tretung zu beginnen.
2. Zufriedenstellende Tätigkeit der
deutschen Gewerkschaften.
3. Bis zur Einberufung eines solchen
demokratischen Kongresses sollen
die Interzonen-Konferenzen wei¬
terhin durchgeführt werden und
die Beschlüsse als Meinungsaus¬
tausch der deutschen Gewerk¬
schaften betrachtet werden.
4. Die nationalen Organisationen von
Großbritannien, der Vereinigten
Staaten von Amerika, der Sowjet¬
union und Frankreich sollen
gebeten werden, bei ihren Regie¬
rungen vorstellig zu werden, da¬
mit die entsprechenden Vertreter
beim Kontrollrat in Berlin mit
dem WGB bei der Durchführung
dieses Beschlusses Zusammen¬
wirken.
Gewerksdiailsdironik
Französische Zone
Die Gewerkschaften in der fran¬
zösischen Zone ohne Saarland haben
z. Zt. rund 300 000 Mitglieder, die
sich auf die einzelnen Länder wie
folgt verteilen: Gewerkschaftsbund
Rheinland-Pfalz 180 000, Gewerk¬
schaftsbund Baden 80 000, Gewerk¬
schaftsbund Württemberg 40 000.
Der Aufbau wurde nach Industrie¬
gewerkschaften vorgenommen. ■_
♦
Am 11. Juli fand die Uebergabe
des Mainzer Gewerkschaftshauses an
den Allgemeinen Gewerkschaftsbund
Rheinland-Pfalz statt. Nach der
Feier im Stadthaus fand eine Gro߬
kundgebung der Gewerkschaften
statt.
* ♦
Baden hatte im Mai 1947 über
140 000 Mitglieder. Die Ortsverwal¬
tung Stuttgart konnte seit Januar
1946 eine Steigerung des Mitglieder¬
standes um etwa SOVo von 1000 Mit¬
gliedern auf 1800 erreichen. Dieser
Erfolg ist beachtlich, da es in Stutt¬
gart keine Großbetriebe, sondern ne¬
ben einigen Mittelbetrieben vor
allem Kleinbetriebe gibt, die orga¬
nisatorisch schwerer zu erfassen
sind.
Britische Zone
Britische Bergarbeiter besuchen
das Ruhrgebiet. Dreißig britische
Bergarbeiter werden in Anerken¬
nung ihrer guten Leistungen bei der
Steigerung der britischen Kohlen¬
förderung für eine Woche das Ruhr¬
gebiet besuchen. Sie werden am 21.
7. 47 von Essen aus die Besichtigung
von Bergwerken, Erziehungszentren
und ähnliche Einrichtungen unter¬
nehmen.
In eigener Sache
rechte ist uns ein leuchtendes Sym-
hol für den Beginn einer neuen,
besseren Zeit.
Die Verwaltungskomiuission des
Saarlandes hat daher, dem Wunsch
der arbeitenden Bevölkerung ent¬
sprechend, nach Fühlungnahme mit
den politischen Parteien in ihrer
Sitzung vom 1. Juli 1947 den Erlaß
folgender Verordnung beschlossen,
die hiermit verkündet wird:
E i n z i ger Paragraph:
Der 14. Juli wird zum gesetzlichen
und bezahlten Feiertag erklärt. Die
ausfallende Arbeitszeit wird nicht
nachgeholt.
Saarbrücken, d. J. Juli 1947.
Der Vorsitzende: M ii 11 e r, Direktor
Das Mitglied für Arbeit u. Wohlfahrt:
Kirn, Direktor
Ein Jahr im Lehen einer Zeitung will
an sich nichts bedeutene insonderheit
dann, wenn durch die zeitbedingten äu¬
ßeren Umstände die Zahl ihrer Ausgaben
innerhalb dieses Zeitraumes begrenzt
blieb und sie nur einmal im Monat ihre
Leser au/suchte. Gewiß, wir stehen nicht
an, zu sagen, daß wir gewünscht hätten,
mit unserem Gewerkschaftsorgan „Die
Arbeit“ häufiger und in kürzeren Ab¬
ständen vor die Öffentlichkeit zu treten,
um so mehr, als wir damit nicht allein
einem an uns immer wieder herangetre¬
tenen IVunsch unserer Leserschaft ent-
sproihen hälfen, sondern gerade dem
selbstempfundenen Bedürfnis einer
raschen und intensiveren Unterrichtung
unserer Mitglieder Rechnung zu tragen in
der Lage gewesen wären.
So treten wir heute in das zweite Le¬
bensjahr unserer Zeitung mit der Hoff¬
nung, daß uns recht bald Gelegenheit ge¬
geben sein tvird, diese uns gemeinsamen
Wünsche durch eine Verbreiterung und
Vertiefung unserer Pressearbeit erfüllen
zu können. Daß sie ihre Grenzen an dem
Ziceck und Sinn einer Gewerkschafts¬
zeitung finden wird, versteht sich von
selbst. Audi wissen wir, daß manches
noch der Verbesserung und qualitativeren
Ausgestaltung bedarf. Die Erfahrung ist
auch uns ein bewährter Berater und wird,
so hoffen wir, ein uns treu begleitender
Weggenosse bleiben. Ziuar läge es nahe,
mit einer Rückschau auf das vergangene
Jahr zugleich einen Rechenschaftsbericht
zu verbinden, der geeignet erscheint, un¬
sere Leistungen zu bewerten. Die Kritik
überlassen wir dem Leser, der sich nicht
selten selbst als Mitgestalter eingeschaltet
hat. Ihm an dieser Stelle zu danken, ist
uns eine tief empfundene kollegiale
Pflicht. Wir möchten auch künftighin auf
seine Mitarbeit nicht verzichten und hof¬
fen, daß in den Kreis derer, die unsere
Arbeit durch eigene Beiträge zu be¬
reichern bereit sind, neue Freunde unserer
Zeitung treten werden. Denn nur dann
wird sie ihre Aufgaben ganz zu erfüllen
vermögen, wenn sie unmittelbar aus dem
Leben der Verbände zu schöpfen imstande
ist, und durch tätige Mitwirkung sachkun¬
diger Mitglieder eine lebendige Verbin¬
dung zu den Werktätigen in den gewerk¬
schaftlichen Organisationen unterhält.
Wir danken den Dienststellen der Be-
Satzungsbehörden für das einsichtsvolle
Verständnis und die Hilfe, die sie dem
Aufbau unserer Zeitung haben zuteil wer¬
den lassen, wir danken aber nicht zuletzt
auch den saarländischen Behörden, ihren
Leitern und Beamten für das tätige In¬
teresse, das sie dem Geiverkschaftsorgan
gezollt haben.
Aus dieser vielseitigen Förderung
schöpfen wir die Hoffnung auf eine ge¬
deihliche Weiterentwicklung unserer
Pressearbeit. Auch an der Schwelle eines
neuen Zeitabschnittes wird sie unter dem
Leitgedanken der Erhaltung der Gewerk¬
schaftseinheit stehen und dem Interesse
aller W erktätigen des Saarlandes zu
dienen bereit sein.
Verlag und Redaktion
„Die Arbeit“