Full text: 1947 (0002)

Sadie 4 
«Die Arbeit** 
Ni. 6 
Post- und Fernmeldewesen 
Am 10. April 1947 hielt die Fach¬ 
gruppe Post- und Fernmeldewesen 
ihre 1. Bezirks-Delegierten-Konfe- 
renz ab. Die .Fachgruppe zählt 2300 
Mitglieder. Der _ Verband umfaßt 
alle Postämter, das Telegraphcn- 
bauamt, das Fernsprechamt, das 
Postscheckamt und die Instandset¬ 
zungswerkstatt. Das Personal glie¬ 
dert sich in 55 Prozent Arbeiter, • 
5 Prozent Angestellte und 40 Pro¬ 
zent Beamte. An der Spitze Steht 
die Oberpostdirektion, die ihren Sitz 
in Saarbrücken hat. Bei der Ober¬ 
postdirektion befindet sich ein Be- 
zirksobmann. 
Die vor 1933 verschiedenartigen 
OrganisationsVerhältnisse sind auf¬ 
gehoben. Die sogenannten Standes¬ 
vereine existieren nicht mehr: Or¬ 
ganisationen nach Partei- und Re- 
ligionsansehauungen haben in einer 
so schwer darniederliegenden Wirt¬ 
schaft keine ..Berechtigung mehr. 
Darum sind wir politisch und. reli¬ 
giös neutral. Wir müssen aufbauen 
und unsere Kundschaft schnell und 
pünktlich abfertigen. Dazu ist es 
notwendig, ein zuverlässiges Per¬ 
sonal zu schaffen. Politisch haben 
wir dahingehend zu streben, daß 
wir ein demokratisches und saube¬ 
res Beamtentum schaffen. Der Ver¬ 
band wird alles daran setzen, daß. 
die Schlüsselstellungen von zuver¬ 
lässigen Kollegen besetzt werden. 
Es ist manchmal -nicht so leicht, 
solche Menschen zu finden. Ich 
verweise nur auf den technischen 
Dienst. Der Teilnehmer will tele¬ 
fonieren können, wenn er einen 
Anschluß hat, er will aber auch 
schnell und pünktlich bedient sein. 
Ob da oder dort noch ein aktiver 
Nazi sitzt, ist 'nicht seine Sorge. 
Aber die, die dafür v«rantwortlich 
Sind, eine demokratische Verwal¬ 
tung zu schaffen, kümmert es schon. 
Aktivisten haben, kein Recht mehr 
heute noch' dort zu sitzen, wo sie 
ihren Einfluß geltend machen kön¬ 
nen. Dagegen kümmern uns jedoch 
die kleinen Pgs in untergeordneten 
Stellungen wenig, sie sind in der 
Mehrzahl Mitläufer und wenn sie 
von der Spruchkammer als Mitläu¬ 
fer oder als Entlastete eingestuft 
werden sind wir froh, daß wir ein¬ 
gearbeitete Kräfte behalten können.- 
In allen Besprechungen wirken wir 
dahingehend, wie schädlich sich der 
Nationalsozialismus ausgewirkt hat 
und -unsere v vornehmste Aufgabe 
muß es sein, brauchbare Menschen 
für unseren Aufbau zu erziehen. 
Wir haben jetzt zu .beweisen, daß 
es uns ernst ist, mit der Schaffung 
eines demokratischen Staates: Eine 
Reinigung kann nicht von heute auf 
morgen geschehen. Entlassungen 
können nicht allgemein vollzogen 
werden; zuerst müssen neue Kräfte 
eingelernt sein und auch dafür Ge¬ 
währ bieten, daß sie voll eingesetzt 
werden können. 
Die Jugend muß herangebildet 
werden, sowohl geistig wie prak¬ 
tisch und die Organisation hat eine 
große Aufgabe, den richtigen Mann 
an den richtigen Platz zu bringen. 
Darum legen wir außerordentlich 
großen Wert darauf, die Jugend¬ 
lichen für unsere Organisation zu 
gewinnen, damit wir sie beeinflus¬ 
sen können. Ihre kritische Einstel¬ 
lung zur Demokratie und deren 
Einrichtungen muß geklärt werden. 
Der ehemalige Reichspostminister 
Ohnesorge, der in Ludwigsburg zu 
büßen hat, hat uns die ganze Ju¬ 
gend vergiftet. Er hat jedem den 
Marschallstab im Tournister ver¬ 
sprochen. In verschiedenen postali¬ 
schen und technischen' Lehrgängen 
hat man diesen jungen Leuten nur 
die Idee des Nazismus beigebracht. 
Das Wohl und Wehe der Postver- 
wallung kam immer erst am Rande, 
das Sportabzeichen war das Diplom 
für einen tüchtigen Postler. Die 
eingefressenen Gedankengänge heißt 
es zu überwinden und brauchbare 
Verwaltungs- und Betriebsbeamte, 
tüchtige Telegraph enbauhand wer-v 
ker und Feinmechaniker heranzu¬ 
bilden. 
Eine große Aufgabe obliegt unse¬ 
rem Verband auch in der Frauen¬ 
frage. Die Postverwaltung beschäf¬ 
tigt sehr viel weibliches Personal, 
speziell im Postscheck- und Fem- 
sprechdienst. Es ist nicht so ein¬ 
fach, ihnen die Notwendigkeit einer 
gewerkschaftlichen Organisation 
beizubringen. Wir haben darin auch 
sehr viel jugendliche Kräfte, die 
den Emst der Arbeit und die 
Schwere der heutigen Zeit noch 
nicht begriffen haben. Die Förde¬ 
rung der Frau nach- der personel¬ 
len, dienstlichen und geistigen Seite 
hin ist vordringliche Aufgabe unse¬ 
res Verbandes. Ihre Beschäftigungs¬ 
möglichkeit ist ihrem' Wesen ent-' 
sprechend anders als die des Man¬ 
nes* Ihr sind bestimmte Dienst¬ 
zweige Vorbehalten. So eignet sich 
eine Frau zu einer Telefonistin doch 
sicher besser als ein Mann. Das¬ 
selbe trifft auch im' Postscheck¬ 
dienst zu. % 
Unser Augenmerk ist immer auf 
unsere Kriegsversehrten gerichtet 
und wir müssen helfen, diese Ärm¬ 
sten der- Armen unterzubringen. 
Wohl sind wir keine Versorgungs¬ 
anstalt, denn auch die übrigen Ver¬ 
waltungen und Betriebe werden 
sich die Augen vor diesem Elend 
nicht schließen. 
Der Postverwaltung kann nicht 
zugemutet werden, einen Postbe¬ 
amten aus Schlesien, Ostpreußen 
oder aus dem Sudetenland als Be¬ 
amten ohne. Personalakten und 
Fragebogen zu übernehmen. Die 
Angaben sind immer skeptisch zu 
betrachten, weil keine Personalak¬ 
ten vorliegen und auch keine zu 
erhalten sind. Sie konnten deshalb 
vorläufig nur "als Arbeiter einge¬ 
stellt werden. Die Arbeiter können 
bei der Postverwaltung auch Be¬ 
amte werden. Durch diese Möglich¬ 
keit ist der Begriff ,3eamter“ sehr 
ausgedehnt. Beamte werden nicht 
allein im oberen und mittleren Ver¬ 
waltungsdienst, sondern zu einem 
großen Prozentsatz auch im Be¬ 
triebsdienst beschäftigt. Rechtlich 
Und sozial eteht sich .ein kleiper Be¬ 
amter besser als ein Arbeiter. Die 
Pensionsbeträge der Beamten lie¬ 
gen höher als die Sozialbezüge der 
Arbeiter und Angestellten. Der Ar¬ 
beiter strebt deshalb danach, sich 
zu verbessern, und so sucht er bei 
der' Post in das Verhältnis eines 
Beamten zu kommen. Der Verband 
wird diese Bestrebungen stets un¬ 
terstützen, soweit die Möglichkeit 
vorhanden ist, die unbelasteten Ar¬ 
beiter zu. Beamten zu befördern. 
Angestellte gab es früher bei der 
Postverwaltung nur wenige. Speziell 
beim weiblichen Personal war 
das Angestelltenverhältnis die Vor¬ 
stufe zur Beamtin. Heute liegen die 
Verhältnisse etwas- anders. Durch 
Epurationsentscheid wird mancher 
Beamter zum Angestellten gemacht* 
Er - ist nach der Versorgungsseite 
hin sehr schlecht gestellt. Der Be¬ 
amte, wenn er Angestellter wird, 
bekommt seine Jahre, die er als 
Beamter zugebracht hat, nicht bei 
der Angesielltenversicherung auf¬ 
gerechnet und hat somit keinerlei 
Anwartschaften. Bei dem einen oder 
anderen Beamten spielt das Alter 
eine große Rolle. Wird der Beamte 
als 60- oder 63jähriger auf Grund 
des Entnazifizierungsgesetzes zum 
Angestellten umgestuft und tritt 
ein Todesfall ein, so ist die ganze 
Hinterbliebenen - Versorgung bis 
heute hinfällig. Wirklich ein harter 
Schlag für eine Beamtenfamilie und 
zudem, wenn er noch als Mitläufer 
aus der Spruchkammer hervorgeht. 
Es kann nur eine gesetzliche Re¬ 
gelung für diejenigen, die als Mit¬ 
läufer und Entlastete eingestuit 
werden, geben, die diesen Betref¬ 
fenden ihre verlorenen Beamten¬ 
rechte wieder sichert. Sie werden 
aber den Nachweis erbringen müs¬ 
sen, daß sie sich im demokratischen 
Sinne betätigen. Wir müssen Men¬ 
schen, die ihre Bescheide als Mit¬ 
läufer und als Entlastete, bekom¬ 
men, wieder ihre Rechte einräumen. 
Tun wir dies nicht, so werden sie 
abgestoßen und werden nie wieder 
Vertrauen zu uns bekommen. 
Die Lohne der Arbeiter bei der 
Post sind schlecht und stehen in 
keinem Verhältnis mehr zu den 
Lohnen der Privatindustrien und 
den allgemeinen wirtschaftlichen 
Verhältnissen. Wir werden in unse¬ 
ren Bestrebungen nicht nachlassen, 
den Arbeitern und Arbeiterinnen • 
in ihrer Lohnfrage zu helfen, denn 
nicht alle können Beamte werden, 
obwohl die Beamteneingangstellen •' 
für einen Arbeiter auch keine gro-’ 
ßen finanziellen Vorteile bringen, 
v Wir sind ein sozialisiertes Unter- 1 
nehmen und das Personal muß zur 
höchsten Pflichterfüllung und Ver¬ 
antwortung herangebildet und er¬ 
zogen werden. Es muß jedem Be¬ 
schäftigten klar gemacht werden, 
daß er für die Allgemeinheit arbei¬ 
tet und das ganze' Volk für die 
Finanzierung dieser Verwaltung 
aufkommt. Die Bürokratie, deren 
Auswüchse wir auf das Entschie¬ 
denste zu bekämpfen suchen, ist in 
einem solchen Betrieb noch sehr 
stark ausgeprägt. Die reaktionäre 
Bürokratie ist schon durch die 
neuen Männer wesentlich einge¬ 
dämmt worden. Doch, was in Jahr¬ 
zehnten gewachsen ist, muß an der 
Wurzel erfaßt und ausgerottet wer¬ 
den, geschieht dies nicht, so über¬ 
wuchert sie in ein paar Jahren 
wieder die jüngeren Verwaltungs¬ 
organe. - 
Die Post, der Telegraf und das 
Telefon, sind die Bindeglieder der 
Völker. 
In diesem Sinne trägt das Post- 
und Femrheldepersonal durch seine 
Arbeit mit' seiner Organisation dazu 1 
bei, den Frieden und die Verstän¬ 
digung unter den Völkern durch 
den Draht, den Funk und die Brief¬ 
post zu fördern. ' v 
Hilarius Emmerich» 
Penicillin 
für die Bevölkerung des Saarlandes 
Heute darf erstmalig über eine 
Aktion berichtet- werden, die der 
Leiter der Santé Publique des Gou¬ 
vernement Militaire Dr, Springer 
seit bereits Vs Jahr unternommen 
hat, um' der Bevölkerung des Saar¬ 
landes die Segnungen ■ des letzten 
Fortschrittes der Medizin „das Pe¬ 
nicillin“ zukommen zu lassen. 
• Seit Ende November 1946 bis 
heute standen der Bevölkerung 5000 
Ampullen Penicillin zu je 100 000 
Einheiten zur Verfügung. Aufbe¬ 
wahrt und kontrolliert wurden sie 
durch das Staatl. Hygiene Institut 
in Saarbrücken. 
Bekanntlich ist das Penicillin das 
beste Heilmittel gegen die so ge¬ 
fürchtete Geschlechtskrankheit, die 
Gonorrhoe; die Behandlungsdauer 
derselben wird damit von ca. fünf 
Wochen auf 4—5 Tage herabgesetzt* 
Insbesondere wirkt das Penicillin 
in den meisten sogenannten sulfa-r 
mido-rcsistenten Fällen, d. h. in den 
Falle, die einer, anderen Behandlung 
mit Sulfamiden keinen Erfolg ver¬ 
sprach. Die Geschlechtskrankheiten, 
insbesondere die Gonorrhoe haben 
im Saarland wie leider überall 
nach dem Krieg ganz erheblich zu¬ 
genommen. Es ist deshalb erfreu¬ 
lich, festzustellen, daß das Penicil¬ 
lin zunächst für die sulfamido-re- 
sistenten Fälle und seit einiger Zelt 
auch ln weitgehender Weise für die 
andern Fälle zur Verfügung steht. 
Uber 400 Gonorrhoekranke sind 
bisher im Saarland mit Penicillin 
behandelt worden, wie gesagt, meist. 
Fälle die einer anderen Behandlung 
trotzten, mit einem außerordentlich 
guten Erfolg. In 90 Prozent der 
Fälle trat völlige Heilung ein, die 
auch bei späterer Nachkontrolle be¬ 
stätigt wurde. Die Gonorrhoe hat 
in den letzten zwei Monaten im 
Saargebiet erheblich abgenommen. 
Für die Behandlung der Gonorrhoe 
wird Penicillin auch in der ameri¬ 
kanischen, englischen und russi¬ 
schen. Zone zur Verfügung gestellt, 
wenigstens zur Behandlung in den 
sog. 'geschlossenen Stationen. In 
diesen Zonen ist aber die Verabfol¬ 
gung von Penicillin zur Behandlung 
anderer Krankheiten strengstens 
verboten; Ärzte die es zu anderen 
Zwecken benutzen, machen sich 
strafbar. Bekanntlich ist aber das 
Penicillin auch ein recht gutes Heil¬ 
mittel in der Behandlung einer 
Reihe schwerer Erkrankungen wie 
Lungenentzündung, Blutvergiftung, 
Puerperalfieber, schwere Phleg- 
mone, besonders die so gefürchte¬ 
ten Gesichtsphlegmone etc. und 
wirkt oft lebensrettend. Die Leitung 
der Santé Publique des Gouverne¬ 
ment Militaire de la Sarre war der 
Ansicht, daß unter keinen Umstän¬ 
den dieses wertvolle Heilmittel der 
Bevölkerung vorenthalten werden 
durfte und hat weitgehendst Peni¬ 
cillin auch für diese sog. medizi¬ 
nisch-chirurgischen Fälle zur Ver¬ 
fügung gestellt. ' . 
Eine- gewisse Elinschränkung war 
nur insofern notwendig, als die 
Verabfolgung prinzipiell nür im. 
Krankenhaus erfolgen durfte; diese 
Maßnahme ist dadurch gerechtfer¬ 
tigt, daß es sich ja doch meistens 
um sehr schwere Krankheitsfälle 
handelt, die ja ohnedies einer Ho- 
spitalisierung bedürfen und auch 
-die Kontrolle und Behandlung im 
Krankenhaus leichter und zuverläs¬ 
siger ist. Eine weitere Einschrän- 
„ kung war die Genehmigungspflicht 
für die Verabfolgung von Penicil¬ 
lin-Ampullen, die aber stets weit¬ 
gehendst erteilt wurde. Diese Ma߬ 
nahmen waren, auch auf die immer¬ 
hin beschränkten Mengen zurück¬ 
zuführen, die zur Verfügung stan¬ 
den und vor allem aber auch da¬ 
rauf, das den saarländischen Ärz¬ 
ten, die seit 1935 vom international 
len medizinischen Leben abge¬ 
schlossen waren, die Erfahrung 
fehlte und Sie. oft unter dem Druck 
der Kranken oder Ihrer Umgebung 
Penicillin anwandten in Fällen, die 
von vornherein keinen Erfolg ver¬ 
sprechen ließen. Einige Millionen 
Einheiten wurden leider auf diese 
Weise vergeudet. In den übrigen ca. 
200 Krankheitsfällen, bei denen es 
■ sich fast ausschließlich um sehr 
schwere, teils hoffnungslose Fälle 
handelte wurden über ty* der Kran¬ 
ken gerettet. 
Eine Rettung trat fast immer 
dann ein, wenn es sich um Erkran¬ 
kungen auf der Basis von staphylo- 
streppto- oder pneumokokken han¬ 
delte und diese Bakterien einwand¬ 
frei als Urheber der Erkrankung - 
festgestellt wurden. 
Die Zahl der so geretteten Men¬ 
schenleben mag klein erscheinen, 
aber hinter jedem der ca. 150 Men¬ 
schenleben, die vom sicheren Tode 
errettet wurden, steht ja eine Fa¬ 
milie, Eltern, die Frau und die Kin¬ 
der und dazu ist dies erst der An¬ 
fang." Dauernd werden neue Fälle 
behandelt. 
•> Die Militär - Regierung hat mit 
dieser Maßnahme gezeigt, daß es > 
ihr ernst ist, alles zu tun, um im Er¬ 
krankungsfalle das Leben der ihr 
anvertrauten . Bevölkerung - zu ret¬ 
ten.
	        
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