Seile 2
November 194f>
..Die Ar bei*
Melodie der Ouvertüre zu Egmont
von Beethoven durch den Saal, ge¬
spielt vom Symphonie-Orchester
Neunkirchen unter der Leitung
seines Dirigenten Herrn Friedrich
Kaspar. Die Totenehrung, die .vom
Versammlungsleiter Kollege Härtel,
Saarbrücken, vorgenommen wurde,
erinnerte alle an das furchtbare Ge¬
schehen. das über uns alle gekom¬
men war. Das Gelöbnis, uns der
Opfer würdig zu erweisen und mit
neuem Mut die Arbeit wieder zu be¬
ginnen, klang aus in dem Zwischen¬
spiel von Franz Schuberts „Rosa¬
munde“. Dann betrat Kollege
Wacker, der Präsident der Einheits¬
gewerkschaft das Rednarpult. Der
Redner , gab erst einen geschicht¬
lichen Rückblick über die letzten
Jahre, zeigte in aller Offenheit die
gemachten Fehler auf und wies
nach, daß wir nur durch die Zer¬
rissenheit der Arbeitnehmerschaft
dieses Chaos erleben mußten. Der
Referent kam dann auf nie neue
Zeit zu sprechen und kündigte an,
daß das Betriebsrätegesetz in Kürze
erlassen würde. Er wies auf die Not¬
wendigkeit diin, gewerkschaftlich ge¬
schult 7.u sein, um das Betriebsräte-
gesetz in seiner ganzen Konsequenz
zu beherrschen. „Wir wollen“ so
führte der Redner aus, „das Mitbe¬
stimmungsrecht in Wirtschaft und
Verwaltung verwirklichen. Wir
müssen dazu erst einmal die Ge¬
werkschaft aufbauen. Wenn wir eine
Einheitsgewerkschaft geschaffen ha-
bcnt in der alle Berufsstände ver¬
treten sind, so mußten wir erst bei
vielen Werktätigen das Mißtrauen
beseitigt , die annahmen, die Ein¬
heitsgewerkschaft sei eine Fort¬
setzung der D.A.F. Wir wollen aber
klar heraussteilen, daß diese Mei¬
nung nur in gewissen Kreisen auf¬
getreten ist, die die Aufgaben der
Gewerkschaften, so wie sie heute
akut sind, verkennen. V/ar die Ge¬
werkschaftsbewegung vor 1935 un¬
einheitlich und zerrissen, so haben
wir die Lehre daraus gezogen und
alle Berufsgruppen in einer Gewerk¬
schaft zusammengefasst. Die Ge¬
werkschaften von heute dürfen nie¬
mals wieder der Tummelplatz par¬
teipolitischer Auseinandersetzungen
werden. Das heißt aber nicht, daß
die Gewerkschaft an den staatspo-
litischen Dingen desinteressiert ist.
Wir müssen als wichtiger Faktor
milbestimmend in die Schaffung der
Demokratie eingreifen. Und darum
müssen wir klar den Trennungs¬
strich ziehen zwischen Parteipolitik
und Staatspolitik. Auch unsere Stel¬
lung zu den Konfessionen ist ein¬
deutig und klar. Unsere Mitglieder
werden von keiner Sei^e in der Aus¬
übung ihrer religiösen Pflichten ge¬
hemmt. Ich wünsche der christlichen
Menschheit ein Leben im Sinne des
großen Nazareners. Wir haben alle
Ursache, alle Menschen ohne Rück¬
sicht auf ihre Religion zu ehren und
zu achten. Der Begriff Demokratie
birgt in sich die Achtung von
Mensch zu Mensch. Diese drei
Grundbegriffe, Demokratie. Partei
und Religion vereinen sich nun in¬
nerhalb der Gewerkschaft und be¬
weisen unseren Erfolg. Wenn uns
nun die Militärregierung die Mög¬
lichkeit. gibt, daß wir heule die
Gründlings- Versammlung unseres
Verbandes durchführen können, so
danken wir dieses besonders Herrn
G r a n d v a 1, der als Gouverneur
des Saarlandes für unsere Arbeit
immer ein wohlwollendes Interesse
gezeigt hat.“
Kollege Wacker umriss dann die
vielseiligen Aufgaben, die uns als
Verband bevorstehen und gab der
Hoffnung Ausdruck, daß es uns ge¬
lingen wird, diese Aufgaben zu lo¬
sen. Er botonle beson^°rs. daß wir
•als anständige Menschen
ein anständige'- Leben zu
gewährleisten haben. Wir
wollen auch dafür sorgen, daß an
Stelle von Haß und Zwiespalt wie-
ider Vernunft und Achtung vor dem
R
Irtur Deakin
Lorej Walter Cilrine ist nach seiner
Ernennung zum Leiter des gesamten
verstaatlichten Bergbauwesens in
England von seinen Aemtern in den
Trude Unions und im Weltgewerk¬
schaftsbund zurückgetreten. In der
letztgenannten Organisation versah
er bekartntlch den Posten des Prä¬
sidenten. Er ist in diesem Amt durch
den englischen Gewerkschaftsführer
Arthur Deakin ersetzt worden.
Deakin, Sohn eines Schuhmachers,
ist. heute 5ö Jahre alt und begann
im Jahre 19i9 seine Laufbahn als
Gewerkschaftsfunktionär, wobei er
sich besonders den Lohnfragen und
dem Arbeitslosenproblem widmete.
In raschem Aufstieg wurde er bald
zu einer der bcdeulensten Persön¬
lichkeiten im englischen Gewerk¬
schaftsleben. 1940 wurde er nach
Bevins Eintritt in die Regierung an
dessen Stelle zum gesehäffsführen-
den Leiter des englischen Transport¬
arbeiterverbandes ernannt. An der
Gründung des Weltgewerkschai'ls-
Präsident des
Weltgewerkschaftsbundes
bundes nahm er zusammen mit
Walter Citrinc einen beträchtlichen
Anteil, wurde in das Exekutivkomi¬
tee gewählt. 1940 erhielt er den Titel
des ersten Vorsitzenden des eng¬
lischen Transportarbeiterverbandes,
nachdem Bevin endgültig wegen Er¬
reichung der Altersgrenze von die¬
sem Posten zunu-ktrat. Der englische
Transportarbei t erverband umfasst
als einer der stärksten gewerk¬
schaftlichen- Berufsverbände über
eine Million Mitglieder.
Mitte Dezembei werden in Paris
die dem Weilccwerkschaftsbund an¬
ges« hlossenen Organisationen zur
Gründung von internationalen Be¬
rn fsverbänden innerhalb des W.G.B.
zusammentreten. Zugleich wird auch
der Exekutivausschuß erneut in Pa¬
ris tagen und die organisatorischen
Vorbereitungen für die Generalver¬
sammlung des Weltgewerkschafts¬
bundes im Juni 1947 in Prag treffen.
\crstaatlicliimii der Kohlengruben
o o
in .Frankreich und England
Die Verstaatlichung der Kohlen¬
gruben j.n Frankreich und England
lenkt die Aufmerksamkeit aller Ge-
werkschafller auf diese beiden Län¬
der. Es hat sich erwiesen, daß die
privatwirtschaftliche Produktions¬
weise, sowohl in Frankreich wie in
England, hemmend auf die Kohlen¬
produktion eingewirkt und sogar zu
einem Rückgang geführt hat, der um
so schwerer in der jetzigen Aufbau¬
epoche wiegt. Die Ursache liegt in
beiden Ländern in der Vernach¬
lässigung der orneuerungsbedürf-
tigen technischen Ausrüstung der
Gruben, und in der Planlosigkeit,
die durch die Vielzahl der Berg-
werksgcscllschaften verursacht wird.
Die Verstaatlichung wird vor allem
zu der dringend notwendigen Erhöh¬
ung der Kohlenproduktion führen.
England, das früher über einen
großen Kohlenexport von 50 Mil¬
lionen lo im Jahre verfügte, kann
heute nur noch in dringenden Fällen
eine geringe- Menge Kohle aus¬
führen. Noch nicht einmal der Be¬
darf an Hausbrandkohle kann im
kommenden Winter ganz gedeckt
werden. Frankreich braucht zu sei¬
ner Kohlenförderung, die jetzt schon
die Förderung von 1938 wesentlich
überschritten hat, eine große Menge
ausländischer Kohle, um seinen
Wiederaufbau zu lätigen.
In beiden Landern soll die Koh¬
lenproduktion planmäßig gesteigert
werden durch Einführung moder¬
nerer Produkt onsmethoden. besserer
Arbeitsbedingungen für die Berg¬
arbeiter.
In Frankreich wird in jedem Berg¬
baubezirk eine staatliche Gesell¬
schaft errichtet, denen eine zentrale
Verwaltung.«:,.Seilschaft — „Les
charbonnages ie France“ — überge¬
ordnet ist. Ein Verwaltungsrat übt
die Leitung aus und besteht aus 18
Mitgliedern, Vertretern der Behör¬
den, der Verbraucher und der Ge¬
werkschaften. Die bisherigen Be¬
sitzer oder Aktionäre werden da¬
durch entschädigt, daß sie Schuld¬
verschreibungen der „Charbonnages
de France“ erhalten, mit einer Ver¬
zinsung von 3 Prozent und einem
Zuschlag.
In England werden in acht Be¬
zirken Bezii kskohlenämter einge¬
richtet, die dem staatlichen Kohlen-^
amt unterstellt sind, das aus neun'
Mitgliedern besteht. Die Ucber-
nafime der Gruben ist zum 1. Ja¬
nuar 1947 geplant. Für die Entschä¬
digung der früheren Besitzer sind
ungelähr 165 Millionen Pfund Ster-
ling festgesetzt und zwar nach dem
Gesichtspunkte, als ob die Gruben
frei verkauft würden.
Die größte Sorge bereitet der
Mangel an geeigneten Arbeitskräf¬
ten, deren es in England beinahe an
100 000 fehlt. Durch die Hebung des
Lebensstandards, durch Einführung
der Fünftagewoche und längeren
Urlaubs und sozialer Vorteile soll
das Interesse für den Bergmanns¬
beruf in beiden Ländern geweckt
werden.
Die Gewerkschaften haben ihren
ganzen Einfluß in die Waagschale
gelegt, damit den Bergarbeitern ihre
schwere Berufsarbeit erleichtert
werde zum Wohle des Wiederauf¬
baues beider Länder.
Gewerksthafiscfcronik
Gunnar Anderson t
Gunnar Anderson, der kürzlich
zum Präsidenten des Dänischen Ge¬
werkschaftsbundes gewählt worden
ist, ist in Montreal, dem Tagungs¬
ort der I.A. O., gestorben. Er sollte
sein Amt am 1. Januar 1947 an-
Ireten.
Frankreich
Auf dem Kongreß der französischen
Tabakarbeiter ist Madame Marcelle
Deiabil zur Generalsekretärin gewählt
worden. Der Sekretär der Tabakarbei-
ter-Internationale Dick Nack kündigte
an, daß Madame Delabit als Präsiden¬
tin der „Internationale" vorgeschlagen
werde. Im Namen des C.G.T. forderte
Neumeyer die Tabakarbeiter auf, alle
ihre Kräfte einzusetzen, um gegen die
hohen Preise und für die Hebung der
Kaufkraft der Arbeitenden zu kämpfen.
Das Problem des Friedens behandelte
Scheveneis im Namen des Weltge¬
werkschaftsbundes.
Tndividium tritt. Mit einem herz¬
lichen „Glück auf unserem Ver¬
band“ schloß Kollege Wacker seine
von lebhaftem Beifall bedankte Aus¬
führungen.
Der Vertreter der Militärregierung
Mr. Rieth erinnerte nach einem
kurzen Rückblick auf die durch die
furchtbaren Folgen des wahnsinni¬
gen Krieges bedingten Ernährungs¬
und Wirtschaftskrisen des europä¬
ischen Kontinents daran, daß die
Militärregierung stets dafür gesorgt
habe, den Arbeitsplatz dem saar¬
ländischen Arbeiter zu erhalten. Er
betonte, daß Frankreich, das nun die
Folgen dieses Krieges so schwer zu
tragen habe, gewiß Ursache hätte,
den Deutschen zu hassen, das fran¬
zösische Volk aber niemals die Ver¬
nichtung wolle, sondern uns die
Hand zum Wiederaufbau unserer
Wirtschaft reiche. Mr. Rieth
wünschte zum Schluß seiner von
häufigem Beifall unterbrochenen
Rede dem Verbände ebenfalls viel
Erfolg und Glück in seiner Arbeit.
Nach einer kurzen Pause wurde
die Tagung fortgesetzt und nach
Annahme der Statuten erfolgte die
Wahl des Verbandsvorstandcs. Zum
Vorsitzenden wurde der Kollege
Delheid. Neunkirchen, mit großer
Stimmenmehrheit gewählt Mit be¬
wegten Worten dankte der neue
Verba ndsvorsitzende für das ihm
geschenkte Vei t rauen und versprach,
seine ganze Kraft für eine einheit¬
liche und erfolgreiche Gewerk¬
schaftsarbeit einzusetzen. Zum 2.
und 3. Vorsitzenden wählte die Ver¬
sammlung d r Kollegen Frey, Wie¬
belskirchen, und Thomaser. Dil¬
lingen.. Einstimmig wurde Kollege
Härtel, Saarbrücken, zum Verbands-
geschäftsführer bestellt. Die übrigen
Wahlen verliefen glatt und rei¬
bungslos. sodaö Kollege Wacker der
Versammlung für ihr disziplinvolles
Verhalten danken konnle. Mil einem
Appell zur Weiterarbeit schloß Kol¬
lege Härtel die Versammlung, die
erneut unter Beweis stellte, daß die
Einheit aller Schaffenden der Ga¬
rant für erfol -reiche Gewerkschafts¬
arbeit ist.
Arbeiter,* Angestellte und Beamte
folgt dem Bt«piel Eurer 8000 Kol¬
legen und tretet geschlossen ein,
in den Verband öffentliche Be¬
triebe und Verwaltungen der Ein¬
heitsgewerkschaft! M. HL.
Das Exekutivkomitee des Weltge¬
werkschaftsbundes in Patis hat be¬
st hlossen, daß die erste Generalver¬
sammlung des Weltgewerkschaftsbun¬
des im Juni 1947 in Prag stattfindet.
England
Auf dem diesjährigen Kongreß der
Trade Unjons, der am 21. Oktober in
Brigthon talgle, waren weibliche
Delegierte in großer Zahl vertreten.
Das hängt vor allein damit zu¬
sammen, daß die Beamtengewerk-
schait, die seit 1927 nicht mehr den
Trade Unions angehörte, ihren Wieder¬
eintritt erklärt hat. Die weibliche Mit¬
gliedschaft hat aber auch in anderen
Kategorien, so besonders in den Indu¬
striegewerkschaftsverbänden, eine be¬
deutende Zunahme erfahren. Aus
diesem Grunde bilden auch ausschlie߬
lich die Frauen betreffende Forde¬
rungen einen wichtigen Punkt der
Tagesordnung des Kongresses. Die
wichtigste zur Beratung vorliegende
Forderung wurde unter dem bekann¬
ten Motto: „Gleiche Arbeit, gleicher
Lohn" zusammengefasst.
Griechenland.
Bekanntlich hatte Leon Jouhnux
auf der Konferenz des Internatio¬
nalen Arbeitsamtes in Montreal hef¬
tigen Einspruch gegen die Zulassung
des von der griechischen Regierung
nach Montreal beorderten Arbeiter¬
vertreters erhoben. Während seiner
Anwesenheit in Athen hatte ihm der
Ministerpräsident Tsaldaris die Bil¬
dung der freien Gewerkschaften in
Griechenland zugesagt, obwohl zur
gleichen Zeit schon die Auflösung
der provisorisch bestehenden Ver¬
bände und ihre Ersetzung durch eine
nach Nazimuster geschaffene Ar¬
beitsfront — mit von der Regierung
ernannten Gewerkschaftsieitern —
beschlossene Sache war. Tsaldaris
behauptete, daß die im Parlament
zur Vorlage kommenden Sonderge¬
setze den Gewerkschaften das Recht
zur Selbstverwaltung in völliger Un¬
abhängigkeit von der Regierung zu¬
sprechen.