Full text: 1946 (0001)

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1. Jahrgang 
November 1946 
Nummer 5 
Aufbau einer neuen sozialen Ordnung 
Von A. Rieth 
Der zweite Weltkrieg, der in ver¬ 
brecherischer Weise durch die Fana¬ 
tiker des Nationalsozialismus entfes¬ 
selt wurde, hat nicht nur Millionen 
von Menschenleben zerstört und un¬ 
übersehbare Ruinen geschaffen, son¬ 
dern er hat auch in seinen Auswir¬ 
kungen die sozialen Versicherungs¬ 
kassen ruiniert. Das Vermögen die¬ 
ser Kassen, gespeist durch die Bei¬ 
träge der Versicherten, wurde zu 
Kriegszwecken verschleudert und 
aufgebraucht, so daß in den letzten 
Monaten die Renten nur teilweise 
und durch öffentliche Zuwendungen 
bezahlt werden konnten. Arbeit¬ 
nehmerschaft und Sozialrentner 
halten daher allen Grund, um ihre 
soziale Sicherheit für die Zukunft 
besorgt zu sein. 
Seit längerer Zeit beschäftigt sich 
der Herr Gouverneur Grandval 
mit dieser so lebenswichtigen Frage 
und er hat auch den Vertretern der 
Einheits-Gewerkschaft wiederholt 
versichert, daß er entschlossen ist, 
für die arbeitende Bevölkerung des 
Saarlandes eine fortschrittliche So¬ 
zialgesetzgebung zu schaffen. Mein 
Freund Paris wurde mit dem Stu¬ 
dium eines Planes der sozialen 
Sicherheit beauftragt und gemein¬ 
sam mit den interessierten Dienst¬ 
stellen wurde ein Projekt'ausgear¬ 
beitet, das eine grundlegende Re¬ 
form der bestehenden Sozialgesetz¬ 
gebung vorsieht. 
Ich habe nicht die Absicht, diesen 
Plan im Rahmen dieses Artikels in 
seinen Einzelheiten darzulegen und 
Die graphische Darstellung der 
geplanten Reform gibt übrigens 
einen Überblick über den verwal¬ 
tungstechnischen und juristischen 
Aufbau des Planes der sozialen 
Sicherheit. 
Grundsätzlich ist zu beachten, daß 
zur Deckung der verschiedenen, 
durch den Plan vorgesehene Risikos, 
ein einziger Versicherungsträger 
vorgesehen ist. Die zur Zeit be¬ 
stehenden verschiedenen Versiche¬ 
rungsträger und Kassen sollen in 
einem einheitlichen Institut, der 
Landesversicherungsanstalt, verei¬ 
nigt werden. Dadurch besieht die 
Möglichkeit, den Plan der sozialen 
Sicherheit auf einem soliden finan¬ 
ziellen Fundament aufzubauen. 
Es könnte nun den Anschein 
haben, als würde durch diese Zu¬ 
sammenfassung die Sozialgesetz¬ 
gebung zu sehr zentralisiert werden. 
Dem ist nicht so. Die Landesver¬ 
sicherungsanstalt als Versicherungs¬ 
träger ist in erster Linie ein Ver- 
waltungs- und Kontrollorgan. Die 
Versicherten kommen mit der Lan¬ 
desversicherungsanstalt kaum in Be¬ 
rührung, denn die Zahlung der vor¬ 
gesehenen Leistungen erfolgt direkt 
durch die Kreisversicherungsanstal¬ 
ten oder Ortskassen, die als Zah¬ 
lungskassen und Zweigstellen der 
Landesversicherungsanstalt im Plan 
vorgesehen sind. 
Was nun das Einspruchsverfahren 
betrifft, so wird an der jetzigen 
Rechtslage nichts geändert. Es ist 
Sicherungsamt, als letzte Spruchin¬ 
stanz, seinen Sitz im Saargebiet, 
d. h. in Saarbrücken selbst haben 
soll. 
Das von der~Militärregierung aus¬ 
gearbeitete Projekt soll als Diskus¬ 
sionsgrundlage dienen für die end¬ 
gültige Ausarbeitung und Durchbe¬ 
ratung des zu schaffenden Gesetzes 
der sozialen Sicherheit. Eine fort¬ 
schrittliche Sozialgesetzgebung, die 
den schaffenden Menschen in genü¬ 
gender Weise vor den Wechsclfällen 
des I/ebens wie Krankheit, Mutter¬ 
schaft, Arbeitsanfälle, Berufskrank¬ 
heiten, Alter und Invalidität schützt, 
ist der Grundstein für den Aufbau 
einer besseren, neuen sozialen Ord¬ 
nung. Bestehende oder erworbene 
Rechte sollen mit der geplanten Re¬ 
form keineswegs beseitigt werden, 
sondern die Reoi'ganisaiion soll dazu 
führen, die gegenwärtige Sozialge¬ 
setzgebung zu verbessern. Es ist 
wünschenswert, daß die gewerk¬ 
schaftlichen Organisationen so rasch 
wie möglich ihre Vertreter für 
die vorgesehenen Verwaltungsaus¬ 
schüsse bezeichnen, damit mit der 
Durchberatung des Projektes begon¬ 
nen werden kann. Zu diesen Bera¬ 
tungen werden auch alte kompeten¬ 
ten Vertreter der verschiedenen 
Versicherungs-Träger hingezogen 
werden. 
Ich habe mich darauf beschränkt, 
nur kui’z die allgemeinen Richtlinien 
des Planes der sozialen Sicherheit 
aufzuzeichnen und ich unterstreiche 
nochmals, daß die endgültige Aus¬ 
arbeitung des neuen Gesetzes unsere 
gemeinsame Aufgabe sein muß. 
Die Einheitsgewerkschaft stellt 
hier vor einer großen sozialen Auf¬ 
gabe und ich bin von vornherein 
überzeugt, daß sie diese im Interesse 
der Arbeiterschaft des Saargebietes, 
zu erfüllen weiß. 
Ei folg der Einheit! 
Gründungsversammlung des Verbandes öffentliche Betriebe 
und Verwaltungen 
Am Sonntag, dem 3. November 
1946, fand in Saarbrücken im Stadt¬ 
theater die Gründung des Verbandes 
der öffentlichen Betriebe und Ver¬ 
waltungen der Einheitsgewerkschaft 
der Arbeitei', Angestellten und Be¬ 
amten statt. 300 Delegierte aus dem 
Saargebiet waren gekommen, um 
ihrer Freude Ausdruck zu geben, 
endlich in eine m Verbände orga- 
reichen Gästen bemerkte man Mr. 
Rieth von der Militärregierung, den 
Vorsitzenden der voll. Verwaltungs- 
kommission des Saaxiandes, Herrn Dr. 
Müller, die Herren Landräte Michely, 
Saarbrücken, Dr. Diwo, Saarlouis, 
die Stadtdirekloren Walter, Saar¬ 
brücken, und Bernard, Sulzbach, 
sowie Vertreter der Presse und die 
Vorsitzenden zahlreicher Industrie-
	        
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