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Die Arbeit
September 1046
Orientierung hinausgreifende Quer¬
verbindung zu den ortsansässigen
Vcrbandsgruppen anderer Industrien.
Bereits in der Ortsstüfe soll das
ln der Union der Einheitsgewerk¬
schaften zugrunde liegende Organi¬
sationsprinzip zum Ausdruck kom¬
men und die Einheitlichkeit des Auf¬
baues gewährleistet werden. Aus
diesem Grunde bilden die alle Be-
triebsgewerksichaftsgruppen des glei¬
chen Industrieverbandes zusammen¬
fassenden Ortsgruppen Ortsaus¬
schüsse, die aus 10 bis 15 Vertretern
bestehen und sich nach einem demo¬
kratischen Wahlmodus mit einem
geschäftsführenden Vorstand konsti¬
tuieren. Ihrer Zuständigkeit sind im
Ortsbereich die fundamentalen Auf¬
gaben übertragen, auf denen sich
das Organisationsgebäude der Ein¬
heitsgewerkschaft aufbaut und in
deren Bereich all jene Fragen und
Probleme verlagert werden, die über
den engeren Rahmen der Verbands¬
arbeit hinaus durch ihre Allgemein-
gültigkeit eine gemeinsame Behand¬
lung erfordern. Im Scholle dieser
Ausschüsse stehen Fragen der kul¬
turellen Arbeit, des Wiederaufbaues,
der Jugendarbeit, der Sozialversicne-
rung und nicht zuletzt der Betriebs¬
räte, die auch innerhalb des Saar¬
gebietes in Kürze in Funktion treten
werden, zur Diskussion. Durch diese
Hinweise schon allein ist die ent¬
scheidende Bedeutung der Ortsaus¬
schüsse gekennzeichnet, die sowohl
nach ihrer Zusammensetzung wie
nach ihren Aufgaben dazu berufen
sind, dem demokratischen Prinzip
innerhalb der Gewerkschaftsarbeit
zum Durchbruch zu verhelfen und
die Kontinuität und Intensität einer
engen Schaltung zwischen Haupt¬
verwaltung einerseits und Orts-
und Betriebsvertretung andererseits
sicherzustellen. Sic sind in ihrer
Wirksamkeit und Existenz zugleich
der sichtbare Ausdruck der Ueber-
■windung des Führerprinzips durch
die Demokratie.
HOLLAND
Die holländischen Gewerkschaften
haben bei ihrem letzten Kongreß er¬
klärt, Lohnerhöhungen fordern zu
müssen, falls es der Regierung nicht
gelänge, eine wirksamere Preiskon¬
trolle durchzuführen. Vom September
1945 bis Mai 1946 hat sich der Le¬
benshall ungskostenindex (1938—1939
«= 100) für Arbeiterfamilien von 161,8
auf 175,6 erhöht, (AEP)
Ijmulfmjen des Meitstedits
Von Prof.
H. Sinzheimer f
Fortsetzung
Aus dem nackten menschlichen Sein,
aus dem in der „Person" verflüch¬
tigten Schattdn des Menschen soll
ein sozial gesichertes Sein werden,
ein Mensch, der nicht nur in der
Luft des Geistes, sondern auch deT
erfüllten Existenz lebt. Das Arbeits-
reeht arbeitet in vorderster Linie
mit an dem Aufbau einer solchen
sozialen Rechtsordnung, die nicht
nur das Eigentum, sondern das
Menschentum in den Mittelpunkt
ihrer Regelungen stellt. Das Arbeits-
reoht will jene Lücke füllen, die
zwischen der „Person" und dem
Menschen besteht, die Sozialordnung
in die Rechtsordnung aufnehmen,
dem neuen sozialen Zeitalter sein
Recht geben.
2. Das besondere Interesse am
Arbeitsrecht ist weiterhin darin be¬
gründet, daß es sich um abhängige
Arbeit, handelt. Die Abhängigkeit ist
das Grundproblem des Arbeitsrechts.
Man hat dieses Grundproblem sehr
lange übersehen und übersieht es
heute noch zu einem großen Teil in
der rechtswissenschaftlichen Litera¬
tur unserer Tage. Das Verhältnis, in
dem ein Arbeitnehmer zu seinem
Arbeitgeber steht, ist nicht ein
bloßes Schuldverhältnis. Es gehört
nicht nur dem Obligationenrecht an.
Das Verhältnis, in dem ein Arbeit¬
nehmer zu seinem Arbeitgeber steht,
ist vor allem auch ein Gewaltver¬
hältnis. Eis gehört auch dem Per¬
sonenrecht an. Die Abhängigkeit des
Arbeitnehmers ist deswegen nicht
nur eine wirtschaftliche, soziale oder
technische Abhängigkeit, die nur
eine Tatsache ist, die aber das Recht
nichts angeht. Die Abhängigkeit des
Arbeitnehmers ist vielmehr ein
rechtliches Gewaltverhältnis, das be¬
stimmte rechtliche Wirkungen hat,
die sieh von schuldrechtlichen Wir¬
kungen durchaus unterscheiden.
Man denke an das Befehlsrecht des
Arbeitgebers. Kein Gläubiger kann
seinem Schuldner Befehle erteilen.
Das Schuldrecht kennt keine Gehor¬
samspflicht des Schuldners. Niemand
zweifelt aber daran, daß der Arbeit¬
geber dem Arbeitnehmer Befehle er¬
teilen kann, und daß der Arbeitneh¬
mer verpflichtet ist, den Anordnun¬
gen des Arbeitgebers zu gehorchen.
Diese Untertänigkeit ist nur daraus
zu erklären, daß im ArbeitsVerhält¬
nis der Arbeitgeber nicht nur über
ein Gläubigerrecht schuldrechtlicher
Art, sondern auch über ein Gewalt¬
recht personenrechtlicher Art ver¬
fügt. Man denke auch an den unmit¬
telbaren Erwerb des Arbeitsproduk¬
tes des Arbeitnehmers durch den
Arbeitgeber. Alles, was der Arbeit¬
nehmer in einem Arbeitsverhältnis
hervorbringt, gehört nicht ihm, son¬
dern dem Arbeitgeber. Wie erklärt
sich dieser unmittelbare Anfall des
Arbeitsprodukts an den Arbeit¬
geber? Er kann nicht schuld rechtlich
erklärt werden. Er findet seine Er¬
klärung nur in dem rechtlichen Ge¬
waltverhältnis, das Arbeitgeber und
Arbeitnehmer zu einer rechtlichen
Einheit verbindet, deren Träger aus¬
schließlich der Arbeitgeber ist. Es
ist Einheilsrecht, das so wirkt. Das
Einheitsrecht, hat andere rechtliche
Ausdrucksformen als das Recht
unter einzelnen. Die Eigentümlich¬
keit des Arbeitsverhältnisses besteht
also darin, daß die aus dem Arbeits-
vertrag sich ergebenden obligato¬
rischen Verpflichtungen und Berech¬
tigungen zwischen Personen be¬
stehen, die zu einer Personeneinheit
herrschaftlicher Art verknüpft sind.
Dadurch unterscheidet sich der
Arbeitnehmer von allen anderen
Personen, die auch Arbeit leisten,
aber selbständig sind, wie der Arzt,
der Anwalt, der Bauer, der Unter¬
nehmer, der Agent usw. Die abhän¬
gige Arbeit ist keine Arbeit, die der
Arbeitende sich und dem Ganzen lei¬
stet. Abhängige Arbeit ist Arbeit, die
der Arbeitende weder sich noch dem
Ganzen, sondern einer Privatperson
leistet. In der abhängigen Arbeit ist
der arbeitende Mensch mediatisiert.
Er ist sich und dem Ganzen ent¬
fremdet. Die Arbeit, die im natür¬
lichen Stand des Menschen eine in¬
dividuelle und soziale Funktion ist,
ist im Stand der Abhängigkeit
fremde Funktion und Funktion
eines Fremden. Damit ist für
das Arbeitsrecht das Problem der
menschlichen Freiheit gestellt, das,
wie kaum ein anderes Problem,
tief in dgn Urelementen der mensch¬
lichen Seele verwurzelt ist.
(Schluß folgt)
Die Zukunft
der internationalen Arbeitsorganisation
Der kommenden Generalversamm¬
lung deT Internationalen . Arbeits¬
organisation (I.A.O.) in Montréal im
September d. J. liegen eine Reihe
wichtiger Anträge- zur Entscheidung
vor, so insbesondere derjenige über
die Frage der künftigen Zusammen¬
arbeit mit der ONU. Bekanntlich ge¬
hören eine Reihe von Staaten der
Internationalen Arbeitsorganisation
an, die nicht zugleich Mitgliedsstaaten
der ONU sind. Ueber die sich daraus
ergebenden Konsequenzen soll in
Montréal Klarheit geschaffen werden.
Die Internationale Arbeitsorganisa¬
tion hat. 1940, nachdem die Deutschen
die Schweiz von der Welt abgeschnit¬
ten hatten, ihren Sitz von Genf nach
Montréal verlegt. Von dort aus
konnte sie ihre Verbindungen mit den
alliierten Mächten aufrechterhalten,
ihren Informationsdienst foftsetzen.
und sie hat sogar zwei Konferenzen
abgehalten, die erste 1941 in New
York und die zweite 1944 in Phila¬
delphia. Beratend stand sie zam-
reichen Ländern bei, so besonders
den lateinamerikanischen Staaten bei
der Vorbereitung neuer Arbeits- und
Sozialgesetze.
Ihr Hauptziel ist, die Lage der ar¬
beitenden Menschen in allen Ländern
der Welt zu verbessern. Eine große
Anzahl der im letzten Vierteljahr¬
hundert geschaffenen Arbeitsgesetze
verdanken ihr Entstehen der I.A.O.,
so die Gesetze über die Arbeitszeit,
die Arbeitslosenunterstützung, über
bezahlten Urlaub, den Frauen- und
Kinderschutz, den Lehrlingsschutz
usw. In mehr als 1000 Fällen sind von
der I.A.O. vorgeschlagene Gesetze
von über 50 Ländern ratifiziert wor¬
den. (AEP)
„Das ist gewisseste Wahrheit, daß
der gesellschaftliche Reichtum nir¬
gends anders herstammt oder durch
nichts anders hervorgebracht wird,
als durch die Arbeit der Arbeiter".
Papst Leo XIII.
ln der Enzyklika „Herum novarum'“
„Closed shop“
USA-Gewerkschaften befestigen ihre
Maehfpositlon
Die amerikanische Arbeiterbe¬
wegung hat lange Zeit als
nahezu unpolitisch gegolten.
Tatsächlich war die Tendenz der
Gewerkschaftsziele darauf einge¬
stellt, sich politisch nicht festzu¬
legen. Arbeiterbewegungen erwuch¬
sen hauptsächlich aus einem Nütz¬
lichkeitsprinzip. Noch bis 1932 waren
die Arbeiter überaus mangelhaft
organisiert. Die Führung beschränkte
Sich durchweg auf die Geltend¬
machung wirtschaftlicher Interessen.
Bis zum ersten Weltkrieg war die
einzige damals bestehende Gewerk¬
schaft durch die ausgezeichnet ge¬
leitete Unternehmerschaft scharf
bekämpft worden und zwar im Zei¬
chen des sogenannten „open shop“,
d. h. des Betriebes, der für jeden
Arbeiter, ob' organisiert oder un¬
organisiert, tatsächlich aber nur dem
unorganisierten offenstand. Demge¬
genüber haben die Gewerkschaften
lange für den „closed shop“ ge¬
kämpft, für den geschlossenen Be¬
trieb, in dem nur organisierte Ar¬
beiter beschäftigt werden dürfen.
Dieses Ziel ist dann im wesent¬
lichen auch erreicht worden.
Die älteste amerikanische Arbei¬
terorganisation ist seit 1881 die
American Fédération of Lahor (AFL),
die 1939 rund 4 Millionen Mitglieder
umfaßte. Es gab dann noch die
Eisenbahnerverbände und einige klei¬
nere Facborganisationen. 1935 kam
es in der AFL zu einer Spaltung,
und im Februar 1936 entstand der
Congres of Industrial Organisation
(CIO), der in kürzester Zeit einen
geradezu sensationellen Mitglieder¬
zuwachs erhielt und 1939 die Zahl
der AFL-Anhänger bereits erreicht
hatte. Zum CIO zählten damals
schon u. a. 600 000 Bergleute, 500 000
Metall-, 400 000 Textil- und 375 000
Automobilarbeiter sowie 250 000 in
der Damen-Massenkonfektion Be¬
schäftigte. Gründer und Leiter des
CIO war John L. Lewis, Führer
der Bergarbeitergewerkschaft, der
bei seinem Austritt aus der AFL,
acht Gewerkschaftsführer in den
CIO hineinnahm und den Übertritt
von rund einer Million AFL-Mit-
gliedem veranlaßte. 1940zählten beide
Gewerkschaften je 4,5 Millionen und
1941/42 je etwa 6 Millionen Anhän¬
ger. Im Kampf um die Vorherr¬
schaft, der sich schon allein aus dem
gleichmäßigen Anwachsen der Mit¬
gliederzahlen beider Gewerkschaften
ergab, der aber doch nicht gelungen
ißt, hat sich vor allem Edward
F 1 y n n von der AFL hervorgetan.
Flynns Taktik, die Gewerkschaften
gegeneinander aiuszuspielen, konnte
den Arbeitgeberverbänden allerdings
nur höchst willkommen sein, denn
ein gegenseitiger Kampf der Ge¬
werkschaften war ihnen selhstvrer-
.stündlich lieber als eine Arbeiter-
Einheitsfront. Da eine Einigung bis¬
her nicht zu erzielen war, marschie¬
ren beide Gewerkschaften getrennt,
sehr zum Schaden der Arbeiter¬
schaft, die ihre im Grunde genom¬
menen gemeinsamen Ziele auf diese
Weise nicht immer durchsetzen
kann.
Der Organisationsbegriff des CIO
ist verschieden von dem der AFL,
die sich auf die „craft Union“, den
ursprünglichen Handwerkerverband
stützt, wogegen der CIO die Organi¬
sation in den Massenerzeugungs¬
industrien anstrebt. Der CIO ist
Vorkämpfer der Kollektivverhand¬
lung, d. h. der praktischen Aner¬
kennung der Gewerkschaft als der
einzigen Vertretung der gesamten
Arbeiterinteressen in einem Unter¬
nehmen. Mehrere Streiks in den
vergangenen Jahren gingen um ein
umfassendes Tarifabkommen mit der
Ford-Motor-Compa^y. Als der Ab¬
schluß gelang, würde der CIO als
alleinige Vertretung der gesamten
Ford-Belegschaft von rund 200 000
Mann anerkannt, de*r vom Unter¬
nehmertum bis dahin stets mit aller
Entschiedenheit abgelehnte „closed
shop" also grundsätzlich angenom¬
men. Diese Vereinbarung bzw. An¬
erkennung ist mit Recht als sensa¬
tioneller Vorstoß einer Gewerk¬
schaft innerhalb der amerikanischen
Industrie bezeichnet worden. Dem
Abkommen, wonach der FoTd-Kon-
zern verpflichtet ist, nur noch Ge¬
werkschaftsmitglieder zu beschäfti¬
gen, ging ein jahrelanger Kampf
des CIO voraus, der immer wieder
daran scheiterte, daß die Auto-Indu¬
strie finanziell stärker war als die
Streikkassen.
Das bei der Ford-Motor-Company
erlangte Arbeitsmonopol hat inzwi¬
schen die Ausdehnung des „closed-
shop"-Prinzips auch auf andere Gro߬
unternehmen bewirkt und somit eine
beträchtliche Ausdehnung der ge¬
werkschaftlichen Machtposition in
der amerikanischen Industrie her¬
beigeführt. O. B.
Aus unserer Kulturarbeit
Die kommende Jahreszeit wird eine
Wiederbelebung der kulturellen Ver¬
anstaltungen der Einheitsgewerk¬
schaften mit sich bringen. In allen
Orten sind größere Veranstaltungen
geplant. Die Ortsverwaltungen wer¬
den gebeten, bei der Programm¬
gestaltung der einzelnen Veranstal¬
tungen sich an die Kulturabteilung
zu wenden, die ihnen mit Rat und
Tat zur Seite stehen wird. Gewerk¬
schaftsmitglieder und deren Ange¬
hörige können noch Meldungen für
Theatermieten einreichen. Am 1. Ok¬
tober beginnt die neue Spielzeit. Der
Preis beträgt für acht Vorstellungen
21,— Mark, die in drei Raten gezählt
werden können.