Beamten.
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1. Jahrgang
September 1946
Nummer 3
Gewerkschaften und Parteien
Betrachtungen zu den Gemeinderatswahlen \
Aus Anlaß der Gemeinderatswah¬
len im Saargebiet und darüber hin¬
aus in der gesamten französischen
Besatzungszone ist es angebracht,
hier einmal klar die Stellung der
Einheitsgewerkschaft zu den poli¬
tischen Parteien darzulegen. Schon
vor 1933 wurden von den Gewerk¬
schaften folgende Grundsätze auf ge¬
stellt:
1. Das Recht auf Arbeit.
2. Schaffung auskömmlicher Löhne
und Gehälter.
3. Schutz der Arbeitskraft.
4. Sicherung bei allen Wechselfäl¬
len des Lebens.
5. Maßgebliche Mitwirkung an der
Wirtschaft.
Mit diesen Grundsätzen erschöpft
sich aber das Aufgabengebiet der
Gewerkschaften nicht, sondern dar¬
über hinaus nahmen die Gewerk¬
schaften an allen Problemen des
öffentlichen Lebens, an Kulturarbeit
und Erziehung regen Anteil.
Heute, nach dem Zusammenbruch
der Diktatur, haben die Gewerk¬
schaften den Rahmen ihrer früheren
Wirksamkeit gesprengt und sind zu
aktiven Gestaltern unseres wirt¬
schaftlichen und gesellschaftlichen
Schicksals geworden. Sie sind in
erster Linie berufen, entscheidend
mitzuarbeiten an den Voraussetzun¬
gen, die die Entwicklung zu einer
echten Wirtschaftsdemokratie ge¬
währleisten sollen. Die Einheitsge¬
werkschaften, als stärkste Zusam¬
menfassung der werktätigen Men¬
schen, sind deshalb verpflichtet, in
der Auseinandersetzung zwischen
organisiertem Unternehmertum und
dem schaltenden Menschen in höhe¬
rem Maße als das früher der Falt
war, auch politischer Willensträger
zu sein.
Sie unterscheiden sich in bezug
auf die Zusammensetzung ihrer Mit¬
gliedschaft von den politischen Par¬
teien. Mitglied der Einheitsgewerk¬
schaft kann jeder Arbeiter, Ange¬
stellte oder Beamte, ohne Unter¬
schied der Rasse, Nationalität, der,
Religion und der parteipolitischen
Zugehörigkeit sein. Damit nehmen
die. Einheitsgewerkschaften zu der
politischen Haltung des einzelnen
Mitgliedes eine neutrale Stellung ein.
Sie überlassen es der Entscheidung
des Gewerkschaftsmitgliedes, sich
der seiner politischen Auffassung
entsprechenden politischen Partei
anzuschließen oder politisch unorga¬
nisiert zu bleiben.
Die Einheitsgewerkschaften sind
aus dieser satzungsgemäßen Fest¬
legung heraus bemüht, auch zu den
politischen Parteien selbst neu¬
trale Stellung zu beachten. Das be¬
deutet jedoch nicht, daß sie die
grundsätzlichen Zusammenhänge
ihrer Bewegung mit den politischen
Problemen des Tages verkennen. Die
Arbeit der Einheitsgewerkschaften
kann nicht im luftleeren Raum vor
sich gehen.
In allen ökonomischen, sozialen
und arbeitsrechtlichen Fragen sind
die Einheitsgewerkschaften ver¬
pflichtet, mit den Parteien, soweit sie
die gleichen Zielsetzungen haben,
zusammenzuarbeiten. Deshalb er¬
streben die Einheitsgewerkschaften
die Zusammenarbeit mit allen Par¬
teien, die bereit sind, die gewerk¬
schaftlichen Ziele zu vertreten und
den gewerkschaftlichen Forderungen
im Gemeinderat und in der Oeffent-
lichkeit Geltung zu verschaffen. Das
aber bedeutet kein Abhängigkeits¬
verhältnis zu den politischen Par¬
teien.
In den Einheitsgewerkschaften ha¬
ben wir neben dem Kommunisten,
den Sozialdemokraten und CVP-
Angehörigen aber auch den soge¬
nannten politisch desinteressierten
Kollegen, dennoch ist das gewerk¬
schaftliche Ziel für alle ein gemein¬
sames. Der Kampf gegen die Aus¬
beutung und Unterdrückung ist im
Programm jeder Partei enthalten und
die Bekämpfung von Wirtschafts¬
krisen, Armut und Arbeitslosigkeit,
die Sicherung eines friedlichen Zu¬
sammenlebens der Völker sind gleich¬
falls gemeinsame Forderungen der
Parteien und Gewerkschaften.
In der gewerkschaftlichen Ziel¬
setzung sind also Aufgaben ver¬
ankert, die jede demokratisch den¬
kende politische Partei fördern
müßte. Darum ist es für uns Ge¬
werkschaftler entscheidend, ob die
Parteien uns in unserem Kampf un¬
terstützen wollen oder nicht. Wir
haben aus den Erfahrungen der ver¬
gangenen Jahre gelernt und wissen,
daß nur die parteipolitische Zersplit¬
terung unter den Gewerkschaften die
Machtergreifung des Faschismus mit¬
verschuldet hat. Wäre 1933 in
Deutschland eine geeinte gewerk¬
schaftliche Bewegung vorhanden ge¬
wesen, sie hätte einen 30. Januar oder
einen 2. Mai 1933 zu verhindern ge¬
wußt. Darum sind wir, wenn partei¬
politisch auch getrennt, in der Ge¬
werkschaft geeint und nichts, aber
auch garnichis kann uns wieder aus¬
einander treiben.
Wir achten jede politische Meinung,
solange sie nicht gegen unser Ziel
gerichtet ist, und in unseren Sitzun¬
gen und Versammlungen wird dem
CVP-ler genau so Gehör geschenkt,
wie dem Kommunisten oder dem So¬
zialdemokraten. Diese Toleranz ist
getragen von dem gemeihsamen
Glauben an unsere gewerkschaftliche
Sendung und soll das Fundament für
eine neue Welt sein, einer Welt des
Friedens und des persönlichen Wohl¬
standes, in der , keine reaktionäre
Kraft, ganz gleich, unter welcher
Maske sie sich auch uns zu nähern
versucht, ihren verhängnisvollen
Bruderzwist neu zu entfachen ver¬
mag. Wir haben gelernt. Unsere
Opfer und Verlsute sollen nicht um¬
sonst gegeben worden sein. Unsere
Angriff auf den Kapitalismus
Die Forderung der Arbeiterschaft,
bei der Leitung der Betriebe ein
Mitbestimmungsrecht zu haben, ist
im französisch besetzten Südbaden
in ein aktuelles Stadium getreten.
Der Leiter des Badischen Wirtsehafts-
ministeriums, Ministerialdirektor Dr.
Leibrand, teilte auf einer Tagung
der Gewerksehafts - Funktionäre der
Stadt Freiburg i. Br. mit, die fran¬
zösische Bcsatzungsbehördc habe die
Absieht, eine Anzähl unter das Gesetz
52 fallender Nazi-Betriebe der ma߬
gebenden Leitung der dort Beschäf¬
tigten zu unterstellen. Es soll dies
in der Weise geschehen, daß entweder
Produktions - Genossenschaften oder
G. m. b. II. gebildet werden, in denen
die Beschäftigten mit der Mehrheit
der Anteile beteiligt sein sollen,
während die öffentliche Hand die
übrigen Anteile übernimmt. Vorge¬
sehen zur eventuellen Uebernahme
sind Betriebe aus der Holzindustrie,
der Feinmechanik (Apparatebau), der
Textilindustrie, der Chemie und des
Bergbaues. Diese Betriebe würden
selbstverständlich inbezug auf Roh¬
stoffbeschaffung und Absatzförderung
allen Schutz der maßgebenden Stel¬
len genießen. Wenn diese sozusagen
als Experiment zu betrachtenden Be¬
triebsübernahmen Erfolg hätten, sei
mit weiteren Schritten auf diesem
Gebiete zu rechnen.
Die französische Besatzungsmacht
verdient alle Anerkennung, daß sie
der Arbeiterschaft durch Ueberlas-
sung der Nazibetriebe die Möglich¬
keit gibt, mit dem Angriff auf die
kapitalistische Wirtschaftsform zu
beginnen und auf dem Wege zur
Vergesellschaftung und Sozialisierung
die ersten Schritte zu unternehmen.
Das Experiment wird sicher gelingen,
sein Erfolg wird ausschlaggebend für
die künftige Gestaltung der deutschen
Wirtschaft sein.
Einheit in der Gewerkschaft soll
nicht wieder durch parteipolitische
Auseinandersetzungen gestört wer¬
den. Denn nur die Reaktion und der
heute im Verborgenen schlummernde,
beileibe nicht tote preußische Mili¬
tarismus würden wieder wie damals
die triumphierenden Nutznießer sein.
Und das werden wir zu verhindern
wissen. Denn wir haben nichts zu
verlieren und wollen eine Welt des
Friedens, des Glückes und der gegen¬
seitigen Achtung gewinnen.
M. HI*
Unsere Tüeg.
Von Eduard Weiter
AuS den furchtbaren Leiden, die
das Hitler-Regime über die ganze
Welt gebracht hat, und aus dem
Freiheitswillen der Unterdrückten
wurde der leidenschaftliche Wunsch
geboren, mit alten Mitteln die Wie¬
derkehr jener aggressiven Kräfte zu
verhindern, die mit Massenmord,
Konzentrationslagern und morali¬
scher Vergiftung die Grundlagen der
Begriffe Moral und Kultur erschüt¬
terten. In dem Willen, auch die
letzten Spuren dieses barbarischen
Systems der Hitler-Tyrannei auszu¬
rotten und eine Wiederkehr zu ver¬
hindern, haben wir .die Einheits¬
gewerkschaften geschaffen, in denen
für alle demokratisch gesinnte Men¬
schen ohne Rücksicht auf ihre poli¬
tische und konfessionelle Weltan-j-
sehauung Platz ist.
Nach der totalen Niederlage des
Nazismus müssen die aktiven demo¬
kratischen Kräfte entschlossen die
Voraussetzungen für eine demokra¬
tische Erneuerung schaffen.* Dazu
gehört vor allem, sich klar zu wer¬
den über das Ausmaß der Mitver¬
antwortung an dieser Tragödie. Wir
müssen hieraus für unsere praktische
Arbeit am demokratischen Neuauf¬
bau die Folgerung ziehen und müssen
uns Rechenschaft geben über
Schwächen und Fehler der Vergan¬
genheit. Dann kommen wir zu dem
Ergebnis, daß der Begriff Einheits¬
gewerkschaft mehr sein muß als nur
der Zusammenschluß der früher ge¬
trennt marschierenden einzelnen Ge¬
werkschaftsrichtungen. Die Einheits¬
gewerkschaft muß auf der Grund¬
lage echter Toleranz alle erfassen,
die als Arbeitnehmer zusammen¬
gehören und die über ihre religiösen
und weltanschaulichen Verschieden¬
heiten den gemeinsamen Willen zur
demokratischen Erneuerung stellen.
Eine solche Gewerkschaftsbewegung
muß, wenn sie ihre großen Aufgaben
erfüllen will, weit über den Kreis
der Arbeiterschaft hinausgehen und
muß, um es kurz zu sagen, alle auf¬
bauwilligen demokratischen Kräfte
des gesamten Volkes zusammer\-
schließen.
Sie muß auf allen Gebieten an¬
regend, beispielgebend, vorwärts¬
weisend und so einer der stärksten
Grundpfeiler einer lebendigen De-