Seite fi
Die Arbeit
August 1946
Der Fabrikarbeiter
Der Verband der Fabrikarbeiter
ist, nachdem der im Jahre 1868 unter¬
nommene Gründungsversuch an den
politischen Zeitverhältnissen und an
dem Ausnahmegesetz scheiterte, im
Gegensatz zu den anderen beruflich
organisierten Gewerkschaften 1890
als Industrieverband ins Leben ge¬
rufen worden Seine rasch wachsen¬
den Mitgliederzahlen entsprechen der
Struktur dieses Verbandes, die in die
Breite ging und über die Schranken
beruflicher Begrenzung hinausgrei-
iend, die Masse der an- und unge¬
lernten Arbeiter zu erfassen suchte,
die in den Berufsverbanden keine
Aufnahme fanden. In seinem Wachs¬
tum spiegelte die sich stürmisch ent¬
wickelnde Industrialisierung und
Technisierung des kapitalistischen
Systems wieder. Eine systematische
und unermüdliche Aufklärungsarbeit
unter der Führung seines lanjährigen
Vorsitzenden August Brey führte,
den Verband rasch in die Reihe der
Spitzenorganisationen der deutschen
und europäischen Arbeiter. Dieser
Erfolg ist umso bedeutungsvoller,
wenn man die Schwierigkeiten be¬
rücksichtigt, die sich der gewerk¬
schaftlichen Werbearbeit gerade in
den Kreisen der an- und ungelernten
Arbeiterschaft en.tgegenstellten.
Heute, nach der Ueberwmdung des
Nazismus und der gewerkschaftlichen
Zersplitterung der Vergangenheit,
hat der ehemalige Fabrikarbeiter¬
verband in der am 3. Februar 1946
vollzogenen Gründung des Industrie¬
verbandes der Fabrikarbeiter, Ein¬
heitsgewerkschaft der Arbeiter, An¬
gestellten und Beamten eine neue
Grundlage gefunden und die Fabrik¬
arbeiter des Saargebietes in die große
gewerkschaftliche Gemeinschaft aller
Schaffenden eingegliederl. Die Kraft
der Einheit wird die Aufsplitterung
in den Fabriken verhindern und eine
geschlossene und nachhaltige Wah¬
rung der gemeinsamen Interessen der
Fabrikarbeiter zur Durchführung ge¬
ordneter Arbeits- und Produktions¬
verhältnisse gewährleisten. Mit in¬
nerer Bereitschaft und berechtigter
Hoffnungen haben die Fabrikarbeiter
diesen Schritt getan, wenn sie auch
nicht die Schwierigkeiten verkennen,
die sich gerade für ihren Verband
aus den schweren Zerstörungen der
saarländischen Industrie ergeben.
Ist doch vor. allen unter seine Zu¬
ständigkeit fallenden Betriebe nur
einer vollbeschäftigt, während alle
übrigen nur zu einem Bruchteil ar¬
beiten oder im Aufbau begriffen
sind andere wieder nur jugendliche
und weibliche Arbeitskräfte beschäf¬
tigen, die erfahrungsgemäß und schon
in Anbetracht des langjährigen nazi¬
stischen Druckes schwer dem Ge¬
werkschaftsgedanken zu erschließen
sind. Dennoch ist es gelungen, von
den heute 2800 tätigen Fabrikarbeiter
1700 der Einheitsgewerkschaft als
Mitglieder zuzuführen. Damit sind
unter Ausschaltung der Jugendlichen
und Frauen 90 °/o der volljährigen
Fabrikarbeiter organisiert.
1. Die Verteilung der Baumaterialien
für den eigenen Bedarf der Unter¬
nehmungen, zum Auf- und Ausbau
der Baubetriebe, die Überwachung
der Verwendung dieser Materialien,
damit diese nicht zum Bau von
Wohnungen oder für deren Instand¬
setzung verbraucht werden, son¬
dern tatsächlich nur zum Aufbau
des Baubetriebe? Verwendung fin¬
den.
2. Die Beschaffung und Verteilung
von Werkzeugen, Maschinen, Er¬
satzteilen und Baugeräten aller Art.
3. Die Versorgung der Belegschafts¬
mitglieder mit Bekleidung, Schuh-
weik. Fahrradbereifung und die
Versorgung der W'erksküchen.
Jeder Unternehmer muß monatlich
über seinen Betrieb sowie seinen An¬
teil am Wiederaufbau dem Dreier¬
ausschuß Bericht geben. Dieser Be¬
richt muß vom Betriebsrat seines Be¬
triebes geprüft und gegengezeichnet
werden, so daß die Gewähr gegeben
ist, wahrheitsgetreue Berichte zu er¬
halten. Zugleich ist eine Kontrolle
gegeben, daß kein Unternehmer etwa
sein Kapital in Maschinen und der¬
gleichen investiert und seine Mate¬
rialien auch tatsächlich dem für sie
vorgesehenen Zweck zuführt. Darum
tragen die Betriebsräte hier volle
Verantwortung für ihre Unterschrift
und sind verpflichtet, sich unbedingt
genauestens über alles, was den Be¬
trieb betrifft, zu unterrichten.
Der Dreierausschuß ist gleichzeitig
im Säuberungsausschuß vertreten, und
wir glauben hierdurch die Gewähr zu
haben, daß auch im Baugewerbe die
Nazi-Betriebe, die doch so viel Un¬
heil über unsere Heimat brachten,
restlos ausgemerzt werden. Wir
schlagen vor, diese Herren bei der
Beseitigung des Westwalls, den sie
mitgebaut und an dem sie sich so
„wohlverdient" gemacht haben, tat¬
kräftig und „fachmännisch" mithelfen
zu lassen. * M. Hl.
Metallindustrie im Aul bau
Mit einem Flächeninhalt von ca.
1900 qkm und einer Einwohnerzahl
von annähernd 800 000 steht das
Saargebiet in seiner Bevölkerungs¬
dichte weit über dem Durchschnitt
anderer Gebietsteile. Diese Zahlen
finden ihren nachhaltigen Nieder¬
schlag in dem wirtschaftlichen Auf¬
bau dieses Gebietes Kennzeichnend
für das wirtschaftliche Gefüge ist die
Vielseitigkeit einer auf engbegrenz¬
ten Raum zusammengefaßten In¬
dustrie. Mit dem Bergbau nimmt die
Metallindustrie in der saar¬
ländischen Produktion eine Schlüssel¬
stellung ein. Wie durchschnittlich im
Jahre 1928 jeder zehnte Einwohner
des Saargebietes dem Bergmanns-
stande angehörte, so war bei einer
Belegschaft von über 50 000 in der
Eisenindustrie jeder fünfzehnte Ein¬
wohner ein Metallarbeiter. Das be¬
deutet, daß etwa ein Fünftel der Saar¬
bevölkerung in diesem Industriezweig
seinen Lebensunterhalt fand. Dieses
Zahtenbild verdient in der gegenwär¬
tigen Zeit besondere Beachtung.
Die Kohle als Urerzeugnis, das zur
Verhüttung des Erzes notwendig ist,
bindet die Metallindustrie von vorn¬
herein an ihren Standort und trennt
sie als solche in die der eisenerzeu¬
genden und weiterverarbeitenden
Industrie. Die eisenerzeugenden Be¬
triebe mit ihren Hochöfen, Stahl- und
Walzwerken ragen mit einer ehemali¬
gen Beschaftigtenziffer von 36 500 über
das Doppelte der Belegschaftszahl
der eisenverarbeitenden Industrie
hinaus. Die im Jahre 1930 immer wei¬
ter-um sich greifende Krise drückte
auch der Saarwirtschaft ihren Stem¬
pel auf, erhielt aber nach der Rück¬
gliederung neuen Auftrieb, bedingt
durch Hitlers ausgesprochene Rü-
stungspolitik, die bewußt und vor¬
sätzlich zum Kriege trieb.
Das Saargebiet als Grenzland war
der Wirkung des Krieges besonders
ausgesetzt. Die Räumungen und um¬
fangreichen Zerstörungen hatten das
Gebiet bis zur Befreiung in seinem
wirtschaftlichen Kreislauf lahmge¬
legt. Voraussetzung zum Wiederauf¬
leben der Produktion war zunächst
die Erschließung des Verkehrs, um
die Menschen, um Bedarfsgüter und
Hilfsmittel, die benötigt wurden,
beranzuschaffen. Aufräuniungs- und
Reparaturarbeiten mußten als uner¬
läßlich hingenommen werden. Waren
es anfänglich nur vereinzelte Unter¬
nehmen, die weniger durch die Fol¬
gen des Krieges beschädigt, neuen
Auftrieb .erhielten, so folgte nach
und nach ein Betrieb dem anderen,
ln verschiedenen Zeitabständen mu߬
ten Arbeitskräfte aus einzelnen Be¬
trieben zu vordringlichen Aufräu-
mungsarbeiten herangezogen werden,
die aber in der Folgezeit wieder auf
ihre alten Arbeitsplätze zurückkehren
konnten. Die vorhandenen Rohstoffe
und Hilfsmittel ermöglichten es der
Rechtsschutz
Die Einheitsgewerkschaften haben
bei ihrer Gründung, eine ihrer
Hauptaufgaben darin gesehen, . die
arbeitsrechtlichen und sozialen Be¬
lange der Arbeitnehmerschaft wahr¬
zunehmen. Um diese Aufgaben auch
so durchzuführen, wie es im In¬
teresse der Mitglieder geboten er¬
scheint, wurde folgende organisato¬
rische Regelung getroffen:
Beratungsstellen dedBeehtsschuts’’.-
büros sind vorerst wie folgt vorge¬
sehen:
St. Wendel: Montags von 9 bis 12
Uhr im Betriebsamt der Eisenbahn,
Mumsstraße.
Neunkirchen: Montags von 14 bis
17 Uhr Lokal Müller, Wellesweiler-
straße.
Baugewerbe und
Dreiervertretung
Da die Gewerkschaften in den von
der Militärregierung eingesetzten
Dreierausschüssen maßgeblich betei¬
ligt sind, soll hier einmal von den
Aufgaben dieser Ausschüsse ge¬
sprochen werden, zumal noch viele
Kollegen über die Wichtigkeit der
Dreiervertretungen nicht im klaren
sind. Daß wir Gewerkschaftler in den
Ausschüssen 2 Mitglieder zu stellen
haben, nämlich den Techniker, d. h.
den Spezialisten in der betreffenden
Branche und den Arbeitnehmerver¬
treter, setzen wir als bekannt voraus.
Beide müssen Mitglied der Gewerk¬
schaft und politisch unbedingt zu¬
verlässig sein
Die Aufgaben des Dreierausschusses
im Baugewerbe sind:
1. In allen Betrieben und Verwal¬
tungen wird ein Funktionär mit
der Funktion — Arbeitsrecht
und Sozialpolitik — festgelegt.
Soweit es ihm möglich ist, soll
er die Arbeit an Ort und Stelle
erledigen.
2. Das Rechtsschutzbüro der Ein¬
heitsgewerkschaft hält in allen
größeren Orten Beratungsstim-
den ab. auf die der Funktionär
für Arbeitsrecht und Sozialpoli¬
tik bei schwierigeren Fällen
hinweisen soll.
3. Die Zentralstelle für Arbeits¬
recht und Sozialpolitik der Ein¬
heitsgewerkschaft ist Saarbrük-
ken, Brauerstr. 6—8, Gewerk¬
schaftshaus. Sprechstunden sind:
Montags — Mittwochs — Frei¬
tags, vormittags von 8 bis 12
Uhr, nachmittags von 2 bis 4
Uhr.
Saarlouis: Dienstags von 9 bis 12
Uhr Alle Brauerstraße.
Völklingen: Dienstag von 14 bis 17
Uhr Poststraße 21.
Homburg: Mittwochs von 9 bis 12
Uhr Am Bahnhof.
St. Ingbert: Mittwochs von 14 bis
17 Uhr Kaiserstraße 43.
Dudweiler: Donnerstags von 9 bis
12 Uhr Sozialamt.
Sulzbach: Donnerstags von 14 bis
17 Uhr Volkshaus.
Kiegelsberg: Samstags von 9 bis
12 Uhr Lokal Gabriel.
Diese Regelung gilt- für alle Indu-
slrieverbände. Dantit ist die "Grund¬
lage geschaffen, ohne große Verwal-
tungskosten i Angelegenheiten des
Arbei 1sreellts und der Sozialpolitik
zu regeln.
KARL MARX
und die Gewerkschaften
„Niemals dürfen die Gewerkschaften mit
einem politischen Verein in Zusammen¬
hang gebracht oder von einem solchen ab¬
hängig gemacht werden, wenn sie ihre
Aufgabe erfüllen sollen; ' geschieht dieses,
so heißt das, ihnen den Todesstoß geben.
Die Gewerkschulten sind die Schalen für
den Sozialismus. In den Gewerkschaften
werden die Arbeiter zu Sozialisten hcran-
gebildet, weil ihnen da tagtäglich der
Kampf vor Augen geführt wird. Alle
politischen Parteien, mögen sie sein, welche
sie wollen, ohne Ausnahme, begeistern die
Massen der Arbeiter nur eine Zeit lang
vorübergehend, die Gewerkschaften hin¬
gegen fesseln die Masse der Arbeiter auf
die Dauer, nur sie sind imstande, eine
wirkliche Arbeiterpartei zu repräsentieren
und der Kapitalmacht ein Bollwerk ent¬
gegenzusetzen. Zu der Einsicht ist die
größere Masse der Arbeiter gelangt, daß
ihre materielle Lage gebessert werden
muß: mögen sie einer Partei angehören,
welcher sie wollen- Wird nun aber die
materielle Lage des Arbeiters gebessert,
dann kann er sich mehr der Erziehung
seiner Kinder widmen. Frau und Kinder
brauchen nicht mehr in die Fabrik zu
wandern, er selbst kann seinen Geist mehr
bilden, seinen Körper mehr pflegen, er
wird dann Sozialist, ohne daß er es ahnt.“
eisenverarbeitenden Indu¬
strie, ihren Produktionsprozeß zu in¬
tensivieren und der Beschäftigten-
kurve weiteren Auftrieb zu geben.
Die eisenerzeugenden Un¬
ternehmen sind in ihrer Entfaltung
unter anderem auf die Bereitstellung
genügender Kohlenmengen und
Transportmöglichkeiten angewiesen.
Hinzu kommt, daß die vom Kontroll¬
rat getroffenen Maßnahmen bezüglich
der Produktion von Stahl und Eisen
noch einer Klarstellung bedürfen.
Von den im Wirtschaftsgebiet zäh¬
lenden 5 schwerindustriellen Unter¬
nehmen mit ihren 31 Hochöfen hat
ein Werk (Röchling, Völklingen) in
größeren Umfange den Betrieb mit
zwei Oefen wieder aufgenommen und
beschäftigt zur Zeit annähernd 6000
Menschen, einschließlich der Ange¬
stellten und Beamten. Die übrigen
Werke beschränken sich auf Teil¬
produktion und stehen noch im Wie¬
deraufbau. Begründete Aussichten
liegen vor, daß in Kürze ein weiteres
Werk zum Anblasen bereit steht. Zur
Zeit werden in der eisenerzeugenden
13 500 Mann md in der weiterver-
arbeilenden Industrie 9500 Arbeiter
und Angestellte beschäftigt.
Im Zuge des Produktionsanlaufs
konnte die gewerkschaftliche Tätig¬
keit nur schrittweise vor sich gehen.
Im Dezember 1945 wurde der In¬
dustrieverband Metall der
Einheitsgewerkschaft gegründet.
Nachdem nun auch die Gewerk-
schaflszeitung erscheint, kann er
seinen Mitgliedern von den zu über¬
windenden Schwierigkeiten berich¬
ten, die bei der Aufbauarbeit im
Wege standen. Der Nationalsozialis¬
mus hatte sich am 2. Mai 1933 kur¬
zerhand der Einrichtungen und Ge¬
bäude der früheren Gewerkschafts¬
verbände bemächtigt und sie ihrer
Vermögen beraubt. Dieses Spiel wie¬
derholte sich auch hier an der Saar
nach der Rückgliederung. Wir aber
standen vor einem Trümmerhaufen
und mußten Stein auf Stein zusam¬
menschichten, bis das neue Funda¬
ment gelegt war. Ganz besonders
waren es die älteren Kollegen der
früheren Verbände, deren gewerk¬
schaftlicher Geist sich regte und dem
Ziel zustrebte, eine Einheitsorganisa¬
tion zu schaffen, die alle Arbeit¬
nehmer. gleich welcher Richtung,
Weltanschauung und ohne Unter¬
schied des Standes, umfassen sollte.
Unser gemeinsamer Wille hat mit
vereinter Kraft dieses Werk der So¬
lidarität äls eine Bastion gegen Aus¬
beulung, Willkür und Reaktion er¬
stehen lassen.