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Die Arbeit
August 1940
fcutounft ab. Gelingt uns die Zu¬
sammenfassung der Arbeiter, An¬
gestellten und Techniker in einer
großen Gewerkschaftsbewegung,
dann werden wir das Mitbestim¬
mungsrecht in der Produktion durch¬
setzen, dann wird unsere neue, ein¬
heitliche Gewerkschaftsbewegung fä¬
hig sein, die großen Gegenwartsauf¬
gaben zu lösen und das schaffende
Volk einer besseren und glücklichen
Zukunft entgegenjuführen.
Die Erkenntnis, daß man einen
neuen Zustand schaffen muß, genügt
nicht allein. Um einen Zustand zu
verändern, benötigt man auch die
entsprechenden Instrumente. Und das
Instrument welches wir benötigen,
um uns eine bessere und glücklichere
Zukunft zu schaffen, ist die Gewerk¬
schaftsorganisation. Und da uns schon
die Vergangenheit zeigte, daß wir als
Gewerkschaften unsere Kraft und
neue fortschrittliche Ideen aus den
Betrieben zogen, weil hier der Platz
ist, wo der Kampf um das tägliche
Brot, der Kampf gegen die Reaktion
und für den Fortschritt ausgetragen
wurde, beginnen wir mit dem Auf¬
bau der neuen Industriegewerkschaf¬
ten in den Betrieben.
Der organisatorische Aufbau der Einheitsgewerkschaft
Die Grundlage der Einheitsgewerk¬
schaft ist die Betriebsgewerksehafls-
gruppe im Betrieb. Alle in einem Be- t
trieb beschäftigten Mitglieder, ob
Arbeiter, Angestellte, Techniker,
Schlosser, Schreiner usw. gehören
dem zuständigen Industrieverband an.
Die Betriebsgewerkschaftsgruppe ist
der Träger der gewerkschaftlichen
Tätigkeit, Sie fördert und unterstützt
die Betriebsräte als Organ aller Ar¬
beiter und Angestellten in den Be¬
trieben.
Die Betriebsgewerkschaftsleitung.
Zur Leitung der Betriebsgewerk¬
schaftsgruppe wird, eine Betriebs¬
gewerkschaftsleitung gewählt. Die
Wahl erfolgt von den Mitgliedern des
Betriebes in geheimer Wahl. Eine
Betriebsgewerkschaftsgruppe von 20
bis 50 Mitgliedern wählt eine Be¬
triebsgewerkschaftsleitung von 3, von
51 bis 300 von 9 und darüber hinaus
von 13 Mitgliedern.
Der Gewerkschaftsobmann.
Betriebsgewerkschaftsgruppen von
nicht mehr als 20 Mitgliedern wählen
an Stelle der Betriebsgewerkschafts¬
leitung einen Ge werk sch a f tsobm an n.
Der gewerkschaftliche Vertrauens¬
mann.
'Zur besseren Durchführung der
Arbeit der Betriebsgewerkschafts¬
gruppe und zur Erfassung und Be¬
treuung unserer Mitglieder wird auf
je 20 bis 30 Mitglieder ein gewerk¬
schaftlicher Vertrauensmann gewählt.
Die Wahl erfolgt in der Betriebsabtei¬
lung durch die gewerkschaftlich orga-
sierten Mitglieder der Abteilung.
Die Aufgaben
der Betricbsgewerksehaftsgruppe.
hat den Betriebsräten beratend zur
Seite zu stehen und sie in der Er¬
füllung ihrer Aufgaben tatkräftig zu
unterstützen.
Zusammen mit dem Betriebsrat hat
die Betriebsgewerkschaftsgruppe in
Gemeinschaft mit der Betriebslei¬
tung bei den Produktionsaufgaben
des Betriebes im Rahmen der allge¬
meinen 'gewerkschaftlichen Forde¬
rung mitzmvirken. Sie hat weiter¬
hin die Aufgabe, durch Werbung
neuer Mitglieder den gewerkschaft¬
lichen Einfluß zu stärken.
Ortsgruppe des Industrieverbandes.
Alle Betriebsgewerkschaftsgruppen
des betreffenden Industrieverbandes
an einem Ort- schließen sich zusam¬
men und bilden die Ortsgruppe des
betreffenden Industrieverbandes, in
der Kreisstufe die Kreisverwaltun-
gen und in der Bezirksstufe die Be-
zirksverwaltung des betreffenden In¬
dustrieverbandes.
Wahl der Leitungen
von Orts- und Kreisvorständen.
Zur Leitung des in einem Ort, Kreis
oder Bezirk gegründeten Industrie¬
verbandes werden Vorstände ge¬
wählt. In kleineren Orten, wo die
technische Möglichkeit gegeben ist,
werden die Vorstände des betreffen¬
den Industrieverbandes von den Mit¬
gliedern selbst in geheimer Wahl ge¬
wählt. In größeren Orten und Städten,
wo die Zusammenfassung nicht mög¬
lich ist, geschieht dies durch Dele¬
giertenkonferenzen.
Wahl des Bezirksvorstandes
eines Industrieverbandes.
Die Wahl des Bezirksvorstandes
eines Industrieverbandes geschieht
durch die Bezirksdelegiertenkonfe¬
renz (Generalversammlung). Die Dele¬
gierten zu dieser Bezirksdelegierten¬
konferenz werden durch die Betriebs-
gewerkschaftsgruppe gewählt. Der
Delegiertenmodus 'wird durch den
Bezirksvorstand des betreffenden In¬
dustrieverbandes festgelegt. Auf dieser
Bezirksdelegiertenkonferenz (Gene¬
ralversammlung) wird auch der erste
und zweite Vorsitzende in geheimer
Wahl gewählt. Die Industrieverbände
haben die Aufgaben, die Vertretun¬
gen ihrer Mitglieder in allen gewerk¬
schaftlichen Fragen wahrzunehmen.
Zu ihrer besonderen Aufgabe gehört
der Abschluß von Tarifverträgen. Sie
haben ihre eigene Kassenführung
und ihre eigene Satzungen.
Bildung von Ortsausschüssen der Einheitsgewerkschaft
Zwecks Bildung eines Ortsaus¬
schusses werden die Industriever¬
bände des betreffenden Ortes ent¬
sprechend ilrer Stärke Vertreter in
den Ortsausschuß schicken, der die
Wahl des Vorstand es vornimmt. Der
gewählte Vorstand (der aus 10 bis
15 Mitgliedern bestehen wird) wählt
aus seiner Mitte den geschäftsfüh¬
renden Vorstand des Ortsausschusses
bestehend aus 5 bis 9 Personen, dar¬
unter den 1. und 2. Vorsitzenden.
Wahl der Hauptverwaltung
der Einheitsgewerkschaft.
Die Einheitsgewerkschaft besteht
aus folgenden Industrieverbänden:
Industrieverband Bergbau
Industrieverband Metallindustrie
Industrieverband Baugewerbe
Industrieverband Holz
Industrieverband Eisenbahn, Post- u.
Telegraphenwesen
Industrieverband Verkehr und Trans¬
port
Industrieverband Leder u. Bekleidung
Industrieverband Fabrik
Industrie verband Graphik
Verband öffentlicher Betriebe u. Ver¬
waltungen
Verband Banken und Versicherungen
Verband Landarbeiter und Forstwirt¬
schaft
Verband Nahrungs- u. Genußmittel¬
arbeiter
Verband Warenhaus, Groß- u. Klein¬
handel
Verband Bühnenangehörige, Film-,
Bühne-, Musik- u. andere Kunst¬
schaffende
Verband Lehrer und Erzieher.
Der Hauptvorstand der Einheits¬
gewerkschaft wird auf einer Bezirks-
delegiertenkon ferenz (General -V er-
sammlung), die von allen Industrie¬
verbänden entsprechend der Stärke
des Industrieverbandes beschickt
wird, in geheimer Wahl gewählt.
Der 1. und 2. Vorsitzende werden
durch die Delegierten in geheimer
Wahl gewählt. Der Vorstand muß so
zusammengesetzt sein, daß die einzel¬
nen Industrieverbände entsprechend
ihrer Stärke darin vertreten sind.
Der Vorstand wählt aus seiner
Mitte den geschäftsführenden Aus¬
schuß als durchführendes Organ.
Der geschäftsführende Vorstand be¬
steht aus 7 bis 9 Mitgliedern.
Aufgaben
der leitenden Gewerkschaftsorgan©
Allen Organen der Einheitsgewerk¬
schaft obliegt die Pflicht, die Indu¬
striegewerkschaften auf der Grund¬
lage ihrer speziellen Industrie- und
Berufsaufgaben zu einem einheit¬
lichen Wirken anzuhalten und die
Gewerkschaften für die Durchfüh¬
rung der großen Aufgaben der Ge¬
werkschaftsbewegung zu leiten. Sie
haben im Rahmen ihres Wirkungs¬
kreises besonders folgende Aufgaben
zu erfüllen:
1. Vertretung der gemeinsamen In-
■ teressen der Arbeiter, Angestellten
und Beamten und Anleitung der
Arbeit der Betriebsgruppen der
Ei nhei tsgewe rkscha f t.
2. Ausnutzung aller zur Verfügung
stehenden Mittel, das Verständnis
für die Aufgaben und Ziele der
Einheitsgewerkschaft zu vertiefen.
3. Organisation des gemeinsamen
Kampfes aller Industriegewerk¬
schaften zur Sicherung der wirt¬
schaftlichen und sozialen Rechte
der Arbeiterschaft und Verteidi¬
gung der demokratischen Freihei¬
ten gegen alle Vorstöße der Reak¬
tion.
4. Für einen ständigen Kontakt zwi¬
schen allen der Einheitsgewerk¬
schaft angehörenden Industrie¬
gewerkschaften zu sorgen» und
deren gegenseitige Hilfe sicherzu¬
stellen.
5. Dafür zu sorgen, daß innerhalb der
Gewerkschaftsbewegung das demo¬
kratische Selbstbestimmungsrecht
der Mitglieder gewährleistet und
durchgeführt wird. Alle Funk¬
tionäre in den Organisationen,
vom untersten Vertrauensmann
bis zur höchsten Instanz, müssen
auf demokratischem Wege ge¬
wählt werden.
6. Systematischer Informations- und
Erfahrungsaustausch über die Ge¬
werkschaftsarbeit mit dem Ziel
einer Festigung der Solidarität in
der Gewerkschaftsbewegung.
I : I
7. Für eine ständige Heranziehung der
weiblichen und jugendlichen Mit-
■ glieder zur aktiven Arbeit in der
Gewerkschaft Sorge zu tragen.
II.
Haben wir damit die Vorstellung
von dem, was heute das Arbeits¬
recht ist, gewonnen, so können wir
nunmehr eine weitere Frage auf¬
werfen, deren Beantwortung uns
noch tiefer in das Wesen des
Arbeitsrechts einführen soll, nämlich
die Frage: Worin ist das besondere
Interesse begründet, das heute all¬
gemein für das Arbeitsrecht besteht?
1. Das besondere Interesse am
Arbeitsrecht ist zunächst darin be¬
gründet, daß es sich um Arbeit han¬
delt. Arbeit ist ein besonderer Saft.
Wer Arbeit leistet, gibt keinen Ver-
mögensgegenstand, sondern sich
selbst hin. Die Arbeit ist der Mensch
selbst im Zustand des Wirkens. Die
Arbeit ist Vermögensquelle, aber
kein Vermögensaufwand. Das Ver¬
mögen ist etwas, was außerhalb des
Menschen existiert. Die Arbeit aber
hat nach den Worten von Karl Marx
„keinen anderen Behälter als mensch¬
liches Fleisch und Blut“. Das Ver¬
mögen ist die sachliche Grundlage
des menschlichen Lebens, es gehört
zur Welt der Dinge, die keinen
Zweck in sich haben, deren Bestim¬
mung darin besteht, dem Menschen
ein Mittel zu sein. Die Arbeitskraft,
ist die persönliche Grundlage des
¡menschlichen Thebens, sie gehört ztir
tjrmuiinujen des Jrbeilsmhts H. Sinzheimer f
Fortsetzung
Welt der geistigen Wesen, die eigene
Zwecke haben, deren Bestimmung
darin nicht aufgehen kann, nur Mit¬
tel für fremde Zwecke zu sein. „Im
Reiche der Zwecke“ — so sagt uns
Kant — „hat alles entweder einen
Preis oder eine Würde.“ Der Mensch
hat Wurde. Menschliche Würde zu
erhalten, ist die besondere Aufgabe
des Arbeitsrechts. Seine Bestimmung
besteht darin, zu verhüten, daß Men¬
schen gleich Sachen behandelt wer¬
den. Wer den Geist des Arbeits¬
rechts erfassen will, der muß in den
tausendfältigen Bestimmungen, die
es beherrscht, diesen Grundgedanken
walten sehen. Damit tritt das Arbeits¬
recht bewußt der nur güterökono¬
mischen Betrachtung der Dinge ent¬
gegen, Es drückt den Gedanken
der Menschen Ökonomie aus,
der in unserer Zeit immer tiefer
und weiter dringt. Das Arbeitsrecht
bringt eine neue Auffassung des
Menschen zur Geltung, es verwirk¬
licht die „reale Humanität“, die viel
mehr ist als ein nur ideologischer
Humanismus. Wer der Geschichte
des Arbeitsrechts gegenübertritt, dej:
rieht deutlich diesen Impuls der
Menschwerdung vor sich, der sich in
dem Arbeitsrecht vollzieht. Wie war
es doch? Einst war der Mensch nur
Suche. Der Sklave war nichts ande¬
res als das liebe Vieh des Herrn. Der
„freie Arbeitsvertrag“ machte ihn
zur „Person“. Die Person ist ein ab¬
straktes Wesen, so abstrakt, daß alle
Menschen gleich sind, weil von ihrer
besonderen sozialen Lage abgesehen
wird. Der Übergang von der Sache
zur Person war ein ungeheurer Fort¬
schritt in der Rechtsgeschichte der
Menschheit. Alle Menschen wurden
gleich. Alle Menschen konnten recht¬
lich alles werden. Alle Menschen
konnten alle Rechte haben. Die Welt
stand rechtlich allen Menschen
offen. Wenn nur nicht die Sozialord-
nung geblieben wäre! Hier klafft die
große Lücke, welche die Erhebung
der Menschen aus der Sachwelt in
die Personenwelt, wo nur Geister*
nicht sinnliche Menschen herrschen,
gelassen hat. Die Sozialordnung ist
etwas anderes als die Rechtsord¬
nung. Die Sozialordnung zeigt uns
die Beherrschung und die Verteilung
der Güter. Da sind die Menschen
nicht gleich. Da sind die Menschen
ungleich. Da sind die Menschen
nicht gleich mächtig, da sind sie alle
von ungleicher Macht. Da thront
nicht privates Herrschaftsrecht, wie
zur Feudalzeit, aber private Wirt¬
schaftsmacht, die das kapitalistische
Zeitalter begründet hat. Was ist die
Rechtsgleichheit in dieser ungleichen
Verteilung der Macht? So entstand
die soziale Bewegung. Sie will die
Menschen aus „Personen“ zu Men¬
schen machen, das heißt zu Wesen,
die nicht nur in abstrakter Weise
rechtlich alles wollen, sondern die
auch in konkreter Weise in einer
neuen sozialen Rechtsordnung die
elementaren Grundlagen eines men¬
schenwürdigen Daseins finden kön¬
nen, so daß dem menschlichen
Wersen nicht nur rechtliche, sondern
auch soziale Kräfte innewohnen, die
untrennbar mit ihm verbunden sind,
Aus dem nackten menschlichen Sein,
aus dem in der „Person“ verflüch-.
tigten Schatten des Menschen soll
ein sozial gesichertes Sein werden,
ein Mensch, der nicht nur in *der
Luft des Geistes, sondern auch der
erfüllten Existenz lebt. Das Arbeits¬
recht arbeitet in vorderster Linie
mit an dem Aufbau einer solchen
sozialen Rechtsordnung, die nicht
nur das Eigentum, sondern das
Menschentum in den Mittelpunkt
ihrer Regelungen stellt; Forts, folg!.