Qcaam, dec ¿iMÎtcità^^ecl^cka^ftem, dec Ac&evtec, Ajcfy eiteUtm. ul. Beamtem,
Verlag und Redaktion: Saarbrücken, Brauer¬
straße 6—8, Fernruf Nr. 2 62 20. — Bankkonto:
Kreissparkasse Saarbrücken Konto-Nummer 6700.
Erscheint zunächst einmal monatlich. Für Gewerkschaftler
frei. Verkaufspreis für Nicht-Gewerkschaftler 0,25 Mark.
— — Postabonnement 0,75 Mark, vierteljährlich. — —
1. Jahrgang
August 1946
Nummer 2
Auf historischem Boden
Delegierten-Konferenz des Industrie verbandes Bergbau
• ' • r : • ! • ' . • • • • •** ■ • • • • ‘ ‘ : ‘ - 4
Am 15. Mai 1889 Versammelten sich in
Bildstock 3000 Bergarbeiter , *u einer
Demonstration gegen den preußischen
Despotismus, den dio königliche Berg*
werksdircktion repräsentierte. Zum er«
eten Mal war man sich der vereinten
Kraft bewußt, um seine berechtigten
Forderungen zu erheben. Man forderte
den Achtstundentag und die Beseitigung
der Einsperrungstiircn an den Ein* und
Ausgängen. Wie Sklaven und Gefangene
hatten die preußischen Zwingherren einst
die Bergarbeiter während ihrer Arbeit
eingesperrt. Acht' Tage später, am 22.
Mai kam es zu einer noch größeren
Demonstration. 15 000 Bergarbeiter ver*
sammelten sich in Bildstock und bc*
schlossen den Ausstand.
Dieser Streik war nicht ohne Erfolg.
Er führte zur Gründung des Rechts*
Schutzvereins mit Sitz in Bildstock, der
die Interessenvertretung der Bergarbeiter
übernahm. Mit seltenem Idealismus und
großer Opferhcreitschaft gingen die Berg*
arbeiter ans Werk und schufen sich aus
eigener Kraft ein Heim. Dazu hatte
jedes Mitglied 1 Mark und 2 Back»
steine beizusteuern. Von allen Himmels*
Bergleute mit zwei Backsteinen beladen,
richtungcn kommend, zogen ■ Tausende
zur Grundsteinlegung nach dem Bild»
stock. Aber bald nach der Einweihung
kam der stolze Bau, nachdem der Rechts»
schutzverein seine Tätigkeit eingestellt
hatte, für ein Spottgcld in den Besitz
des preußischen Bergfiskus.
Auf diesem historischen Boden traten
am Samstag, den 17. und am Sonntag,
den 18. August 194fi dreihundert von der
Mitgliedschaft gewählte Delegierte des
Industrieverbandes Bergbau zu einer
Delegiertenkonferenz in Bildstock zusam*
men.
Die Delegiertentagung nahm mor¬
gens um 9 Uhr mit der Wahl des
Konferenzpräsidiums ihren Anfang.
Als Tagungsleiter wurde der Kollege
Braun von Grube Mellin gewählt.
In das Ehrenpräsidium berief
die Versammlung folgende Kolle¬
gen, die als Opfer des Kampfes ge¬
gen den Nazismus ihr Leben hin-
gaben:
Friedrich Husemann, Bo¬
chum, Vorsitzender des Bergarbei¬
terverbandes,
Albert Funk, Essen, Vor¬
sitzender des Einheitsverbandes der
Bergarbeiter,
Heinrich Imbusch, Essen,
Vorsitzender des Gewerkvereins
Christi. Bergarbeiter,
Otto Pick, Saarbrücken,
Vorsitzender des christl. Metall¬
arbeiterverbandes,
Wilhelm Frisch, Lands¬
weiler, Mitglied der Verbandslei¬
tung des Einhedtsverbandes,
Hermann Drumm, Wie¬
belskirchen, Funktionär des
Bergarbeiterverbandes,
Josef Wagner, Lockwei¬
ler, Funktionär des Bergarbeiter-
Wehbandes,
Paul Jost, Herrensohr,
Bergarbeiterfunktionär,
Daniel Renner, Friedrichs¬
thal, Bergarbeiterfunktionär.
Als Gäste begrüßte der Kongreß:
die Vertreter der Militärregierung,
Mr. Rieth, Oberleutnant Bozzola, die
Vertreter des Regierungspräsidiums,
Regierungspräsident Dr. Neureuter,
Präsidialdirektor Kirn, Oberregie¬
rungsrat Herbert und den Vertreter
des Oberbergamtes Saarbrücken,
Berghauptmaiin Dr. Schönemann.
Eine wichtige Entscheidung
Der Kongreß ¿¡er Transport-Ar¬
beiter-Internationale in Stockholm
hat beschlossen, die Transportarbei¬
ter-Gewerkschaft der britischen Be¬
satzungszone in die Transportarbei¬
ter-Internationale aufzunehmen.
Den Tätigkeitsbericht der Ver¬
bandsleitung, auf den wir noch in
den nächsten Ausgaben der Gewerk¬
schaftszeitung zurückkommen wer¬
den, erstatteten cüie Kollegen Mathe eu
von Grube Dechen (Betriebliche
Fragen), Otto Körner von der Rechts¬
schutzabteilung (Sozialpolitische Fra¬
gen), Fehrenz von Grube Heinitz
(Finanzen des Verbandes) und Ver¬
bandsleiter Oskar Müller (Arbeit
des Verbandes). Die sich anschlie¬
ßende Aussprache war konstruktiv
lebhaft.
Abends fand im gleichen Saal des
Trierer Hofs eine künstlerische Ver¬
anstaltung statt. Gute Musik und
Gesangsdarbietungen erfreuten Teil¬
nehmer und Gäste.
Im Mittelpunkt des zweiten Kon¬
greßtages stand das Referat des
Verbandsleiters Oskar Müller,
der über die „Lage im Bergbau und
die Stellungnahme des Verbandes
zu den verschiedenen Arbeitsgebie¬
ten“ berichtete. Seinen Ausführun¬
gen lagen folgende Gesichtspunkte
gewerkschaftlicher Zielsetzung zu¬
grunde:
1. Dem Bergmann der beste Lohn.
2. Normaler Ausgleich von Unter-
und Übertagebelegschaft.
3. Bessere Anerkennung der Tätig¬
keit der Kokerei- und Kraft¬
werkbetriebe.
4. Nicht die Zusatzverpilegung,
sondern die Verbesserung der
Normalverpflegung ist entschei¬
dend für die Leistung. Inten¬
sive Mitarbeit in den Ernäh¬
rungsausschüssen.
5. Schaffung von Bergarbeiter-
Eigenheimen, die dem Typ saar-
ländischer Bergmannshäuser ent¬
sprechen.
6. Keine ziel- und planlose Heran¬
ziehung von Arbeitskräften zum
Saar-Bergbau. Wir wünschen
einen normalen Zugang aus un¬
serem eigenen Gebiet und den
Randgebieten.
7. Die Entnazifizierung im Saar¬
bergbau muß weitergeführt wer¬
den.
8. Die Erfüllung berechtigter . For¬
derungen der Jugend.
9. Weitgehende Rücksichtnahme
auf Arbeiterhaushalte bei not¬
wendigen Requirierungen.
10. Verbesserung der Arbeitsein¬
richtungen im Produktionsappa¬
rat der Saargruben.
Die Aufgaben des Verbandes und
seiner Funktionäre im Rahmen der
eigenen Organisation unterzog der
Referent einer eingehenden Betrach¬
tung und forderte nach Maßgabe
ihrer Dringlichkeit:
Schaffung von Ortsgruppen des
Verbandes,
Monatliche Berichterstatung aller
Organisationseinheiten,
Schaffung einer statistischen Kom¬
mission bei der Verbandsleitung und
den Gruppenbeiräten mit dem Ziele
der genauen Beurteilung der Ent¬
wicklung, sowohl in der Wirtschaft,
Produktion und Konsumtion, als
auch im Rahmen der eigenen Orga¬
nisation,
Strikteste Innehaltung der Bei¬
tragsregelung unter dem Gesichts¬
punkt „Ein Stundenlohn pro Woche
als Gewerkschaftsbeitrag“,
Erhöhung des Kampf fonds zur
Stärkung der Schlagkraft der Or¬
ganisation,
Durchführung von Wochen- und
Abendschulen, Ausbau einer Wirt-
sehaftsschule,
Schaffung einer Kulturgemeinde
der Einheitsgewerkschaft,
Benennung der besten Gewerk¬
schaftler für die kommenden Be¬
triebsratswahlen,
Baldige Wahlen der Knappschafts-
älfesten und Teilnahme von zwei
offiziellen Vertretern des Industrie¬
verbandes Bergbau im Vorstand der
Saarknappschaft,
Weitgehende Unterstützung der
Genossenschaftsbewegung,
Schaffung von Fachgruppen im
Industrieverband,
Aktivierung und Schulung der
Si cherh ei tsm ä n ner.
Die Delegiertentagung fand ihren
Abschluß mit einer Bergarbeiter¬
kundgebung im Rechtsschutzsaalbau
in Bildstock. Unter stürmischem
Beifall nahm die Versammlung die
Mitteilung entgegen, daß dieser
Bau, den die Väter einst, Stein um
Stein, aus eigenen Mitteln errichtet
haben, wieder seinem ursprünglichen
Zweck zugeführt und dem Indiu-
strieverband Bergbau der Einheits¬
gewerkschaft zu Eigentum übertra¬
gen werden soll. In diesem Haus
werden die organisierten Saarberg-
arbeiter eine Wirtschaftssehule er¬
richten, die die Aufgabe haben soll,
mitzuhelfen, demokratischen Geist
in Wirtschaft und Gesellschaft zu
yerankern.
Der Verlauf des Kongresses hat
alle Erwartungen übertroffen. Mit
Überzeugung und Leidenschaft
wurde in allen Referaten und Dis¬
kussionen die Notwendigkeit der
Einheit unterstrichen und begrün¬
det.
Die Tagung bildete den Abschluß
der grundlegenden Aufbauarbeit des
Verbandes. Die versammelten Dele¬
gierten haben als Repräsentanten
der organisierten Belegschaften des
Saarbergbaues durch ihre Sprecher
einmütig der geleisteten Arbeit des
Verbandes ihre Zustimmung erteilt
und den Erfolg dieser Arbeit, unter
der Leitung des Verbandsleiters
Oskar Müller anerkannt.
Solidarität
Zur Steuerung der ärgsten Not
haben die Bergarbeiter des Saar¬
landes im vergangenen Winter
zwei Sonntagsschichten verfahren
und für die Bevölkerung des
Saargebietes
25 000 t Kohlen
gefördert.
Durch diese Leistung echter
Solidarität haben sie die Produk¬
tion von
2 600 t Koks
900 t Teer
24 t Benzol
und 50 t Ammoniak
ermöglicht, um die notwendigste
Versorgung der Krankenhäuser
und Waisenheime mit Brand und
Arzneimittel sicherzustellen. Da¬
rüber hinaus waren der Kompen¬
sation zusätzliche Möglichkeiten
im Interesse der Lebensmittelver¬
sorgung erschlossen und eine er¬
höhte Belieferung der Gartenbau¬
betriebe mit' Heizmaterial ge¬
währleistet.
Die Spende der Saarbcrgleute
für die Opfer der Grubenkata¬
strophen
von „Monopol“ und „OstricDurt“
erbrachten zusammen:
81 000 Mark.