Full text: 1946 (0001)

Qcaam, dec ¿iMÎtcità^^ecl^cka^ftem, dec Ac&evtec, Ajcfy eiteUtm. ul. Beamtem, 
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1. Jahrgang 
August 1946 
Nummer 2 
Auf historischem Boden 
Delegierten-Konferenz des Industrie verbandes Bergbau 
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Am 15. Mai 1889 Versammelten sich in 
Bildstock 3000 Bergarbeiter , *u einer 
Demonstration gegen den preußischen 
Despotismus, den dio königliche Berg* 
werksdircktion repräsentierte. Zum er« 
eten Mal war man sich der vereinten 
Kraft bewußt, um seine berechtigten 
Forderungen zu erheben. Man forderte 
den Achtstundentag und die Beseitigung 
der Einsperrungstiircn an den Ein* und 
Ausgängen. Wie Sklaven und Gefangene 
hatten die preußischen Zwingherren einst 
die Bergarbeiter während ihrer Arbeit 
eingesperrt. Acht' Tage später, am 22. 
Mai kam es zu einer noch größeren 
Demonstration. 15 000 Bergarbeiter ver* 
sammelten sich in Bildstock und bc* 
schlossen den Ausstand. 
Dieser Streik war nicht ohne Erfolg. 
Er führte zur Gründung des Rechts* 
Schutzvereins mit Sitz in Bildstock, der 
die Interessenvertretung der Bergarbeiter 
übernahm. Mit seltenem Idealismus und 
großer Opferhcreitschaft gingen die Berg* 
arbeiter ans Werk und schufen sich aus 
eigener Kraft ein Heim. Dazu hatte 
jedes Mitglied 1 Mark und 2 Back» 
steine beizusteuern. Von allen Himmels* 
Bergleute mit zwei Backsteinen beladen, 
richtungcn kommend, zogen ■ Tausende 
zur Grundsteinlegung nach dem Bild» 
stock. Aber bald nach der Einweihung 
kam der stolze Bau, nachdem der Rechts» 
schutzverein seine Tätigkeit eingestellt 
hatte, für ein Spottgcld in den Besitz 
des preußischen Bergfiskus. 
Auf diesem historischen Boden traten 
am Samstag, den 17. und am Sonntag, 
den 18. August 194fi dreihundert von der 
Mitgliedschaft gewählte Delegierte des 
Industrieverbandes Bergbau zu einer 
Delegiertenkonferenz in Bildstock zusam* 
men. 
Die Delegiertentagung nahm mor¬ 
gens um 9 Uhr mit der Wahl des 
Konferenzpräsidiums ihren Anfang. 
Als Tagungsleiter wurde der Kollege 
Braun von Grube Mellin gewählt. 
In das Ehrenpräsidium berief 
die Versammlung folgende Kolle¬ 
gen, die als Opfer des Kampfes ge¬ 
gen den Nazismus ihr Leben hin- 
gaben: 
Friedrich Husemann, Bo¬ 
chum, Vorsitzender des Bergarbei¬ 
terverbandes, 
Albert Funk, Essen, Vor¬ 
sitzender des Einheitsverbandes der 
Bergarbeiter, 
Heinrich Imbusch, Essen, 
Vorsitzender des Gewerkvereins 
Christi. Bergarbeiter, 
Otto Pick, Saarbrücken, 
Vorsitzender des christl. Metall¬ 
arbeiterverbandes, 
Wilhelm Frisch, Lands¬ 
weiler, Mitglied der Verbandslei¬ 
tung des Einhedtsverbandes, 
Hermann Drumm, Wie¬ 
belskirchen, Funktionär des 
Bergarbeiterverbandes, 
Josef Wagner, Lockwei¬ 
ler, Funktionär des Bergarbeiter- 
Wehbandes, 
Paul Jost, Herrensohr, 
Bergarbeiterfunktionär, 
Daniel Renner, Friedrichs¬ 
thal, Bergarbeiterfunktionär. 
Als Gäste begrüßte der Kongreß: 
die Vertreter der Militärregierung, 
Mr. Rieth, Oberleutnant Bozzola, die 
Vertreter des Regierungspräsidiums, 
Regierungspräsident Dr. Neureuter, 
Präsidialdirektor Kirn, Oberregie¬ 
rungsrat Herbert und den Vertreter 
des Oberbergamtes Saarbrücken, 
Berghauptmaiin Dr. Schönemann. 
Eine wichtige Entscheidung 
Der Kongreß ¿¡er Transport-Ar¬ 
beiter-Internationale in Stockholm 
hat beschlossen, die Transportarbei¬ 
ter-Gewerkschaft der britischen Be¬ 
satzungszone in die Transportarbei¬ 
ter-Internationale aufzunehmen. 
Den Tätigkeitsbericht der Ver¬ 
bandsleitung, auf den wir noch in 
den nächsten Ausgaben der Gewerk¬ 
schaftszeitung zurückkommen wer¬ 
den, erstatteten cüie Kollegen Mathe eu 
von Grube Dechen (Betriebliche 
Fragen), Otto Körner von der Rechts¬ 
schutzabteilung (Sozialpolitische Fra¬ 
gen), Fehrenz von Grube Heinitz 
(Finanzen des Verbandes) und Ver¬ 
bandsleiter Oskar Müller (Arbeit 
des Verbandes). Die sich anschlie¬ 
ßende Aussprache war konstruktiv 
lebhaft. 
Abends fand im gleichen Saal des 
Trierer Hofs eine künstlerische Ver¬ 
anstaltung statt. Gute Musik und 
Gesangsdarbietungen erfreuten Teil¬ 
nehmer und Gäste. 
Im Mittelpunkt des zweiten Kon¬ 
greßtages stand das Referat des 
Verbandsleiters Oskar Müller, 
der über die „Lage im Bergbau und 
die Stellungnahme des Verbandes 
zu den verschiedenen Arbeitsgebie¬ 
ten“ berichtete. Seinen Ausführun¬ 
gen lagen folgende Gesichtspunkte 
gewerkschaftlicher Zielsetzung zu¬ 
grunde: 
1. Dem Bergmann der beste Lohn. 
2. Normaler Ausgleich von Unter- 
und Übertagebelegschaft. 
3. Bessere Anerkennung der Tätig¬ 
keit der Kokerei- und Kraft¬ 
werkbetriebe. 
4. Nicht die Zusatzverpilegung, 
sondern die Verbesserung der 
Normalverpflegung ist entschei¬ 
dend für die Leistung. Inten¬ 
sive Mitarbeit in den Ernäh¬ 
rungsausschüssen. 
5. Schaffung von Bergarbeiter- 
Eigenheimen, die dem Typ saar- 
ländischer Bergmannshäuser ent¬ 
sprechen. 
6. Keine ziel- und planlose Heran¬ 
ziehung von Arbeitskräften zum 
Saar-Bergbau. Wir wünschen 
einen normalen Zugang aus un¬ 
serem eigenen Gebiet und den 
Randgebieten. 
7. Die Entnazifizierung im Saar¬ 
bergbau muß weitergeführt wer¬ 
den. 
8. Die Erfüllung berechtigter . For¬ 
derungen der Jugend. 
9. Weitgehende Rücksichtnahme 
auf Arbeiterhaushalte bei not¬ 
wendigen Requirierungen. 
10. Verbesserung der Arbeitsein¬ 
richtungen im Produktionsappa¬ 
rat der Saargruben. 
Die Aufgaben des Verbandes und 
seiner Funktionäre im Rahmen der 
eigenen Organisation unterzog der 
Referent einer eingehenden Betrach¬ 
tung und forderte nach Maßgabe 
ihrer Dringlichkeit: 
Schaffung von Ortsgruppen des 
Verbandes, 
Monatliche Berichterstatung aller 
Organisationseinheiten, 
Schaffung einer statistischen Kom¬ 
mission bei der Verbandsleitung und 
den Gruppenbeiräten mit dem Ziele 
der genauen Beurteilung der Ent¬ 
wicklung, sowohl in der Wirtschaft, 
Produktion und Konsumtion, als 
auch im Rahmen der eigenen Orga¬ 
nisation, 
Strikteste Innehaltung der Bei¬ 
tragsregelung unter dem Gesichts¬ 
punkt „Ein Stundenlohn pro Woche 
als Gewerkschaftsbeitrag“, 
Erhöhung des Kampf fonds zur 
Stärkung der Schlagkraft der Or¬ 
ganisation, 
Durchführung von Wochen- und 
Abendschulen, Ausbau einer Wirt- 
sehaftsschule, 
Schaffung einer Kulturgemeinde 
der Einheitsgewerkschaft, 
Benennung der besten Gewerk¬ 
schaftler für die kommenden Be¬ 
triebsratswahlen, 
Baldige Wahlen der Knappschafts- 
älfesten und Teilnahme von zwei 
offiziellen Vertretern des Industrie¬ 
verbandes Bergbau im Vorstand der 
Saarknappschaft, 
Weitgehende Unterstützung der 
Genossenschaftsbewegung, 
Schaffung von Fachgruppen im 
Industrieverband, 
Aktivierung und Schulung der 
Si cherh ei tsm ä n ner. 
Die Delegiertentagung fand ihren 
Abschluß mit einer Bergarbeiter¬ 
kundgebung im Rechtsschutzsaalbau 
in Bildstock. Unter stürmischem 
Beifall nahm die Versammlung die 
Mitteilung entgegen, daß dieser 
Bau, den die Väter einst, Stein um 
Stein, aus eigenen Mitteln errichtet 
haben, wieder seinem ursprünglichen 
Zweck zugeführt und dem Indiu- 
strieverband Bergbau der Einheits¬ 
gewerkschaft zu Eigentum übertra¬ 
gen werden soll. In diesem Haus 
werden die organisierten Saarberg- 
arbeiter eine Wirtschaftssehule er¬ 
richten, die die Aufgabe haben soll, 
mitzuhelfen, demokratischen Geist 
in Wirtschaft und Gesellschaft zu 
yerankern. 
Der Verlauf des Kongresses hat 
alle Erwartungen übertroffen. Mit 
Überzeugung und Leidenschaft 
wurde in allen Referaten und Dis¬ 
kussionen die Notwendigkeit der 
Einheit unterstrichen und begrün¬ 
det. 
Die Tagung bildete den Abschluß 
der grundlegenden Aufbauarbeit des 
Verbandes. Die versammelten Dele¬ 
gierten haben als Repräsentanten 
der organisierten Belegschaften des 
Saarbergbaues durch ihre Sprecher 
einmütig der geleisteten Arbeit des 
Verbandes ihre Zustimmung erteilt 
und den Erfolg dieser Arbeit, unter 
der Leitung des Verbandsleiters 
Oskar Müller anerkannt. 
Solidarität 
Zur Steuerung der ärgsten Not 
haben die Bergarbeiter des Saar¬ 
landes im vergangenen Winter 
zwei Sonntagsschichten verfahren 
und für die Bevölkerung des 
Saargebietes 
25 000 t Kohlen 
gefördert. 
Durch diese Leistung echter 
Solidarität haben sie die Produk¬ 
tion von 
2 600 t Koks 
900 t Teer 
24 t Benzol 
und 50 t Ammoniak 
ermöglicht, um die notwendigste 
Versorgung der Krankenhäuser 
und Waisenheime mit Brand und 
Arzneimittel sicherzustellen. Da¬ 
rüber hinaus waren der Kompen¬ 
sation zusätzliche Möglichkeiten 
im Interesse der Lebensmittelver¬ 
sorgung erschlossen und eine er¬ 
höhte Belieferung der Gartenbau¬ 
betriebe mit' Heizmaterial ge¬ 
währleistet. 
Die Spende der Saarbcrgleute 
für die Opfer der Grubenkata¬ 
strophen 
von „Monopol“ und „OstricDurt“ 
erbrachten zusammen: 
81 000 Mark.
	        
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