Full text: Evangelisches Wochenblatt (28.1901)

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»Praanag. — Dreis pro Quartal 50 
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Auflage 6800. 
Saarbrücken, den * 
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sprach: Ich bin gekommen, daß ich ein Feuer anzünde 
auf Erden; was wollte ich lieber, denn es brennete 
schon? Aber ich muß mich zuvor taufen lassen mit 
einer Taufe, und wie ist mir so bange, bis sie voll— 
endet werde (Luk. 12, 49 u. 50). Von dieser Bangigkeit 
giebt der Herr Zeugnis, wenn er zu den drei Aus— 
erwählten, Petrus und Jakobus und Johannes sagt: 
Meine Seele ist betrübt bis an den Tod. Vie 
Evangelisten erschöpfen alle Ausdrücke, welche die 
Sprache hat zur Bezeichnung qualvollen Seelenleidens 
— er fing an zu zittern und zu zagen — und es 
kam, daß er mit dem Tode rang und betete heftiger 
— es war aber sein Schweiß wie Blutstropfen, die 
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was die heilige Schrift sonst weiß von schweren 
Stunden der Knechte Gottes, von David, der ausruft: 
JIch bin so müde vom Seußzen, ich schwemme mein 
Bette die ganze Nacht, und netze mit meinen Thränen 
mein Lager (ps. 6, 7), von Hiob, der da klagt: 
Elender Nächte sind mir viele geworden! 
Aber, was ist denn das, was dem Herrn diese 
namenlose Angst bereitet? Ist er denn irre geworden 
an seinem Berufe oder gehen ihm jetzt erst die Augen 
auf über die Tiefe seines Leidens? Ist denn dieser 
Jesus, der so flehentlich betet um Wegnahme seines 
Kelches, derselbe Jesus, der vor kurzem so ruhig zu 
den Zwölfen sprach: Es wird alles vollendet werden? 
Derselbe, der den Simon Petrus, als er ihn bestürmte: 
Herr, schone deiner selbst! so hart anließ: Hebe dich, 
Satan, von mir, du bist mir ärgerlich; denn du 
meinest nicht, was göttlich, sondern was menschlich 
ist? (Matth 16, 23). Ja, es ist derselbe Jesus, und 
wir werden darum nicht an ihm irre, nein, er wird 
uns darum nur um so teurer. Hier kannst du sehen, 
lieber Christ, was das heißet: Er mußte allerdinge 
seinen Brüdern gleich werden (Ebr. 2, 17) und wie— 
wohl er Gottes Sohn war, hat er doch an dem, das 
er litte, Gehorsam gelernt (Ebr. 5, 8). Man mag sich 
wenden und drehen, wie man will, man mag sagen, 
es hieße die Majestät des Erlösers herunlersetzen, 
wenn wir uns denken wollten, Jesus habe sich auch 
nur einen Augenblick vor dem Leiden gefürchtet, wir 
kommen nicht an dem klaren Schriftwort vorbei. 
Jesus hat es selbst gesagt, Jesus hat dreimal gefleht: 
Mein Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch von 
mir! Und macht die Schrift nicht auch sonst vollen 
Ernst mit der Menschheit Jesu? Wenn unserer 
menschlichen Natur graut vor dem Leiden, weil es 
etwas Fremdes ist, etwas, was nicht von Gott stammt 
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Vater und Sohn. 
Matth. 26, 36 46 
ie tief wahr ist doch die Bibel. Es giebt 
2 Leute, welche der heiligen Schrift das 
— zum Vorwurf machen, daß sie über gar 
nichts einen Mantel hängt, daß sie auch die Sünden 
der Frommen aufdeckt und alles beim rechten Namen 
nennt. Aber wir achten die Bibel darum so hoch, 
daß sie so tief wahr ist. Wir verlieren auch nicht 
den Respekt vor den heiligen Menschen Gottes darum, 
daß sie offenbar alle Fleisch von unserem Fleisch sind 
— ein Mose, ein Elias, ein David, ein Petrus 
kommen dadurch nicht um ihr Ansehen, daß sie alle 
ihre schwache Seite zeigen. Nein, sie werden uns 
so nur recht nahe gerückt, sie schweben nicht mehr wie 
Ideal-Gestalten über uns in der Luft. Und so schadet 
es auch unserem Aufsehen auf Jesum nicht, daß die 
heilige Schrift von der dunklen Gethsemanestunde den 
Schleier hebt und läßt uns in dem heutigen Bilde 
sehen, was kein unberufenes Auge geschaut und läßt 
uns im Evangelium hören, was kein profanes Ohr 
vernommen hat — wie der Sohn im Stanbe liegt 
vor seinem Vater und zitternd und flehend ringt mit 
seinem Gott. Wir sagen nur: Wie tief wahr ist die 
Bibel und auch an dieser Wahrhaftigkeit erkennen wir 
sie als Gottes Wort. Der Welt Weise ist es nicht, 
ihre Helden, ihre großen Männer so zu schildern, wie 
der Soha Gottes uns hier vor die Augen gemalt 
wird. Aber wir danken es der Bibel, daß sie es 
gethan hat. Sie hat uns damit einen Blick erschlossen 
in das Geheimnis der Erlösung. Die Größe des 
Kampfes macht uns der Bedeutung des Sieges Jesu 
erst recht gewiß, und daß wir in Gethsemane sehen 
dürfen, wie nahe Jesus uns gekommen ist, wie er in 
unseren Reihen stritt und litt, ja, daß er wirklich an 
auserer Stelle stand, das ist uns ein unendlicher 
Trost. 
Oder ist das nicht die Bedeutung des Kampfes in 
Gethsemane? Es ist die dunkelste Stunde in der 
Leidensnacht. Jener Moment am Kreuz, wo Jesus 
ruft: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich 
verlassen? war wohl noch dunkler, aber es war nut 
ein Moment und bald darauf folgte der Siegesruf: 
Es ist vollbracht, Vater in deine Hände befehle ich 
meinen Geist. Aber die Stunde in Gethsemane ist. 
wie eine bedeutender Prediger gesagt hat, die längfte 
und die bängste Stunde des Heilandes gewesen. Sie 
hat ihm vor Augen gestanden, als er zu den Jüngern
	        
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