Full text: Evangelisches Wochenblatt (28.1901)

veu Moe, 
9 — —— 
* 
2421 Postverzeichms 
Jahraang. 
228 
Auflage 6800. 
— 9. 
Oreis pro Quartal * 
7. 
5 
Saarbrücken, den WM 
J N. 
RBetrus. 
dunklen Weg verordnet hat, besser verstehen als jene 
Jünger! Daß Jesus auch gesagt hat, er werde auf— 
erstehen, das haben die Jünger damals auch überhört. 
Aber bei uns wird sogar das, daß er auferstanden 
ist, daß er wirklich und wahrhaftig vor uns hingehet 
in dem Galiläa unserer Pilgrimschaft, von den meisten 
übersehen. Nein, nur nicht herabsehen auf die Jünger! 
Aber lernen wollen wir von ihnen, wie wir das 
warnende Wort Jesu nicht in den Wind schlagen, wie 
wir dem Herrn nicht antworten wollen. Nicht wie 
Petrus: Wenn sie auch alle sich an dir ärgerten, so 
will ich doch mich nimmermehr ärgern. Das war ein 
rechtes, echtes Petruswort, voll Petruskühnheit, voll 
Petrusthorheit. In diesem Wort wird die ganze 
Petrusnatur offenbar. Treu gemeint war es doch 
gewiß, kein gedankenlosez Geschwätz war es, keine eitle 
Prahlerei. Petrus hatte den Herrn lieb mit der 
ganzen Glut seines feurigen Naturells. An seinem 
Meister irre werden, diesen Meister gar verlassen — 
fort mit diesem Gedanken! Petrus kann sich das 
überhaupt nicht denken, daß einer aus ihrem Kreise 
dessen fähig wäre. Aber wenn auch das unerhörteste 
geschähe, wenn die andern alle fielen, er würde doch 
stehen wie ... nun, wie ein Fels, was er seinem 
Namen nach ja sein will. 
Wir kennen den Ausgang und wir nehmen an 
diesem Jünger den innigsten Anteis. Wir fühlen 
uns so verwandt mit ihm, das echt menschliche in 
Petri Rede- und Denkweise ist uns so bekannt. Wir 
stimmen so leicht mit ein in diese kühne Sprache, 
namentlich im Anfang der Jüngerschaft, in der Zeit 
der „ersten Liebe“. Es steht auch in unserm Gesang⸗ 
buch das schöne Lied von Novalis: „Wenn alle untreu 
werden, so bleib' ich dir doch treu“, und wer eine 
Feuerseele hat, wie Petrus, dem ist das aus dem 
Herzen gesprochen. Aber mitsingen darf es doch nur, 
wer nicht wie Petrus aus dem Vorrat eigener Kraft 
und natürlichen Mutes das Vollbringen seines Willens 
meint nehmen zu können, sondern wer aus einer 
tieferen Quelle schöpfen gelernt hat, aus der gläubigen 
Liebe zu Jesu. — „Daß Dankbarkeit auf Erden nicht 
ausgestorben sei“, so geht jenes Lied weiter; wem 
diese Dankbarkeit die Triebfeder seines Handelns ge— 
worden ist, ja, der mag so ein Petrusgelübde thun. 
Petrus hat es nachher, als er „ich bekehrt“ 
(Luk. 22, 32), d. h. als er sich ganz dem Herrn er⸗ 
geben hatte, im getrosten Glauben und in dankbarer 
Liebe, auch gekonnt, wiewohl er's da nicht mehr ge⸗— 
sagt hat. Jetzt ist er noch nicht imstande, den Ge— 
Matth. 26, 33: Petrus antwortete und 
sprach zu ihm: Wenn sie auch alle sich an 
dir ärgerten, so will ich doch mich nimmer— 
— mehr ärgern. 
nd da sie den Lobgesang gesprochen hatten, 
—— gingen sie hinaus an den Oelberg, mit 
R diesen bedeutungsvollen Worten beginnt die 
eigentliche Passionsgeschichte. Der Vorhang geht auf 
— das ergreifendste Trauerspiel, das die Welt je ge— 
sehen, nimmt seinen Anfang. Der erste Akt beginnt 
in der Stille, im nächtlichen Dunkel von Gethsemane. 
Die Erde schläft, die wenigen, die da wachen, sind 
Jesus und seine Jünger und — die Feinde in 
Jerusalem. Beide sind auf dem Wege. Jesus geht 
den Feinden entgegen; die Feinde, von dem verlorenen 
Kinde geführt, suchen Jesum — hier, in Gethsemane 
werden sie sich treffen. Das ist ein schmerzlicher 
Anfang, ein tief beschämender Anblick. Meine nur 
Niemand, es seien bloß Feinde gewesen, welche die 
Leiden Jesu herbeigeführt. Nein, seine Freunde, seine 
Jünger, haben ihm auch viel bittere Tropfen in seinen 
Kelch fallen lassen — ob nicht die allerbittersten? 
Ob der Kuß des Judas nicht dem Herrn schmerzlicher 
auf der Wange gebrannt hat, als die Backenstreiche 
der hohenpriesterlichen Diener? Ob die Verleugnung 
Petri dem Herrn nicht weher gethan hat, als die 
Anklagen der falschen Zeugen? Und sie, die Jünger, 
sind die ersten, welche in der Passionszeit handelnd 
auftreten. Das Leiden Jesu beginnt mit den Schmerzen, 
die er um die Seinen erduldet. Da geht er hin, der 
Meister mit den Jüngern, auf den Lippen noch den 
Lobgesang, mit dem das Passahmahl schloß, das große 
Halleluja der sechs Psalmen (113 —5118). Im Herzen 
aber trägt er die Betrübnis um die Seinen. Jesus 
sieht im Geist seine kleine Herde zersprengt, geflohen 
vor dem Wolf, der den Hirten angefallen. So schwer es 
dem Herrn wird, er muß seinen Jüngern zuerst das 
schmerzliche Wort fagen: In dieser Nacht werdet ihr 
euch alle an mir ärgern. 
Willst du einen Stein auf die Jünger werfen, 
lieber Leser? Willst du sie darum richten, daß sie 
sich in jener Nacht als arme, schwache Menschenkinder 
gezeigt haben? Was bist denn du? Weißt du nicht, 
daß das heute noch wahr ist, daß an dieser Nacht, 
an dem dunklen Weg Jesu so viele, die sich auch seine 
Jünger nennen, sich ärgern, d. h. einen Anstoß daran 
nehmen, dadurch irre werden an diesem Meister? 
Und wir sollten doch das göttliche Muß, das diesen
	        
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