das Böse durch einen vorsichtigen Wandel, trage das
Böse mit stiller Geduld, überwinde das Böse mit
Gutem! Amen.
Zwei Geschichten zum vierten Gebot.
1. Cäcilie.
Wenn wir vom Hirschberg herunterkommend in das
Dorf P. eingetreten sind und an der Schmiede vorbei
die Straße heruntergehen, die dort an der Ecke von
einem großen Nußbaum beschattet wird, dann schaut
uns ein Häuschen entgegen, das durch seine dunkeln
Bretterwände und sein altes verrauchtes Schindeldach
von den schmucken, hellgetünchten Bauernhäusern der
Nachbarschaft traurig abstechen würde, wenn nicht die
Reihe heller Fenster an der Ecke des Hauses und
darüber bis unters Dach eine Reihe von Sprüchen
und Bildern demselben ein interessantes Aussehen
geben würde. Wir treten näher. Da ist der Ritter
Georg, wie er den Drachen bekämpft, dann St. Martinus,
wie er seinen Mantel mit dem Schwerte zerteilt und
dem Nackenden zu seinen Füßen die Hälfte reicht.
Jetzt fällt unser Blick auch hinein in die Wohnstube,
die auf zwei Seiten Fenster an Fenster wie eine
Laterne uns gerne ihr Janeres überblicken läßt. Der
alte eichene Tisch in der vorderen Ecke fällt uns zuerst
ins Auge, auf demselben die große plumpe Schneider—
scheere, eine Brille daneben und verschiedene Kleidungs⸗
stücke, die auf die heilende Nadel der Hausefrau warten.
Diese läßt uns nicht lange am Fenster stehen, sie ist
schon unter der Hausthuͤre und ladet uns freundlich
ein, einzutreten. Wir folgen gern ihrer treuherzigen
Bitte; es ist alles reinlich und aufgeräumt. Die
Sonne bescheint warm die dunkeln Bretterwände, den
alten großen Ofen, um den eine Bank läuft, das
Spinnrad daneben und das Kätzchen, das mit einem
Faden sein Spiel treibt.
Ohne Rückhalt erzählt uns die gesprächige Frau.
„Wissen Sie, ich bin eine Nähterin, hab' als ledig
viel genäht und auch etwas vor mich gebracht und
mein Mann war Knecht beim Wirt; wir sind achtzehn
Jahre miteinander gegangen als Verlobte; er war
auch fleißig und sparsam, dann haben wir dieses
Häusle gekauft und uns geheiratet. Das Haus war
nicht sehr teuer, es sind schöne Aecker dabei, und zwei
Kühe haben wir auch; es ist halt gerad so viel, als
wir zwei machen können, und wenn wir mit unserem
Sach fertig sind, geht der Mann ins Taglohn, und
ich thu nähen und flicken für die Leut, und so ver—
dienen wir allweil noch was. Unsere Tochter, die
Cäcilie, soll es einmal gut haben, ich hab jetzt schon
den Schrank voll Leinwand, und das Haus ist
schuldenfrei. Ich mein, sie soll's schön kriegen.“
Cäcilie war das einzige Kind ihrer Eltern, sie war
elf Jahre alt, als ich sie das erstemal sah. Mit
frischen roten Backen und dunklen Augen lachte sie
mich gleich so freundlich und zutraulich an, daun
sprang sie leicht und fröhlich, wie sie gekommen war,
wieder hinaus, und ich merkte wohl, daß ihre Heimat
mehr im Freien als in der Stube war. WNber sie
war zum Gehorsam erzogen und liebte ihre Eltern,
deren Stolz und Freude sie war.
Es war eine Lust, sie in Handarbeiten zu unter⸗
richten, sie begriff leicht und hatte ein angeborenes
Geschick, die Nadel zu führen. Besonders nett und
rein waren alle ihre Arbeiten. Als sie ein Namentuch
mit alierlei Mustern fertig gestickt hatte, war sie sehr
glücklich, und ihr Vater so stolz darauf, daß er es
einrahmen ließ und in der Stube aufhing. Auch die
Lieder, die während des Handarbeitens gelernt und
gesungen wurden, verstand sie, faßte sie ins Herz und
schrieb sich dieselben gar säuberlich in ein Büchlein.
Als sie sechzehn Jahre alt und groß und stark war,
meinte die Mutter, jetzt fehle der Tochter zu ihrer
weiteren Ausbildung nur noch ein Dienst in der
Stadt. Sie selbst war zwar noch nie in der Stadt
gewesen, hatte auch keine Ahnung, wie es da zugeht,
aber es däuchte ihr eben der Höhepunkt von Feinheit
und Bildung und recht der Ort höheren Glückes.
Auf Geradewohl wanderte das junge, unerfahrene
Mädchen zur Stadt; eine Freundin hatte sie ja dort,
der es gut ging. das schien ihr und ihren Eltern
Angeld genug für ihr Wohlergehen.
Sie bekam auch gleich einen Dienst, aber vom
Morgen bis zum spätesten Abend mußte sie waschen,
während seltsam geputzte und doch übel aussehende
Frauenzimmer muͤßig herumlungerten. Bald mußte
sie merken, daß sie in eine schlimme Herberge geraten
war. Sie klagte ihre Not der Milchfrau, und zum
Glück wußte diese einen andern, bessern Platz für sie.
Herr Regierungsrat W. wohnte mit seiner Schwester
allein zusammen. Diese führte den Haushalt und
auch die Küche und suchte eben ein junges Mädchen
zu ihrer Hilfe. Hier war Cäcilie ganz an ihrem
Platz. Mit Aufmerksamkeite und Hingebung lernte sie
bald alle Arbeiten im Haus und bediente ihre Herr—
schaft mit solcher Pünktlichkeit und Gewissenhaftigkeit,
daß diese sie bald lieb gewann und als treuen Dienst⸗
boten schätzte.
Wenn mich Cäcilie bisweilen am Sonntag besuchte,
hatte ich immer eine herzliche Freude an ihr. Sie
war städtisch gekleidet, aber ohne allen übertriebenen
Putz, nett und einfach, ihr Benehmen war ein durch—
aus feines, anständiges und doch war sie noch wie
sonst kindlich zutraulich. Ihre Züge hatten sich ver—
feinert, und ihre dunkeln Augen leuchteten von einem
reinen Feuer, wenn sie von ihrer glücklichen Kinderzeit
sprach, oder auch erzählte, wie Fräulein W. sich so
viel um sie angenommen, sie das Kochen und Bügeln
gelehrt habe, und sie an den langen Winterabenden,
wenn der Herr Regierungsrat in Gesellschaft sei, bei
sich im Zimmer sitzen lasse und schöne gute Bücher
und Blätter mit ihr lese. Sie dürfe auch jedes Jahr
mit der Herrschaft aufs Land und alle Jahre einmal
nach P., um die Eltern zu besuchen. Dann fügte sie
wohl traurig bei: „Die Mutter ist immer magen—
leidend, und ihre Augen werden so schwach, sie möchte
mich gern wieder bei sich haben.“
Einmal kam sie, um mir zu sagen, sie werde jetzt
wohl bald heiraten. Der Schreiner, der für den Herrn
Regierungsrat schon seit Jahren altdeutsche Möbel
mache und oft ias Haus komme, habe bei der Herr⸗
schaft förmlich um sie angehalten. Der Herr Regierungs⸗
rat habe ihn sehr gelobt, er sei jetzt Meister geworden,
habe in der Nähe eine schöne Werkstatt gemietet und
werde es gewiß bald zu einem tüchtigen Geschäft
bringen, sie dürfe es schon wagen, mit dem redlichen,
ehrenhaften Mann eine Verbindung einzugehen. Jetzt
habe sie schon mehrere Sonntage mit ihm spazieren
gehen dürfen und gefunden, daß er einen christlichen