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„Und der Ferdinand ist gefunden und du hast wirklich
einen Auftrag?“
„Ach Unsinn! Der würde mir auch zuletzt einen solchen
geben! Ich benutze nur die günstige Gelegenheit, die
Mutter auszunutzen, ehe ein anderer kommt, der wirklich
Bescheid weiß und will — wenn möglich — eine Aus—
söhnung des Ausreißers mit der Familie verhindern, da
ch durch Zufall erfahren habe, daß er noch lebt.“
Karl!“
„Fritz, bitte ich mir aus. Und nun hast du durch dein
dummes Gefrage wirklich mal wieder viel mehr erfahren,
als du erfahren solltest.“ Der Sohn stampfte ärgerlich
mit dem Fuß, nahm dann sein Notizbuch aus der Tasche
und begann, sie überzählend, eine ganze Reihe Hundert—
markscheine durch die Finger gleiten zu lassen, dann legte
er einen davon für seine Mutter, die ihm mit schmerz—
lichen, finsteren Blicken zugesehen hatte, auf den Tisch.
„Nun stecke mir schnell von dem Eßbaren hier, was sich
einpacken läßt, in meine Tasche, und dann leb' wohl,
Mutter. Du hast mich doch verstanden?“
Die alte Frau antwortete nicht.
„Nun, schaden kannst du mir auch doch nicht“, fuhr
der unkindliche Sohn fort, „dazu ist alles zu fein an—
gelegt und dein Vorteil ist's, wenn du mir folgst.“ Er
wandte sich, der Mutter die Reisetasche aus der Hand
nehmend, der Thüre zu:
„Soll ich den andern grüßen?“
„Thu', was du willst — ich habe ja keine Gewalt
über dich.“
„Hahahaha!“ Der Sohn verließ lachend das Haus,
und nachdem die Mutter ihren Hunger gestillt, blieb sie
lange in stummem Brüten vor dem Tische sitzen und ließ
ihre Gedanken, die sich wegen der ungeraltenen Söhne
untereinander verklagten und entschuldigten, an ihrem
Beiste vorüberziehen. — — —
V.
In einem amerikanischen Krankenhause, bleich und
nüde in die Kissen zurückgelehnt, lag ein junger Mann,
der die Verwandtschaft mit der Schlosserwitwe Peters
in Rastburg in seinem Aeußeren nicht hätte verleugnen
können. Dieselbe breite Stirn wölbte sich über ein paar
ernsten blauen Augen, eine leicht gebogene Nase neigtie
sich ein wenig über den nicht unschönen Mund und ein
energisch vorspringendes Kinn, mit tiefem Grübchen in
der Mitte, gab dem Ganzen eine wohlthuende Festigkeit.
Aber während die Mutter bisher mit Adlerblick, was sie
für ihr Recht und ihre Pflicht hielt, zu erkennen gesucht
und darnach gehandelt hatte, schien der Sohn tief erfchöpft
bon dem Kampfe mit dem Leben. Ein deutsch redender
Prediger saß neben dem Lager des Kranken und bemühte
sich, seine scheinbar eingeschlummerte Willenskraft neu zu
beleben, indem er ihn auf Reichgottesziele hinwies, damit,
wie er sagte, sein Leben einen lebenswerten Inhalt erlange
und er wieder fröhlich hinaustreten könne unter die Men—
schen in der Welt, wenn sein gebrochenes Bein, wozu ja
die beste Aussicht wäre, wieder geheilt sein würde.
„Es nützt Alles nicht, Herr Pastor“, sagte Ferdinand
Peters, mit trübem Blick auf die Baumwipfel blickend,
die durch die geöffneten Fenster hineinzunicken schienen in
das kärglich ausgestattele Zimmer, als wenn sie sagen
wollten: „Laß du nur alle Sorgen hinter dir, wenn du
erst wieder in's Freie gehen kannst, dann wirst du auch
wieder fröhlich.“
„Sind Sie denn meinen Ausführungen auch mit
Ihren Gedanken gefolgt?“ fragte der Geistliche, „ich ver—
stehe eigentlich Ihre Mutlosigkeit nicht!“
„Ich meine“, entgegnete der Leidende, „alle Ihre guten
Ratschläge, Herr Pastor, können mir nichts nuüken. denn
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es ruht, trotz aller Erfolge, die ich in meiner Laufbahn
gehabt habe, ein Bann auf mir.“
„Wieso? Warum denn?“
„Ich habe meine Eltern heimlich verlassen, um See—
mann zu werden. Mein Vater hat mich verflucht und
meine Mutter will nichts mehr von mir wissen.“
„Haben Sie denn nicht reumütig um Verzeihung ge
beten?“
„Ich habe das schon vor neun Jahren gethan. Ein
gewisser Karl Schmidt, der sehr viel mit dazu beigetragen
hat, daß ich fort ging von meinen Eltern, hat damals den
Brief mit in die Heimat genommen und mir die Nach—
richt mitgebracht, der Brief wäre zurückgewiesen worden.“
„Ist dem Menschen auch zu trauen? Die Sache er—
scheint mir gar zu unnatürlich.“
„Ach, mein Vater kann sehr, sehr heftig werden und
meine Mutter ist von sehr festem Charakter. Was sie
für gut und richtig hält, davon bringt sie nicht leich
etwas ab.“
„Umso mehr würde ich denken, das große, erste Ge—
fühl der mütterlichen Liebe könnte durch Vorkommnisse
im Leben nicht verändert werden. — — Haben Sie nur
diese eine Bitte um Verzeihung nach Hause gesandt?“
„Ich habe wohl etwas von dem Charakter meiner
Eltern geerbt, denn, als ich die demütigende Zurück—
weisung erfuhr, wallte es in Empörung des Herzens bei
mir auf. Hatte denn mein Vater ein Recht, mich zu seinem
Handwerk zu zwingen? Und mit welchem Rechte entzog
mir meine Mutter für immer ihre Liebe?“ —
„Was thaten Sie denn damals?“
„Ich warf mit mit aller Gewalt auf das Seemanns—
wesen und da mein Kapitän mich lieb gewann und ich
ihm gegen eine geplante Meuterei des Schiffsvolks bei—
stehen konnte, so, daß wir die ganze Mannschaft in den
Schiffsraum lockten und dort gefangen hielten, während
ich mit dem Kapitän und dem ersten und zweiten Steuer.
mann das Schiff zwei und einen halben Tag allein be—
dienten, wurde er mir noch mehr zugethan. Er schickte
mich auf eine Seemannsschule, nachdem die Angelegen—
heit mit der Mannschaft sich in England zu unseren
Bunsten entschieden hatte. — — — Ich machte meine
Sache auf der Schule gut und der Kapitän nahm mick
dann wieder in seine Dienste, denn er sagte: „ein braver
Mann sei Goldes wert.“ — — Ach, ich war damals sehr
stolz auf mein Können und wünschte nur immer, daß ein—
mal Jemand aus Rastburg, meiner Heimat, an Bord
täme und dann nachher meinen Eltern von meiner Tüch—
tigkeit berichtete und davon, daß der Kapitän mich wi—
einen eigenen Sohn halte.“ (Fortsetzung folgt.)
Katholische PropagandaSchriften.*)
Die Medaille am Halse, ein Bosco in der Westen
tasche! so ist man versucht, ein Büchlein zu titulieren,
welches als „Katholische Propaganda-Schrift Nr. 16*
bei F. H. Le Roux u. Co. in Straßburg i. E. unter dem
Titel „Goldstrahlen der wunderbaren Medaille“ er—
schienen ist.
Man könnte in unserer Zeit der Vorsicht, da das
Kräutchen „Rührmichnichtan“ auf römischem Boden
ebenso häufig ist wie das Blümchen „Vergißmeinnicht“
auf evangelischem Boden wünschenswert bleibt, fragen:
was geht euch Evangelische dies Büchlein an? Freilick
der Preis übertrifft seinen Inhalt um 10 Pfennia —
*) Anm. d. Red. Die „St. Joh.-Saarbr. Volksztg.
beschwert sich in Nr. 169 darüber, daß das kathol. Volk ir
der ev. Bundesversammlung abergläubig genannt worden sei
Mit Rücksicht darauf veröffentlichen wir nachstehenden uns aus
unserem Leserkreise zugegangenen Arktikel—