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für uns am Kreuze, und das Blut Jesu Christi allein
macht uns rein von all unseren Sünden, sein Blut,
Lydia, ist die alleinige Salbe, welche uns geschickt
nacht, in den Himmel einzugehen!“
So starb Alice als tapfere Bekennerin und
Märtyrerin ihres Glaubens, welchen die Anstrengungen
eines rücksichtslosen Katholiziemus ihrem Herzen nicht
hatten entfremden können.
Mit dem Tode der geliebten Schwester war auch
dydias letzter Halt von ihr gewichen. Sie klagte sich
in, schuld zu sein an Alicens frühem Tode; um
ihretwillen habe jene keinen Widerspruch erhoben gegen
die Reise, und der Aufenthalt im Kloster habe sie
zetötet. Sie jammerte, daß der liebe Gott nicht an
A—
an ihr sei nichts gelegen, während jene Eltern und
Geschwistern noch viele Freude hätte bereiten können.
Dazu kam die Sehnsucht, welche solche, die dem Tode
geweiht sind, an den Pforten der Ewigkeit noch ein—
mal mit aller Macht zu ergreifen pflegt, die brennende
Sehnsucht nach der Heimat, nach Eltern und Ge—⸗
ichwistern. Die Oberin hatte gesagt, daß ihr Vater
'ommen werde; aber er war nicht gekommen, und
keine Nachricht von Hause, keine seit langen Wochen.
Diesem zwiefachen Ansturm von Selbstvorwürfen und
Trauer, sowie sehnsüchtigem Verlangen konnte Lydias
schwache Gesundheit nicht widerstehen und kaum war
nach Alicens Begräbnis eine Woche vergangen, da
vurde auch sie zu Grabe getragen.
Im Grabe ist Ruh! Ruhe auch für diese zarten
unglücklichen Opfer des Irrtums und Fanatismus,
die von Gott berufen schienen, und von der Natur
so reich begabt waren, glücklich zu werden und andere zu
beglücken. Freilich das Kloster hatte seine Aufgabe
erfüllt. Mit Oel gesalbt, mit Weihwasser besprengt,
nit Weihrauch umwallt waren die Entschlafenen be—
stattet worden. Sie hatten ein schönes katholisches
Begräbnis gehabt. Wozu denn sich grämen um ihr
junges teueres Leben? (Schluß folgt.)
Generalversammlung des Gesamtverbandes
Evangelischer Arbeitervereine Deutschlands
in Speyer am 28., 29. und 30. Mai.
Schluß.)
Der Kürze halber müssen wir die Fest-Vorstellung:
„Der Reichstag zu Speyer 1529“, deren Reinerträg
der Protestationstirche zugute kam, übergehen, eben⸗
so auch die zahlreich besuchte Festversammlung des
Speyerer Arbeitervereins, welche bei Gesängen und
verschiedenen Ansprachen, namentlich von Weber,
Hoffmann, Gümbel, Naumann, Augener u. a. einen
erhebenden Verlauf nahm.
Am zweiten Verhandlungstage hielt zuerst Stadt—⸗
ofarrer Dr. Mosapp aus Heidenheim, Mitglied des
Ausschusses, einen lichtvollen und höchst interessanten
Vortrag über: Die sozialen Gedanken' des
Jakobus-Briefes. Es wurde einstimmig be—
schlossen, diesen Vortrag im Evangelischen Arbeiter⸗
boten abzudrucken. Leider können wir aus Raum—
mangel den Wochenblattlesern keinen Auszug aus
diesem Vortrage geben; wir wollen jedoch wenigstens
das Schlußwort desselben mitteilen. Es lautet:
Solche Gesinnungen, verehrte Herren, zu wecken
und zu pflegen, das muß noch bis auf diesen Tag
die Aufgabe aller christlichen Verkündigung sein. Wir
Prediger wollen es nie vergessen, daß unsere erste und
wichtigste Aufgabe ist, Evangelium zu predigen, und
daß wir dabei nie bloß einem Stand predigen,
einen Stand tadeln, für einen Stand uns ver—⸗
wenden dürfen: Jakobus hat den Armen wie den
Reichen die Wahrheit gesagt, und beide verdienen sie
auch heute noch zu hören. Wir wollen auch nie ver—⸗
gessen, daß es nie Aufgabe unserer Predigt sein kann,
nationalökonomische Probleme zu erörtern, soziale
Theorien und Forderungen aufzustellen im Namen
des Evangeliums; nicht sozialpolitisch, sondern sozialethisch,
gesinnungsbildend muß unsere Wirksamkeit sein.
Und wir alle wollen es uns von Jakobus immer
wieder sagen lassen, daß Gesinnungen notwendig sich
äußern müssen in Thaten, daß, wo die rechten Ge—
sinnungen sind, die sozialen Reformen ganz von selbst
folgen müssen. „Was nicht zur That wird, hat keinen
Wert,“ sagt Gustav Werner in Uebereinstimmung mit
Jakobus; lassen Sie uns in unsern evangelischen
Arbeitervereinen fortfahren, die welterneuernden Kräfte
des Evangeliums hineinzutragen in das soziale Leben
der Gegenwart und in diesem Sinne jenes vielberufene
Kaiserwort von 1896 wahrzumachen: „Wer ein Christ
ist, der ist auch sozial.“
Wie Tags vorher in der Gewerkschaftsfrage, so
zeigte sich auch in der nunmehr zur Verhandlung
kommenden Wohnungsfrage eine erfreuliche Ein—
mütigzkeit der Anschauungen unter den Versammelten,
welche einerseits aus dem Umstande herrührte, daß
eine Reihe von Verbänden und Vereinen auf dem
Bebiete der Wohnungsfrage eifrig thätig gewesen sind
und also praktische Erfahrungen gesammelt haben,
andererseits auch daraus, daß für das Referat zwei
so tüchtige Kräfte gewonnen worden waren, nämlich
Pfarrer Zettelmann aus Frankfurt a. M., der
Schriftführer des „Vereins Reichs-Wohnungsgesetz“
und Fabrikant Paul Lechler aus Stuttgart, der
seit Jahren auf eine nationale Wohnungsreform hin—
gearbeitet hat und auf dessen Seite sich einer der ersten
Nationalökonomen — Schäffle — völlig zustimmend
gestellt hat. Es wurde den Vorträgen beider Referenten
einmütig zugestimmt, sowie ihren Leitsätzen. Auf
Antrag der ersten Referenten nahm man folgende
Erklärung an:
„Die Delegierten-⸗Versammlung erblickt in einer
nationalen Wohnungsreform ein Hauptmittel zu
einer sittlichen und sozialen Gesundung unseres
Volkslebens und Familienlebens, und fordert,
neben der Bruder⸗ und Selbsthilfe, die Unter—
stützung der Kommunen, der Landesgesetzgebung
und der Reichsgesetzgebung.“
Im Anschluß an den Vortrag Lechler's beschloß
die Versammlung nach einer lebhaften Erörterung
über seine ihr vorgelegten Sätze, sich diese ohne alle
Einschränkung in folgendem Wortlaut anzueignen:
1. Die am 30. Mai 1901 zu Speyer tagende
Delegierten-Versammlung des „Gesamtverbandes
der Evangelischen Arbeitervereine Deutschlands“
—A
Regierungen lebhaften Dank für das aus, was
seit ihrer letzten Tagung im Interesse der
Wohnungsreform teils verfügt, teils beschlosser
und weiter in Aussicht gestellt worden ist