gestattet, während der heißesten Zeit des Tages (wir
weilten einen ganzen Tag auf dem Oelberg) innerhalb
hrer Mauern Schatten zu suchen.
Nach dem dort eingenommenen Mittagsmahl ver⸗
schwand ich in der eher einem Säulengang, als einer
Kapelle gleichenden Vaterunserkapelle, legte mich auf
den steinigen und darum etwas kühlen Fußboden und
schlief, zu meinen Häupten nichts weiter als eine
Schamsije, das ist Sonnenschirm, so fest ein, daß ich
heim Erwachen zuerst garnicht wieder zurechtkommen
lonnte. Unterdessen hatte eine meiner Mitschwestern
in der Klosterküche eine gute Schokolade bereitet, die
uns nun vortrefflich mundete.
Nun brachen wir auf und kamen — nach Süd—
osten gehend — auf ein den Russen gehörendes Be—
sitztum. Ein stattlicher Kuppelbau und daneben ein
fünf Stockwerke hoher Glocken- und Aussichtsturm
wurden uns nach einigem Warten aufgeschlossen. Wir
bestiegen das dritte Stockwerk des letztern. Die Aus—
sicht war unbeschreiblich schöͤn. Gegen Norden sahen
wir den Scopus; links von ihm aus weiter Ferne
zrüßte wie ein alter Freund der Berg Nebi Samuel,
das ist Prophet Samuel. Kein Wunder, daß er so
freundschaftlich that, hatte ich ihm doch erst wenige
Tage vorher einen Besuch gemacht. Doch davon
später. Nach Osten blickt das Auge hinab über lange,
wüste Felsenketten, bis es schließlich mit Entzücken
auf dem tiefblauen, toten Meere haften bleibt.
Da wir glücklicherweise einen besonders klaren
Tag hatten, konnten wir sogar den Jordan, der sich
vie ein silbernes Band durch die Jordanebene
scchlängelte, bis zu seiner Mündung ins tote Meer
berfolger. Das war ein Genuß, meine Lieben, den
sich gern mit euch allen geteilt hätte. Möchte euch,
da dies nicht möglich war, diese wenn auch dürftige
Beschreibung in etwas entschädigen. Jenseits des toten
Meeres erheben sich die bläulichen Felsenberge von
Moab mit dem Nebo. Nach Süden hin erblickten
vir die Höhen von Bethlehem, überragt von der
steilen Kuppe des Frankenberges mit den Trümmern
der Schloßburg Herodes des Großen.
Doch nun mußten wir auch noch einen Blick auf
die heilige Stadt selbst werfen, auf die man von keiner
andern Stelle aus eine so schöne Aussicht genießt,
wie von hier. Daß Jerusalem mit Recht „die Stadt
auf dem Berge“ genannt wird, sieht man am besten
auf dem Oelberg, Wir hatten gehofft, das jenseits
des Oelberges liegende Bethanien noch besuchen zu
können, doch die Zeit war schon vorgerückt und wir
waren von all dem Genossenen so befriedigt, aber
auch so müde und hungrig, daß wir heute gern auf
Bethanien verzichteten, nicht aber auf ein kräftiges
Abendbrot und ein frühzeitiges Zubettgehen.
Die Sonne sank im Westen, als wir den Oelberg
hinabstiegen. Doch anstatt so schnell wie möglich
nachhause zu eilen, blieben wir immer und immer
wieder stehen, um uns am wunderbarschönen Anblick
der heiligen Stadt bei Sonnenuntergang zu erlaben.
Mein Auge suchte dabei meist den Tempelplatz. Was
hatte er von seiner stolzen Höhe aus nicht alles sehen
dürfen; aber auch nicht alles sehen müssen! Seine
zwei Moscheen, von denen die eine genau auf der
Stelle des alten salomonischen Tempel steht, redeten
eine so traurige ernste Sprache.
Was ich dort gesehen und den Eindruck, den ich
von da mitgenommen habe, sowie von all' dem
Uebrigen, was meine Augen in Jerusalem, Bethlehem,
Emmaus, Mizpa, Hebron, Jericho und am Jordan
und toten Meere schauen durften, ein andermal.
Heute nur noch ein herzliches Gottbefohlen und
die innige Bitte, mit Nachsicht das euch hier Auf⸗
zezeichnete zu beurteilen. Mit vielen Unterbrechungen
und meist in größter Eile habe ich es niedergeschrieben.
Eure H....- (Fortsetzung folgt.)
Die Notlage der Rheinischen Misston.
Die Deputation der Rheinischen Missions-Gesellschaft
erläßt darüber folgenden Aufruf:
Wir sehen uns leider genötigt, allen unseren Freunden
die sehr bedenkliche Lage bekannt zu geben, in welcher
ich unsere Rheinische Mission augenblicklich befindet.
Wir haben unsere letzte Jahresrechnung mit einem
Besamtdefizit von 146820 Mark abschließen müssen:
39000 Mark davon stammen noch aus dem Jahre
1899, das übrige ist im letzten Jahre dazu gekommen,
da unseren Ausgaben von 783052 Mark nur eine
Finnahme von 674950 Mark gegenüberstand.
Daß unsere Ausgaben so gewaltig gestiegen sind und
sich in zwölf Jahren gerade verdoppelt haben, sollte
ans eigentlich ein Gegenstand der Freude sein, denn
das bezeugt im Grunde nichts anderes, als das herrliche
Wachstum unserer ganzen Arbeit, die der Herr in
Sumatra, Nias und im Hererolande so außergewöhnlich
zesegnet hat. Wir brauchen uns über jene Verdoppelung
unserer Ausgaben nicht zu verwundern, wenn wir
dagegen halten, daß auch die Zahl unserer Missionare
in der gleichen Zeit von 78 auf 147 gestiegen ist und
iich die Zahl unserer Christen von 35700 auf über
32000 vermehrt, also mehr als verdoppelt hat. Es
jat nun aber offenbar das Wachstum in den Leistungen
anserer Freundeskreise mit jenem Wachstum in unserer
Arbeit nicht ganz gleichen Schritt gehalten. Wir wissen
ehr wohl, daß dabei noch andere für uns ungünstige
Umstände, namentlich dies mitgewirkt hat, daß die
Opferwilligkeit der Christenleute in unseren Tagen
nach so vielen Seiten hin überall in Anspruch genommen
wird.
Es bleibt uns nun aber nichts anderes übrig, als
ans an unseren ganzen Freundeskreis zu wenden, als
deren ausführendes Organ wir uns ja nur ansehen,
und sie alle zu fragen, ob sie uns helfen wollen, daß
wir in unserer vom Herrn so sichtlich gesegneten
Arbeit unentwegt voran machen, in alle die Thüren,
die der Herr uns so wunderbar aufthut, eindringen
und die vor uns stehende Ernte auch unverkürzt ein—
bringen können, oder ob wir uns zurückhalten und die
dringlichen Rufe um das Evangelium unbeachtet lassen,
die zur Aussendung bereit stehenden jungen Brüder
tatt in unsere Mission, wo sich überall die Arme nach
ihnen ausstrecken, anderswohin gehen lassen sollen.
Wer das nicht will, und wer außerdem ein Gefühl
davon hat, daß wir für die ganz wunderbare gnädige
Bewahrung unserer Geschwister in China während
der Wirren des letzten Jahres wohl dem Herrn ein
besonderes Dankopfer schuldig wären, der helfe uns,
daß wir diese Sorgenlast recht bald vom Herzen be—
kommen. Denn wenn sich die Deckung des Ofefizits
durch das ganze Jahr hindurch zieht, dann worden