Als er immer häufiger kam und immer höhere
Prozente bot, wurde es selbst dem Ferkelstecher zu arg.
„Mann“, herrschte er den Baner eines Tages an,
„ist darin noch Siun und Verstand? Gtaubt Ihr denn,
daß im nächsten Jahr auf Eurem Mist Gold statt
Kartoffeln wachsen wird? Ja, wenn wenigstens Eure
Felder von Mist noch etwas ordentliches zu spüren be—
kämen, — aber bei der Lotterwirtschaft wächst nächstens
auf Eurem ganzen Gute kein Halm Hafer mehr! Weun
ich wollte, könnte ich Euch heut schon die Schlinge über
dem Kopfe zusammenziehen! Rafft Euch, rafft Euch,
und zwar schnell, hört Ihr? -, sonst wirds Ernst, und
ich treibe Euch mit Weib und Kind von Haus und
Hof. Ihr erhaltet keinen Groschen mehr von mir!“
Das waren bittere Worte für den stolzen Bauer.
Fast wäre er aufgebraust, aber dazu war hier gar nicht
der Ort. Der Mann, der so zu ihm sprach, gebot über
glühende Zangen, und wenn es dem beliebte, ihn damit
anzufassen, so mußte er einfach stillhalten.
Deshalb hieß es, gute freundliche Miene zum bösen
Spiel machen. Die Gemeindesteuern waren wieder fältig;
moörgen kam der Schulze, um sie einzufordern, — schreck—
lich, wenn Jürgen Buchholz hätte gestehen müssen: „Ich
habe nichts!“ Der „kahle Kerl“ wäre fertig gewesen.
Jürgen verlegte sich anfs Bitten und machte alle
möglichen Versprechungen, bis ihm sein bisheriger Heifer
zornig eine Hand voll Thaler hinwarf, indem er bei
aͤllen höllischen Geistern schwur, das sei das Allerletzte,
und wehe dem verlotterten Bauern, wenn er sich bei
iim noch einmal sehen ließe anders, als mit einer an—
sehnlichen Abschlagszahlung!
Der Bauer ging diesmal nicht ins Wirtshaus. Er
brauchte morgen jeden Groschen, um den Schulzen zu
befriedigen. Dafür aber schwoll auf dem Heimwege
sein Unmut zu einer Höhe an, welche derselbe bisher
noch nicht erreicht hatte, und allerlei schwarze Gedanken
durchwühlten sein Gehirn.
Auch in den nächsten Tagen hielt diese Stimmung
an, ja sie steigerte sich noch, und Zornausbruch folgte
auf Zornausbruch aus den geringfügigsten Veranlassun—
gen. Selbst der herben Ursel und dem dreisten Robert,
dem doch Scheltworte, Püfse und Schläge nichts neues
waren, wollte es unheimlich werden.
Zu allem Unglück kam noch ein sehr wortreicher
Holz- und Rohrhändler auf den Hof und wollte mit
dem Bauern durchaus ein Geschäft machen. Er setzte
demselben, auf die versackten Ställe und Scheunen mit
den eingesunkenen Dächern hinweisend, in strömender
Rede auseinander, hier müsse etwas ordentliches ge—
schehen und zwar bald. Gerade jetzt sei das Holz enorm
gesunken, und das Dachrohr könne er für den halben
Preis geben. Der Bauer solle nur einmal anf die
Lippen beißen und einen Griff in den Geldbeutel thun.
„Seid klug, Bauer,“ hatte er unermüdlich wiederholt,
„baut, baut, sonst kündigt Euch die Fenerversicherung
am Ende noch die Police!“
Jürgen wußte den Auseinandersetzungen des Schwätzers
nichts entgegenzustellen. Der Mann hatte ja durchaus
recht. Um ihn loszuwerden, wies er ihn endlich grob
vom Hofe. Der Haͤndler machte ein ganz verblüfftes
Gesicht und ging. Im Kretscham erfuhr er freilich, daß
er an einem Baume gerüttelt habe, von dem nichts
mehr abzuschütteln war.
Ju Jürgen tobte es immer ärger. Er sah nirgends
mehr einen Ausweg. Die Feuerversicherung — ja, in
einigen Monaten sollte die Police erneuert werden! Der
Agent war ihm wenig gewogen. Wenn der die Glocke
zog, wenn die Gesellschaft erklärte, solch zerfallene Ge—
bäude künftig nicht mehr versichern zu wollen — was
dann?
Jürgen sprach, um sein Herz zu erleichtern, öfters
halblaut vor sich hin. Auch in Gegenwart seiner Familie
wurde er redseliger. Er schalt und fluchte auf die
schlechten Zeiten, auf die schlechten Menschen, auf Hals—
abschneider und Feuerversicherungen.
Dann kachte er dazwischen hell auf: das werde sich
schön ausnehmen, wenn nächstens Großbauer Jürgen
Buchholz nebst Familie, den Bettelsack auf dem Rücken,
im Lande umherzöge und vor den Thüren der Leute
um ein Stück Brot bäte! Robert würde gewiß bald
einen richtigen Vagabunden abgeben, und Liese könne
ja schön singen, das hülfe auch ein bischen. Nur Frau
Ursel werde dies neue Geschäft einigermaßen sonderbar
vorkommen, zumal wenn sie nicht schon um 8 Uhr in
ihr dickes Federbett kriechen könne, sondern in zeinem
Stalle auf Stroh oder hinter einem Backofen Nacht—
quartier machen müsse.
Bei solchen Herzeusergüssen entfuhr ihm mehrmals
das Wori: wenn doch Eiuer so verflucht gescheit wäre,
ihm gelegentlich den roten Hahn aufs Dach zu setzen,
daun müfse ihm die Feuerversicherung eine grausam
zroße Summe auszahlen, er könne sich einen nenen Hof
aufbauen — und ihm sei noch einmal gründlich gehot—
sen! Schade, daß man lange nichts von Zigeunern ge—
sehen und gehört habe, dergleichen Leute thäten Einem
manchmal einen solchen, Gefallen, besonders wenn man
iie recht scharf mit den Hunden vom Hofe hetze. —
(Fortsetzung folgt.)
Weclche Rflichten
legen uns unsere Kolonieen aus?
Mach der aleichnamigen Schrift von Dr. Warneck.)
J. Eine vollendete Thatjache.
Vor etwa 10 Jahren erschien ein Buch mit dem
Titel: „Braucht Deutschland Kolonieen?“ Heute wäre es
nicht mehr möglich, solch ein Buch zu schreiben. Deutsch—
land hat jetzt K,hhonieen. Aus der Frage ist eine
vollendete Thatsache geworden. Wie sehr auch
England im Anfang verstimmt sein moöchte, wieviel
Gegner die Sache auch anfangs bei uns haben mochte
— Thatsachen sind ein schweres Ding, lantet ein engli—
sches Sprüchwort. Für England war es verwunderlich,
auf einmal in Deutschland einen Nebenbuhler im über—
seeischen Besitz gefunden zu haben. Man begreift, daß
diese Konkurrenz den Vettern jenseits des Kanals nicht
angenehm sein konnte. Allein sie müssen sich in die
Thatsache fügen, zumal da Deutschlands Kanzler in allen
diesen Dingen offen und ehrlich gehandelt und die eng—
lische Regierung keineswegs überrumpelt hat. Ebenso
müssen auch jetzt die einheimischen Gegner, deren Be—
denken wir nicht tadeln wollen, sich in das Unabänder—
liche fügen und mit Hand antegen, damit ihre Be—
fürchtungen sich nicht erfüllen. Aber anch die Freunde
der Kolonieen, deren Begeisterung bei dem raschen
Fortschritt erklärlich ist, dürfen sich nicht in Träume
wiegen. Unser ganzes Volk darf nicht übertriebene
Hoffnungen hegen und die thatsfächlichen Schwieriqa—