RX*
⸗
—
r
E
Whehr No— —
W.
4
»8
1715 Postverzeichnis. Dreizehnter Jahrgang. — Preis pro Quartal 50 4. Ins.Gebühr oro 3spaltige Zeile 20 4. Auflage 4800.
4ß 12. Neumnkirchen, 532 den 21. März 1886.
— Bum 22. WMärz 1886. —
Neun und achtzig reiche Jahre,
Reich an Sonnenschein und Staärmen,
Reich an Frühlingssaat und Erute,
meich an Segen und Beschirmen.
Reun sund achtzig Gnadenjahre,
Welche köstlich find gewesen;
RNeich aun Kämpfen, Müh' und Lirbeit,
Reich an Ehren auserlkesen,
Zie Gefangennehmung Jesu.
Matth. 26. 47 56.
Das für Gestalten, die da in Gethsemane im un—
—— Schein der Lampen und Fackeln her—
vortauchen! Schwerter blitzen und Harnische
glänzen — als ob er ein Mörder wäre, der
seine Freiheit und sein Leben bis aufs äußerste verteidi—
gen wollte, und verzweifelte Menschen seine armen
Jünger, — so sind sie ausgezogen gegen ihn, rohe
Kriegsleute, haßerfüllte Pharisäer, hohnlachende Diener.
Und an ihrer Spitze der Mann mit dem unstäten Auge,
der zuckenden Hand, der zwölfe einer, Judas der Ver—
räter, der das Zeichen der Liebe und des Vertrauens
entweiht, ihn zu verraten, der verlorene Jünger, vor
dessen Thun ein Gefühl des Abscheus und der Ver—
achtung gewiß jetzt selbst in den Herzen derer lebendig
ist, denen er dient. Denn allerwärts, wo man den
Verrat braucht, haßt man den Verräter. Und selbst
unter den elfen zagende Furcht, kleinmütiges Bangen:
sie verließen ihn alle und flohen, und er tritt die Kelter
des Zorns allein, und niemand ist mit ihm. Oder
fleischlicher Eifer, irdisches Ungestüm, fündiger Zorn:
Das Schwert des Petrus ist schnell aus der Scheide,
und Barmherzigkeit des Herrn ist es, daß sich nicht an
ihm das Wort erfüllt: Wer das Schwert nimmt. der
soll durchs Schwert umkommen.
Dunkle Stunde! Siehe, wie brechen die Wogen der
Sünde herein über den Heiligen Gottes. Wie ist er
umgeben von lauter Menschen, die des Bösen Diener
und der Sünde Knechte sind! Am Kreuze doch, da ist
Johannes mit seiner nachfolgenden Liebe, da ist der
Schächer mit seinem erwachenden Glauben, da sind die
Frauen mit ihren Thränen — hier ist keine einzige
Lichtgestalt außer ihm. Er freilich immer noch die alte,
suchende Hirtenliebe, die alles glaubt, nur das nicht.
Schwanden Dir, geliebter Kaiser,
Wie die Welle folgt der Welle.
Ward das teure Haupt auch greiser,
In dem Aug' glänzt Jugeundhelle.
Glanz' es Deinem Volk nwoch lange!
Ja, Dein Gott kann wohl verjüngen.
Srum mit Dant und Juvel? laͤnge
Ihm wir heute Psalmen siugen!
daß ein Menschenherz sich ihr ganz verschließen kann:
Judas, verrätst du des Menschen Sohn mit einem
Kuß? Immer noch die alte, stille Sanftmut, die nicht
wieder schalt, da sie gescholten ward, nicht dräͤnete, da
fie litt: Bin ich doch taͤglich gesessen bei euch und habe
gelehret im Tempel, und ihr habt mich nicht gegriffen.
Roch immer der helfende, treue Wunderarzt, der auch
hier heilt, was verwundet ist, — der Gottessohn, der
sich eins weiß mit seinem Vater und ihn bitten könnte,
wenn er wollte, um mehr denn zwölf Legionen Engel.
O, ich denke an uns, ihr Gotteskinder, wie schnell wir
der Versuche müde werden, Menschenherzen dem Herrn
und seiner Liebe zu gewinnen, wie schrecklich schnell wir
fertig sind mit unserm Hoffen auf der Verirrten Be—
kehrung; ich denke an unsere Ungeduld und Bitterkeit,
wenn uns Unrecht widerfährt und böses angethan wird,
an unsern schnell erschütterten, leicht zerbrechenden Glauben
an Gottes treue Liebe, wenn er hinter den Wolken der
Heimsuchung sein väterlich Angeficht verbirgt. Laßt
uns aufschauen auf Jesum, den Anfänger und Vollender
des Glaubens, hinschauen auf diese seine heiligen Fuß—
stapfen, daß wir nachfolgen lernen seinem Vorbilde.
Das wäre ein Segen schon, der aus dieser dunkeln
Stunde über uns käme, wenn wir von dem, welchen
unsere Seele liebt, Geduld lernten und Sanitmut. Er
gebung und Glaubensstille.
Aber einer nur — denn es sind doch noch andere
Lichtgestalten da, als der Herr allein. Jene dort zwar
sehen sie nicht: Die Einwohner Bethlehems haben die
leuchtende Engelschar auf dem Felde auch nicht gesehen,
vor deren Licht und Lied der Hirten Herz in Sprungen
ging. Aber dem Glauben thut der Herr das Auge
auf: Das ist alles geschehen, auf daß erfüllet würden
die Schriften der Propheten. Siehe, da stehen sie un—
sichtbar, die Verkündiger und Deuter dieser dunkeln
Stunde. Da höre Jesaias: Die Strafe liegt aui