Full text: Evangelisches Wochenblatt (13.1886)

Pfarrer Heusler, der im Namen der Stadtmission redete, dem 
Haum, gepflanzt an Wasserbächen, der seine Frucht bringet zu 
seiner Zeit. Der Verstorbene aber betonte es am Ende fseines 
Lebens, daß alle seine Arbeit keinen Wert habe, wenn er nicht 
persönlich die Gnade seines Heilandes ergreije. Ten Leichentert 
hat er sich noch selbst bestimmt, das Wort des bußfertigen 
Schächers: „Herr, gedenke an mich. wenn du in dein Rieich 
komnist.“ 
— (Ein barmherziger Polizeileutnant.) Vor dem 
Bolizeileutnant eines der nördlichen Reviere in Berlin erschien 
türzlich eine ältliche Schlesserswitwe mit einer durch Sünde her— 
untergekommenen armen Person, die ein in ein Frauenhemd ge 
hüllteßs Kind auf dem Arige hatte. Sie forderte den Polizei« 
leutnaut auf, diese „Spitzbübin“ zu bestrafen, die ihr auf dem 
Hausgang ein altes Henid genommen und ihr Kind in dasselbe 
eingewichelt habe. Der Polizeileuinaut aber hatte unter der 
Unifsorm ein barmherziges Christenherz und erklirte der auf— 
geregten Klägerin: „Bestohlen hat diese arme Person freilich. 
aber sie nahnm das Hemd bloß, um ihr armes frierendes Wirm— 
chen einzuhüllen. TDa wäre es doch wohl richtizer, wenn Sie, 
liebe Frau, als Christin diese Arme in Ihre Stuve nebmen, ihr 
und ihrent Kind zu essen geben und lieberoll und ernst mit ihr 
reden würden, statt auf ihre Bestrafung auzutragen.“ Diese 
Worte wirlklten. Als jeßt vorschriftsgemäüß das Protokoll aufse— 
nommen werden sollte. sagte die Klägerin: „Lassen Sie man 
das, Herr Hauptmann!“, faßte die schluchzende Unglüdliche am 
Arm und ging mit den Worten: „konim mit!“ vir Thitre hinaus! 
Das unerwartet schnelle Eindringen europälscher Zivpili 
sation in Japan während der letzten Jahre dürfte wohi ver 
einzelt in der Volkergeschichte dastehen und verdient besondere 
VBeachtung. Als Teutschlaud i. J. 1883 den vierhundertjährigen 
Geburtszag Luthers seierte, dildeie sich, auf Auregung eines 
Engländers, zu Ehren dieses Gedenktages in Japan ein Bund. 
der sich den vielderheißenden Titel „Freunde der Bibel“ gab, 
Heute zählen schon sast 33500 Japanesen zu dem Verein, und 
bereits in 200 Städte und Torfer über das ganze Konigreich 
hat er sich verzweigt. Wiederholt abgehaltene Zusammenkünfte 
wurden schon von Tausenden besucht. Zur eigentlichen Aufnahme 
in den Bind gehört das Versprechen, käglich mit Gebet in der 
Bibel nach bestimmt vorgeschriebenen Lektiduen zu lesen. Da 
erst ein kleiner Teil des alten Testamentes in die japanesische 
Sprache übersetzt ist, beschränken sich diese Lese-Abschnitte meist 
nur auf das neue Testament. Aber seit der kurzen Zeit seines 
Bestehens hat der Bund schon eine erstaunliche Anzahl von 
Traktaten und Erbauungsbüchern, die in England — 
sind, verbreitet. Der Wunsch nach einer Taschen Äusgabe des 
neuen Testamentes wurde laut, und nachdem manche Schwierig— 
keit beseitigt und der Druck vollendet war, fand das sehr biilig 
hergestellte neue Testament einen so überraschenden Absatz, daß 
es gewiß nun auch in die Hände von Veitten konimt, denen es 
sonst unerreichbar gewesen. Von den 3tHu) Mitgliedern des Bun— 
des mögen vielleicht nur ein Drittel erklärte Christen sein, und 
kaum die Hälfte erhielt eine andere Unterweisung in der Heilslehre, 
als nur durch die Bibel, denn es ist bemerkenswert, daß Leute sich 
zu den „Freunden“ rechnen, die in den entlegenen Törfern verstreut 
sind, wo noch nie das Evangelium gepredigt ist. In Korea, 
China, den vereinigten Staaten, ja sogar unter den in Berlin 
und London wohnenden Japanesen finden sich solche, die in der 
VBibel nach den für jeden Tag vorgesehenen Leklionen lesen. 
Wenn es auch schwer ist, die Zahl der direkt durch den „Bund“ 
Bekehrten anzugeben, so erfahren doch die Leiter desselben genng 
von enge stillen Einfluß unter dem Volk, um mit stets neuem 
Dan und neuer Freudigkeit weiter zu arbeiten. Dazu kommt, 
daß die Japanesen erkannt, haben, daß der Grundpfeiler der 
divilisation des Westens, die sie so begierig sind auch in ihr 
Land zu übertragen, das Christentum ist. Die im vergangenen 
Jahre erfolgte Emführung der englischen Sprache in die von 
der Regierung geleiteten Schulen, Mad die Tosicht, anstelle des 
so schwierigen chinesischen und japanischen Alphabets englische 
Schrijtzeichen zu sehen, wird es möglich machen. der Bibel eine 
noch weit aroßere Rerhreitung zu sichern. 
— (Zum Nachdenken.) Es gibt Leute, die leben nicht 
als Menschen, viel weniger als Christen, sondern wie die Tiere, 
welche leben und wissen nicht, daß sie leben. Etliche leben wie 
die Schwalben, welche den ganzen Tag in der Luft hin und 
her streichen, und nichts thun, als daß sie etwas schwirren, einige 
PMürcken fangen und etwa ein Nest aus Erde hinterlassen. Etliche 
leben wie die Pfauen, die sich nur schmücken, brüsten und 
prangen. Etliche wie die unreinen Tiere, die ihre VLust am 
Fressen und ihre Freude im Schmußz suchen. Etliche wie Löwen, 
Bären und Wölfe, die nur rauben. würgen und Schaden 
hun. Etliche wie die Spinnen, die zwar einen sehr feinen 
Faden machen und ein künstliches Gewebe bereiten, das aber zu 
nichts nütze ist, als Fliegen und Miiccen zu fangen. Eiliche wie 
die Maniwürfe, die nur in der Erde wühlen, ihre Haufen 
hie und da aufwersen und das Sonnenlicht nicht achten. Etliche 
wie die Pierde, Ochsen und Esel, die sich immer treiben 
und zur schweren Arbeit gebrauchen lafsen, wenn sie aber dabei 
ihr Futter, Hafer, Heu und Stroh haben, sich um nichts weiter 
bekünmmern. Etliche, ob sie wohl alt genug sind, leben immer 
hin, wie die Kinder, welche ihre Zeit hinbringen mit Eisen, 
Trinken, Spielen und Schlafen. Leben heißet nicht: sich 
plagen, Stets sich mühen, sorgen, klagen, seufzen aus bedrängter 
Vruͤst; Leben heißet nicht: genießen Freuden, die so schnell 
vertließen, wie der Erde eitle Lust. Leben heißt: dem ewgen 
Frieden unter allem Sturm hienieden sieasgewiß entgegen gehn: 
Glauben heißt es, lieben, haffen, über sich den Hinmel omen 
und den Tot gelötet sehn. 
Ein evaugelisch gewordener Mönch, 
Dominiko Paoli, ist kürzlich auf dem protestantischen Kirchhofe 
in Nom unter großer Teilnahme bestattet worden. Früher ß 
Priester schon in angesehene Stellung gelangt, erkannte er die 
Irrtümer seiner Kirche und das lautere Erenzelium. Um sei— 
nen Glauben frei bekennen zu dürfen, gab er seine Stellung 
preis, wanderte nach Amerika aus und verdiente fich sein Brot 
als Uhrmacher. Im Alter wurde er schlagflüssig und perdienst⸗ 
los und kehrte daher nach Rom zurück. Kümmäerlich fristete er 
nun sein Leben, aber verschmähte energisch das Anerbieten, ihn 
in ein Kloster aufzunehmen. Ueberhaupt nahm er von nieman— 
dem Unterstützungen an, bis ihn seine Krankheit ganz aus Bett 
fesselte. Er war ein Märtyrer seiner Ueberzeugung. „Wenn 
er Christum auch nicht verküncit hat durchs Wort. so hat er 
es doch gethan durch sein Leben.“ 
— (Von einem Buürgermeister) in Baiern wird ein 
schönes Stücklein erzählt. Er bekam unlängst im Gasthaus ein 
Bierseidel mit einem unsittlichen Bilde. Sofort rief er den Wirt 
heebei und sprach: „Hör einmal! Wenn dir jemand deine Pierde 
im Stalle vergiftet, was würdest du dem anthun?“ Der Wirt 
sagte: „Ich möchte ihn wie einen Hund totschlagen.“ Darauf 
erwiderte der Bürgermeister: „Nun sieh, du hast Kinder im 
Haus, und andere Kinder kommen zu dir; ich frage jetzt, was 
oll man aber mit jeunem Mann aufangen, der das Herz der 
dinder durch den Anblick solcher anstößigen Bilder vergiftet? 
Bedenks einmal! Und ich sag dir, so lange du solche Krüglein 
im Hause hast, komme ich nicht mehr zu dir!“ Der Wirt, ein 
verständiger Mann, sagte: „An diese neue Giftmischerei dachte 
ich nicht, allein du sollst sehen!“ — Er ging, suchte die Krüglein 
zusammen und am nächsten Sonntag waren die Bilder sänitlich 
verschwunden. — Ob nicht noch auf manchem Birtshaus in ein 
Ziündenhoann haffet? 
vellalender. 
Fpang.: Math. 4, 14 Epist.: 2. Cor. 6, 1-210 
NMorgens. nends. 
Sonntag, 'Mär— Psalm 30. 
Montag, oh. Il, 47- ñ̃. 
dicneiag „12 1-161. 
Pittwoch, „13, 12410. 
Donuerstc. „132, 20-36. 
Freitag, . . — 12 37-0. 
Semstan , Vsalm 130 49-6. Psalm 13. 
— ——— — —— ÿÿ — — — 
ottes dienste. Ebert. 103. Uhr: Pfr. Wagner. 112). Div.Pfr. Hoffmann. 3Uhr: Sup. Klein. 
Zaadenn 14 nt 1886: Uhr Geichte und Abendmahl): Pfr. Wagnet. Elmiswache he VDr. Schumann.) 
(Kolleͤe sineg 17 5 Dudweiler. 29 Uhr: Pir. Lichnock. Neunkirchen. Dienstag, den 16. März, 
e für die Rhein.—Westf. Pastoral- 10 ũhr: Pfre Troinmers hausen. — Scheidt. abends 8 Uhr, Paffions⸗Undacht im Vereins 
Hülfs⸗Gesellschaft.) i/22Uhr: Pfr. Trommershausen. — Elvers-haus: Pfr. Riehn. 
Saarbrücken. Schloßkirche 9 Uhr; Pfreberg. 10 Uhr. — Neunkirchen. Untere Elversberg. Donnerstag, den 18. März, 
Fenner. Schloßlirche 10 Uhr: Pfr. Engel. Kirche 10 Uhr: Predigt: Pfr. v. Scheven; 6!/2 Uhr abends: Passions-Andacht. 
Schloßkirche 2 Uhr: Pfr. Ziwolss. — deee Generalsuperintendent Dr. Baur. Ottweiler. Freitag, 19. März, — Uhr 
Johann. 10 Uhr: Pfr. Dörmer. 2 Utzr: Untere Kirche 6 Uhr: Pfr. Riehn. — Welles⸗ abends Passions⸗Gottesdienst): berpfr. 
Pir. Ilse. — St. Arunal. 2ühr. — Bü weiler. Wühr:; F. Riehn. — Ottweiler. Zickwolff. 
dingen. 10 Uhr. — vrebach. 1dmu0 Uhr: 10 ühr: Oberpfr. Zickwolif. “a2 Uhr: Pfr Trier. Am 17. März, 6 Uhr (Passions- 
Pfr. Fenner. Sulabach. 9 br Gülisbr Simeg 16 ür Abnaßl vpredian DPie Sofmnamnn 
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