Full text: Evangelisches Wochenblatt (13.1886)

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1715 Postber zeichnis. Dreizehnter Jahrgang. — Preis pro Quartal 50 4. Ins.Gebühr pro 3spaltige Zeile WMea. Auflage 4800. 
IIIL. Neunkirchen, I den 14. März ISSG. 
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Gethsemane. — 
Matthäus 26, 30-45 
sier erste Sonntag in der heiligen Passionszeit! 
Anhebt wiederum die Wallfahrt der Christenheit 
zu den Stätten, aus deren blutgetränttem Boden 
der Fruchtbaum des ewigen Lebens erwächst, wieder 
herauf aus der Vergangenheit steigen die Bilder vom 
Leiden und Sterben des Gottessohnes. Bereite dich, 
mein Herz, wir gehen im Geist hinauf nach Golgatha. 
Zwei Begleiter sollen uns folgen: un sere Sünde und 
seine Gnade, — und wenn wir stillstehen an all den 
Zeichen der Versöhnung, die da geschehen, so lege fich 
uͤber uns die Wolke des Segens, die auf der Stistshütte 
lag, und du, o Herr, zeige uns an heiliger Glut der 
Liebe, an neuer Stärke des Glaubens, daß du mit 
uns bist! 
Es rauschen die Palmen Gethsemanes im Abend— 
dunkel. Und dort, von Finsternis eingehüllt, im Staube 
liegend — sieh ihn, o Mensch, den Gotteskämpfer, den 
Gotteshelden! Er betet, — ach, nicht mehr wie einst: 
Vater, ich danke dir, daß du mich allezeit erhörest, — 
nicht mehr, wie damals, da er antwortete: Ich preise 
dich, daß du solches den Weisen und Klugen verborgen 
hast und hast es den Unmündigen offenbart — bange 
klingt sein Wort, und gepreßt ist sein Ton. Vater, 
isis möglich, so gehe dieser Kelch von mir: doch nicht, 
wie ich will, sondern wie du willst! — Da sind seine 
Jünger. Ach, auch nicht mehr wie auf dem Berge der 
Verklaͤrung: Meister, hier ists gut sein, hier laß uns 
Hütten bauen, — nicht mehr im Feuer der Begeisterung: 
Und wenn ich mit dir sterben müßte, so will ich dich 
nicht verleugnen — gefangen in den Banden der Er— 
mattung; die ihrem Herrn ein Trost sein sollten in der 
Verlassenheit, schlafen und ruhen. Mag ihr Geist willig 
gewesen sein, ihr Fleisch ist matt. 
O lieber Christ, kennst du den Kelch, den er dort 
an die Lippen setzt? Siehe, das ist Gottes Lamm, wel— 
ches der Welt Suͤnde trägt; es hebt an furchtbar und 
schwer, das Versöhnungsleiden des Herrn. Ach, denke 
dabei nicht zu viel an das äußere Kreuz. Dornen, 
Geißel, Nagel schmerzen tief: es sind Märtyrer gewesen, 
die haben dasselbe und mehr erduldet und haben nicht 
gezagt. Denke lieber an das innere Weh, das er trägt, 
von dem Paulus schreibt: Er hat den, der von keiner 
Sünde wußte, für uns zur Sünde gemacht, daß wir in 
ihm würden die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Ja,! 
or war lebenklang der Sündenträger iekt wird er das 
Sündenopfer. Er ist hindurchgegangen durch die Sünde 
des Abfalls und das Leid des Unglaubens, ihn hat ge— 
jammert des Volks, daß es war wie die Schafe, die 
keinen Hirten haben. Mitleid hat er getragen, kräftiges 
Mitleid, das kein Mittel der Rettung unversucht ließ, 
mit den Verlorenen und Verirrten: nun legt die Last 
ihrer Schuld sich auf seine heilige Seele, und der Reine 
fuͤhlt es, was es heißt, daß die Welt unrein ist vor 
den Augen des Richters. Es rauschen die Palmen 
Gethsemanes — verstehst du ihr Lied? Ein Bußlied 
ingen sie, ein Lied der Klage über das Ebenbild Gottes, 
das in die Sünde geraten ist, ein Lied der Klage über 
den Eingeborenen Gottes, der ins Gericht sich stellen 
will, daß die Gerichteten selig werden. 
Ich lebte mit der Welt in Lust und Freuden — 
und du mußt leiden. Unser Pfad ging tiefer und tiefer 
in die Entfremdung von Gott hinein; eine Sünde nach 
der andern, ein Gedanke nach dem andern legte Schuld 
auf unsere Seele, Last auf unser Gewissen — da liegt 
der Gottessohn unter meiner Last und betet unter meiner 
Schuld. Da wird er der Stellvertreter der Menschen— 
welt: so wie er flehen muß, so müssen wir alle flehen. 
So sollte unsere Seele betrübt sein bis in den Tod — 
wehe, daß wir so gesündigt haben! So müssen wir 
ringen unter dem Gefühl, daß das Auge des Herrn ernst 
und strafend sieht auf die, welche böses thun, — in 
dem Bewußtsein, daß er fremd sein will denen, die ihm 
fremd sind. — Vater, ists möglich, so gehe dieser Kelch 
bdon mir! So müssen wir kämpfen, daß wir unsern 
Willen brechen und geben unser Herz in den dunkeln 
Willen seiner Weisheit; so müssen wir streiten, daß wir 
wieder eins werden mit ihm, mit dem wir uneins ge— 
worden sind — dein Wille geschehe und nicht der 
meinige! O Gotteslamm, was preisen wir höher? Deine 
Demut, die sich so tief erniedrigt hat, oder deine Liebe, 
die das alles auf sich nimmt und trägt? Deine Sanft— 
mut, die nur klagt und nicht murrt, oder dein Er— 
barmen, das Erlösung fand und Erldösung gebracht? 
Lasset uns preisen seine Kraft, die überwand. Die 
Palmen Gethsemanes rauschen ein Siegeslied. Getragen 
hat der Herr die Schuld, von unserm verderbten Herzen 
auf sein reines Herz nahm er sie — so sind wir frei. 
Er ist das Lamm Gottes, welches der Welt, welches 
meine Sünde trägt: nun tragen wir keine mehr. Nun 
dürfen wir glauben, wenn das Gewissen uns verdammen, 
die Sünde uns schrecken, die Schuld uns drücken will, 
daß der Strick zerrissen ist und um seinetwillen wir, 
frei und ledig aller Schuld als erlösete Menschen wan—
	        
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