Finzelleben, wie von mächtigen Bewegungen im Leben der Völ—
ker, und jeder neue Zeitabschnitt, den wir beginnen, ist doch
aur erklärlich aus dem, was vor ihm liegt; er reift die Frucht,
die zuvor ausgestreut worden ist, und trägt zugleich neue Samen—
förner in seinem Schoße, die auszureifen der Zukunft überlassen
bleibt: Gott aber ist der Herr der Zeiten und hat es so geord—
net, daß, was der Mensch säet, er auch ernten wird — zu Ihm,
dem Ewigen, soll sich darum vor allem am Jahresanfang Herz
ind Geist emporwenden: Ihm wollen wir firs Große wie
cleine unsere Sachen befehlen und dann getrost sein, daß Er
»s wohl machen wird!
An der Jahreswende aber geziemt sich ein Rückblick und
Umblick. Vieles ließe sich ja da auch aus dem wechselnden
Leben der Völker noch einmal an unserem Geiste vorüberführen,
ßutes und Böses: Könige und Fürsten sind dahin gesunken,
der Würgengel der Eholera hat seine Geißel geschwungen, Krieg
ind Blutvergießen ist viel gewesen, Länder sind zurückgegangen,
Länder in ihrem Wachstum vorgeschritten: aber vor allem
»leibt unser Sinnen und unsere Liebe dem teuern Vaterlande
ind seiner Entwidlung zugewendet, und da solls uns als ein
egenverheißendes Zeichen an der Spitze des neuen Jahres stehen,
daß fast mit dem Anfang desselben das 25jährige Jubi—
läum der Regierung unseres erhabenen Kaisers
usammenfällt. Am 2. Januar 1851 hat er als König von
Breußen den Thron bestiegen und am 3. Januar rüstet sich das
—
elbst als Todestages seines könialichen Bruders nicht gewünscht
at.
Eine dankbarere und zugleich lehrreichere Aufgabe mag es
iber wohl nicht leicht geben, als die, aus diesem Anlaß sich
in das herrliche Lebensbild des Kaisers zu versenken. Ist
er doch jedem Deutschen tief ins Herz gewachsen, lebt er doch
ils der glorreiche Vater des Vaterlandes in aller Munde, dürfen
wir es doch mit voller Gewißheit sagen, daß er in den Tafeln
der Geschichte das Bild eines Karl des Großen überstrahlen
wird, daß einst spätere Geschlechter uns, die wir durch Gottes
Gnade unter seiner Führung so großes erlebt, uns darnm be—
neiden werden! Nur wenige Züge aus dem unerschöpflichen
Reichtum, den des Kaisers e Lebensgang in sich trägt,
können an dieser Stelle herausgeßoben werden, nur dürftige
Umrisse statt eines vollen Bildes.
Das Kind ist der Vater des Mannes, und eine Perle unter
den Worten der h. Schrift sagt uns: Es ist ein köstliches Ding
einem Manne, daß er das Joch in seiner Jugend trage (Klagel.
Jer. 3, 27). Wie sehr hat sich das in unseres Kaisers Jugend
rxfüllt! In schlintmer trüber Zeit wuchs er heran, in einer
Zeit, worin die Besten fast den Mut verloren, wo alles, was
die Monarchie Friedrichs des Großen aufgebaut hatte, zusam—
menbrach, und er war schon alt genug, daß diese Eindrücke voll
und ganz auf ihn wirkten; er erlebte des Vaterlandes Sturz,
der Eltern Flucht, die bittern Thränen der Mutter brannten auf
einem Herzen, er stand am 19. Juli 1810 am Sterbebette der
unvergeßlichen Königin, der Preußens Schmach das Herz ge—
drochen hatte, und jene Stunde stand an demselben 19. Juli
1871 vor seinem Geiste, als er vor dem Aufbruch zum Kriege
betend an dem Grabe der Mutter weilte. Aber auch die ge—
waltige Erhebung seines Volks durfte er schauen, durfte han—
delnd in sie eingreifen, die Schlacht bei Bar-sur-Aube brächte
dem Siebenzehnjährigen das Eiserne Kreuz, und als er im folgen—
den Jahre 1813 konfirmiert ward, da sagte er in seinem Glau—
bensbekenntnisse: „Den Pflichten des Dienstes will ich mit gro—
zer Pünktlichkeit nachkommen und meine Untergebenen zwar mit
Ernst zu ihrer Schuldigkeit anhalten, aber ihnen auch mit freund—
licher Güte begegnen. Jeden Tag will ich mit dem Andenken
an Gott und meine Pflichten beginnen und jeden Abend mich
über die Anwendung des verflossenen Tages prüfen. Mir soli
alles heilig sein, wäs dem Menschen heilig sein muß.“ Liegen
da nicht wie in einem Keim schou alle die Früchte beschlosfen,
die dieser lautere Charakter gezeitigt hat, die Gottesfurcht und
die Wahrhaftigkeit gegen sich selbst. die Demut vor Gott und
die eiserne Pflichttreue, die Milde und Güte, die vom Herzen
kommt und die Herzen gewinnt?
Aus dem Jüngling wird ein Mann, der sich eine Reihe
von Friedensjahren hindurch einer ruhigen Entwicklung seines
Volkes erfreuen darf und der an allem, was dasselbe bewegt,
den vollsten Anteil nimmt, der durch gründliche Studien sich in
den verschiedenen Zweigen des Staatswesens heimisch mächt.
Sein eigentlicher Beruf, den er mit Vorliebe und Neigung er—
zriffen hatte, blieb freilich der des Soldaten. Mit voller Hin—
gebung widmete er sich ihm und stieg darin nach und nach zu
den höchsten Würden empor, ohne doch damals wohl zu ahnen,
welches Lorbeerreis des unbesiegten Feldherrn in den härtesien
Kämpfen um Bestand oder Untergang Preußens in seinem welt⸗
geschichtlichen Beruf einst seine Stirne schmuͤcken sollte. Am II.
zuni 1829 gründete er durch seine Vermählung mit Augusta
‚on Sachsen-Weimar sein eigenes Haus — und welch ein rei—
her Krauz von Kindern, Enkeln, Urenkeln, welch weitverzweig—
er Baum ist aus diesem Grunde emporgewachsen! 18140 ward
er „Prinz von Preußen“ und diesem Priuzen von Preußen war
s einige Jahre darnach, als die wilden Gewässer des Aufruhrs
zerlin und von da aus die größeren Städte des Landes durch—
luteten, noch einmal wie in seinen Jugendtagen vorbehalten,
daß alles um ihn zu wanken, zu een schien, daß die Baude
»er Ordnung sich auflösten in ein trübes Chaos, es war ihm
nersönlich vorbehalten, die Zielscheide der grimmigsten Verfol—
jung zu werden, des bittersten Hasses. während doch in den
zunkeln Jahren 1850 und 1851, als Preußen unter dem habs—
hurgischen Joche durchging, die Hoffnung der Patrioten auf
hu gerichtet blieb. Auch der bittere Kelch des Schmerzes um
irg geliebten Bruders schwermütiges Ende blieb ihm nicht
erspart.
Schon stand der Mann an der Schwelle des Greisen—
hters, des Alters, wo sonst das Bedürfnis nach Ruhe ein—
ritt und die Früchte des vergangenen Tagewerkes eingethan
verden in die Schennen, als ersam'?. Jannar 1861 zum Throne
»erusen ward. Und nun erst begannen sich unter seiner von
naßvollem, aber energischen Geiste und von der Fülle reicher
xxfahrungen getragenen und von Ratgebern, deren Namenin
iller Munde sind, unterstützten Leitung die deutschen Geschicke
n wundersam vorsehungsvoller Weise zu entfalten. Zu leben—
zig sind sie in unser aller Gedächtnis bis zum Kinde hin, dem
ein Lehrer in der Landschule unter des Kaisers Bild von Wil—
selms J. Thaten erzählt, als daß ihrer hier erwähnt zu werden
rauchte. Auch darüber, wie unsäglich schweres ihm am 11.
Ydai und 2. Juni 1878 die Hand wahnwitziger Verbrecher an—
hat, soll der Schleier der Vergessenheit gebreitet werden. Wohl
iber sei nochmals des Jubels einhelliger Begeisterung gedacht,
er am 28. September 1883 durch die deutschen Lande brauste,
ils das einzig schöne Denkmal auf dem Niederwald enthüllt
vard, es sei der von innerstem Herzen kommenden Verehrung
ind Liebe gedacht, mit der der greise Herrscher, wo er sich im
veiten Vaterlande zeigt, begrüßt wird, mit der ihn noch im
derbst 1883 Süddeutschlands Söhne und Töchter empfingen.
Anser Dauk, unsere Liebe und Treue ist das Angebinde, das
wir unserm Kaiser zu seinem Ehrentage weihen, dem Gründer
ind dem starken Horte unseres Reiches, und was er selbst als
zestes seinem Volde an diesem Tage zu bieten vermag, es sei
uusgesprochen in des Dichters Worten;
Vergiß Dich nicht, daß keine Blöße
Entkleide Dich der Herrlichkeit,
Und Du in Deiner Macht und Größe
Erstrahlst bis in die fernste Zeit!
Biet allen Feinden Trutz;
Stell Dich in Gottes Schutz;
Und läßt Du Zucht und Sitte walten,
Läßt edlen Geist sich frei entfalten,
Und förderst Wahrheit, Recht und Licht,
Vergißtder Herrauch Deinernicht.
— Unter strenggläubigen Juden kommt heutzutage noch
vielfach das gleiche widerspruchsvolle Pharisäerwesen vor, das
Fesus einst so schrecklich gebrandmarkt hat, z. B. Matth. 23.
das beweist ein Vorfall, der jüngst in Warschau sich zuge—
ragen hat. Etwa 300 Juden waren in einem gemieteten Saal
»ersammelt, um das große „Versöhnungsfest“ zu begehen. Da
iel eine der großen Wachskerzen um. Alsbald fing das Heu,
nit welchem der Boden der Festsitte gemäß bestreut war, Feuer.
Rleich im Anfaug hätte das Feuer ohne Mühe erstickt werden
önnen, aber niemand versuchte es, weil der Talmud, das
Zatzungsbuch der Juden, streng verbietet, an einem Sabbat
der Feiertag Feuer anzurühren. Alles stürzte sich indessen
lüchtend den Thüren zu, das Gedränge wurde fürchterlich, viele
varen nahe daran, erdrückt zu werden. Da ermannte sich end⸗
ich ein junger Mann, raffte das brennende Heu zusammen und
mter eigener Lebensgefahr gelang es ihm, das Feuer zu er—
ticken. Da kehrten die Kinder Israels in den Sagal zurück
— um ihrem mutigen Retter zu danken? Nein, sie überhäuften
hn mit Vorwürfen und schlossen ihn als einen Abtrünnigen
vom weitern Gottesdienste aus. — Dagegen ließen, wie erzählt
vird, manche dieser satzungseifrigen Juden trotz des Feiertages
aheim in ihren Schänken Spirituosen verkaufen, aber durch
zedungene Christen, die abwechselnd je von einem Familienglied
charf bewacht wurden, damit nichts vom erlisteten Feiertagsprofit
zntrinne. Da wird man wirklich unwillkürlich ans Heilands—
vort vom Mücken seihen und Kameele verschlucken (Matth. 23, 21)
rinnert. — Nach solchen Berichten ist es um so erfreulicher, zu
»ernehmen, daß in gewissen audern Gegenden im Osten unter
den Juden das von Prof. Delitzsch ins Hebräische übersetzte