christlichen Inhalt gab, um diesen so dem Volke näher
zu bringen. So wurde namentlich auch viel von
Berchta, Hulda oder Frigga, doch wohl alles dieselbe
Göttin, auf Maria übertragen. Wie bisher die milde
freundliche Göttin umgezogen war, so zog jetzt Maria
mit dem Christkinde um. Das freundliche, milde Christ—
kind schenkt die Gaben der Weihnacht, und Knecht Ru—
precht und Nikolaus sind seine Begleiter geworden, die
neben der Gabe für die guten Kinder auch Rute und
Stock für die bösen tragen.
Soll uns nun dadurch der Tannenbaum weniger
lieb werden der noch lieber? Ich denke, das letztere.
Unser Christentum müßte sehr engherzig sein und wir
müßten wenig wissen von der weltumfassenden und
weltumwandelnden Krast desselben, wenn uns der Ge—
danke, daß wir hier eine heidnische, christlich umge—
wandelte Sitte haben, gegen dieselbe mißtrauisch oder
ängstlich machen wollte, als ziemte es einem ernsten
Christen nicht, so die Geburt seines Herrn zu feiern.
Im Gegenteil wollen wir uns freuen, daß in unserem
Volke nationales und christliches einen so engen Bund
geschlossen haben. Ich habe selbst dagegen nichts zu
erinnern, daß man neuerdings den Tannenbaum auch
in die Kirche getragen hat, daß er jetzt auf dem Chore
der Kirche steht im Lichterglanz. Mögen viele von den
Armen, die in ihrem Hause keinen Tannenbaum an—
zünden können, ihn da wenigstens sehen, und vieler
Kinder Augen, denen Vater und Mutter keinen Baum
bescheren können, sich des Baumes freuen, den die Kirche
ihnen aufrichtet. Mag er da stehen als ein Zeugnis,
daß unser Volk aus einem heidnischen ein christliches
geworden ist, als eine Mahnung aber auch, das Christen—
tum immer tiefer hineinzuführen in unser Volksleben
und das deutsche immer mehr auch christlich werden zu
lassen.
Nun hat ja auch der Tannenbaum eine ganz andere
Bedeutung bekommen. Seine Lichter reden nicht mehr
bloß von der wiederkehrenden Sonne, und seine grü—
nen Zweige zeugen nicht mehr bloß davon, daß in der
winterlich erstorbenen Natur noch das Leben verborgen
schlummert und bald wieder erwachen wird, sondern von
dem ewigen Licht, das in Christo erschienen, und von
dem ewigen, nimmer welkenden und ersterbenden Leben,
das er gebracht hat. Die Bedeutung des Tannenbaums
in christlichem Sinne kann ja nicht zweifelhaft sein.
Es ist der Baum des Paradieses, der Baum des Lebens
im Paradiese, den der Tannenbaum abbildet. Dahin
deutet auch die weitverbreitete Sitte, daß an den Tan—
nenbaum das Bild Adams und Evas aus Teig ge—
backen gehängt wird, dahin mancher Volksglaube, wie
der, daß in der Weihnachtsnacht der Schnee schmilzt,
die Bäume blühen, die Tiere Sprache gewinnen und
reden können. Das Paradies ist wiedergekehrt, der
Bann der Sünde von der Erde genommen, die Kreatur
wird wieder frei, und der Baum des Lebens steht
wieder da mit seinen Früchten. Mitten im kalten
Winter, im Schnee und Eis ein grünender, strahlender,
mit Früchten und Gaben behangener Baum —, kann
es ein schöneres Bild dessen geben, was der Herr uns
gebracht? Mitten in dieser Welt voll Sünde und Tod,
da es noch winterlich ist und wir des Winters Stürme,
oft genug erfahren müssen, haben wir doch schon neues,
grünendes Leben, Friede und Freude und die Hoffnung,
daß einmal der Schnee schmilzen und der Winter weichen
wird, daß einmal ein schöner, reicher Frühlina kommt.
da das Paradies Gottes, das verlorene und in Christe
neu geschenkte, voll und ganz wiederkehren wird!
(Nach G. Uhlhorn.)
FJrohe Weihnacht allerwärts!
„Heute ist Weihnachtsfreude an allen Orten, sie
weilt in Dorf und Stadt, sie steigt auf die Berge und
rastet auf dem Meere; überall ist sie daheim, wo
Menschen zusammen sind, die ihren Glanz schauen wollen.
Hoch oben im Norden in Norwegen steckt der
Bauer eine Garbe mit dicken goldenen Weizenkörnern
auf eine Stange, damit die armen Vögel im Schnee
und Eis auch wissen, daß Weihnachtszeit ist, und in
Rußland tanzen die Kinder um den brennenden
Baum, singen ihre Weihnachtslieder und jubeln eben—
so laut, wie die Mecklenburger, wenn ein weißes
Packet als,Julklapp?“ durch die Stubenthür fliegt
und seinen Inhalt als Christgeschenk ausschüttet.
Draußen auf dem Weltmeer in enger Kajüte brennt
auch ein Baum, ist es auch nur eine grüne Papier—
pyramide, alt und jung, vornehm und gering drängen
zur Kajütenthür hinein, und deutsche und englische
Weihnachtslieder vereinen sich mit frohem Gläserklang.
Im Gebirge aber, in Tirol, wo die dunklen
Tannenbäume zum Hüttenfenster hineingucken, rüstet
der Grenzaufseher zum ersten Mal ein Tannenbäumlein,
denn Fremde aus Norddeutschland haben ihm Lichter
und Zuckerwerk geschickk und ihm im Sommer klarge—
macht, daß ohne Christbaum nur ein halbes Weihnachts—
fest ist. Draußen dröhnen, nach Landesbrauch, die Fest—
schüsse, mit denen man das „Christkindl anschießt“, und
nebenan zieht die Mutter ihren Mädchen und Buben
warme Kleider an, denn durch die kalte Winternacht
wollen sie auf schmalem Bergpfad über glitzernden
Schnee zum Gotteshaus wandern zur Christmette; der
Knecht mit der Pechfackel steht schon bereit, ihnen zu
leuchten. Kommt die Familie wieder heim, dann soll
der Baum angezündet werden, nicht bloß die Lichter,
die sonst auf dem gabenbesetzten Tische brannten.
In Italien wird Weihnachten in Lust und
Fröhlichkeit gefeiert, in den Kirchen prächtige Gottes—
dienste, selbst Kinder predigen von den Wundern der
Weihnacht, und in den Häusern wohlbesetzte Tafeln
mit lustigen, übermütigen Gästen. In Beihlehem
aber, dort über der Stelle, wo der Weltheiland einst
geboren ist, erhebt sich ein prächtiges Gotteshaus, zahl—
reiche kostbare Ampeln bestrahlen den silbernen, in den
Marmorfußboden eingelassenen Stern, um den in latei—
nischer Sprache das Wunderwort von Christi Geburt
geschrieben steht; die ganze Nacht hindurch beten und
singen die Priester und die Gläubigen an jener heiligen
Stätte; aber draußen in den Gassen von Bethlehem
ists düster, nur wenige Christbäume brennen.
Um rechtes Weihnachtsfeiern zu sehen, soll man
durch de ut sche Städte und Dörfer gehen, da merkl
und spürt man, wie Weihnachten gefeiert werden muß.
Wenn die Dunkelheit kommt, dann wird ein Fenster
nach dem andern hell, die Kirchthüren öffnen sich, und
zwischen den Lärm der Straße tönen aus Kirchen und
Häusern die Weihnachtslieder. Immer heller wird es
in den Gassen, in großen und kleinen Fenstern, immer
weiter schlägt die Weihnachtsfreude ihre Augen auf, und
wer nur recht sehen kann, dem einen sich all die Weih
nachtslichter zur Weihnachtssonne.