Full text: Evangelisches Wochenblatt (13.1886)

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715 Postver zeichnis. Dreizehnter Jahrgang. — Preis pre Quartal 59 4. Ins.Gebühr pro 3spaltige Zeile 20 4. Auflage 5200 
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44 49. Neunkirchen, *33 den 5. Dezember 1886. 
Der Stern aus Jastoß — 
4. Mos. 24, 17: Ich werde ihn sehen, aber 
jetzt nicht; ich werde ihn schauen, aber nicht von 
nahem. Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen 
und ein Szepter aus Israel aufkommen, und wird 
zerschmettern die Fürsten der Moabiter und ver— 
tören alle Kinder Seth. 
ertranen Sie Ihrem Stern, wie wir vertrauen 
auf die beständige Dauer Ihrer Dynastie — so 
rief im Jahr 1840 die französische Kammer 
ihrem damaligen König Ludwig Philipp zu. 
Wir wissen, wie schnell dieser Stern im Jahr 1848 
seinen Glanz verloren hat, und wie wenig heutzutage 
die Franzosen auf eine Herrschaft von Ludwig Philipps 
Nachkommen vertrauen. So geht es mit all diesen 
nenschlichen Sternen, welche im eigenen Lichte glänzen 
nöchten, und denen es eine zeitlang gelingt, daß die 
Augen der Welt auf sie gerichtet sind und in allen 
Zeitungen von ihnen gesprochen wird: ihr Lauf ist ein 
ehr kurzer und sie verschwinden wie Meteore. Es 
ommen wieder andere auf, und an die früheren denkt 
die undankbare Welt nicht mehr; ihr Licht verschwin— 
det, sobald ihr Leib ein Raub des Todes wird 
»der oft noch vorher. Aber ein Stern ist auf— 
gegangen, der nicht wieder erbleicht, ein Szep— 
fer ist aufgekommen, das durch keine Revolution ent— 
vunden werden kann, ein König ist erschienen, der 
»wiglich regiert, und dem alle seine Feinde zum Sche— 
nel seiner Füße gelegt werden. Wir freuen uns in 
dieser Adventszeit aufs neue seiner Ankunft. 
Der merkwürdige Seher Bileam hat schon 1500 
Jahre vorher von diesem Stern aus Jakob weis— 
agen müssen, ohne es zu wollen, ja er hat selbst seine 
Macht schon empfunden, denn um dem Volk Israel zu 
luchen, war er von dem Moabiterkönig Balak bestellt, 
und er hätte trotz besseren Wissens und Gewissens sich 
dazu verstanden, wenn Gott ihm nicht mit mächtiger 
hand gewehrt und seine Worte in Segensworte ver— 
vandelt hätte. Man könnte allerdings unter dem 
Stern aus Jakob zunächst den David verstehen, der 
die Moabiter und die andern benachbarten Heidenvölker 
dem Volk Israel unterworfen hat. Allein wenn sichs 
nur um die äußere Unterwerfung unter Israel han— 
delte, so wäre das Ereignis nicht so groß, daß man 
eine Weissagung Jahrhunderte vorher erwarten dürfte; 
denn bald genug sind die Nachbarvölker äußerlich wie— 
der unabhängig geworden. Ifraels Größe darf nicht 
nit dem Maßstab der Weltmächte gemessen werden 
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das fühlte auch Bileam selbst; die Größe dieses Volks 
lag auch nicht in seiner geistigen Begabung, wiewohl 
dieselbe bis auf den heutigen Tag selbst unter dem 
schwersten Druck sich geltend gemacht hat; Israels 
Größe liegt in seinem Gott, der es er— 
wählt hat zu seinem eigenen Volk und seine ganze 
Herrlichkeit in demselben offenbaren will. Der 
Stern aus Jakob strahlt in göttlichem Licht und 
wird darum nicht untergehen mit den vielen menschlichen 
Größen. Unwiderstehlich wird er über alle Hei— 
denvölker sein Licht ausbreiten, und dem Friedens— 
szepter des verheißenen Königs von Israel wird 
alle Welt noch dienstbar werden. 
Wir freuen uns, daß dieser Stern aufgegangen ist. 
den Bileam nicht von nahem, sondern in ferner 
Zukunft geschaut hat. Wir freuen uns, daß er die 
Jahrhunderte der christlichen Kirche erleuchtet hat wie 
kein anderer Stern in der Weltgeschichte. Aber sieht 
es nicht heutzutage aus, als ob sein Glanz abnähme? 
Millionen wollen nicht mehr in seinem Lichte wandeln 
und heißen sogar sein Licht Finsternis, während sie in 
ihrer Feindschaft gegen ihn die Aufgeklärten sein wollen: 
Millionen wollen vom Szepter dieses Königs sich los 
machen, und es gelingt ihnen, in immer weiteren Krei— 
sen den Glauben an ihn zu erschüttern. Der Einfluß 
des Christentums scheint abzunehmen, und es erwarten 
manche eine Zukunftsreligion, in welcher die Wahrheits— 
elemente aus den verschiedenen Religionen ihren Platz 
haben sollen, wo aber alles geschichtliche preisgegeben 
und als Sage behandelt wird, so daß keine Religion 
mehr auf geschichtliche Thatsachen gebaut wird, sondern 
nur auf Ideen, wo man keine Wunder mehr glauben 
muß, sondern das Naturgesetz anbetet und den Men— 
schengeist als Gottes Geist verehrt. Der Stern aus 
Jakob soll dann wohl noch gelten als Stern erster 
Größe, aber nicht als die Sonne der Gercechtigkeit, die 
alles erleuchtet. Dennoch glauben wir, daß der Stern 
aus Jakob, die Sonne der Gerechtigkeit auch in Zukunft 
alle menschlichen Sterne überstrahlen wird; dennoch 
halten wir daran fest, daß das Szepter dieses Königs 
die Fürsten der Moabiter zerschmettern, alle Feinde 
des Evangeliums, die gebildeten wie die ungebildeten, 
die großen und die kleinen, überwinden wird. 
Der Stern aus Jakob wird seinen Glanz verbreiten 
über alle Welt. Alle Wissenschaft und Kunst, aller 
Reichtum und alle Herrlichkeit, die nicht in seinem 
dichte wandeln will, wird zugrunde gehen, das steh— 
ießfft Aber wandelst auch du in seine—
	        
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