Full text: Evangelisches Wochenblatt (13.1886)

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1715 Postverzeichnis. Dreizehnter Jahrgang. — Preis pro Quartal 50 4. Ins.-Gebühr pro 3spaltige Zeile 20 4. Auflange 5100 
Jaͤ 38. Neunkirchen, *33. den 19. September I G. 
— 
Die häusliche TCiebe. — 
ESchluß.) 
III. 
DSoch ein drittes Verhältnis des häuslichen Lebens, 
A vom Strome der Liebe durchslossen sein 
* muß, bleibt uns übrig zu betrachten, das Ver— 
hältnis zwischen Herrschaft und 
Dienerschaft. Luther in seiner berühmten 
Auslegung der vierten Vaterunserbitte rechnet frommes 
Gesinde und fromme und getreue Oberherren mit zum 
täglichen Brot, und es ist sicherlich wahr, wenn das 
zägliche Brot im Hause schmecken soll, dann muß nicht 
mir das Verhältnis von Gatte und Gattin, von Eltern 
ind Kindern vom Geiste frommer Liebe durchweht sein, 
jondern auch das Verhältnis von Herrschaft und Die— 
nerschaft — das Wort „Dienerschaft“ im allerweitesten 
Sinne genommen, da es auch solche geehrte und zu 
ehrende Hausgenossen umfaßt, die, ohne der Familie 
biutsverwandt zu sein, doch ihr Dienste leisten, sei, es 
an den unsterblichen Seelen der Kinder des Haufes, 
sei es im inneren oder äußeren Haushalt. Aber wahr— 
lich, gerade in diesen Verhältnissen wird von beiden 
Seiten über Mangel an Liebe geklagt mit einer Viel— 
stimmigkeit und Volltönigkeit, die zum Erschrecken ist. 
Die Herren klagen über die Diener und die Diener 
über die Herren, die Frauen klagen über die Mädchen 
und die Mädchen über die Frauen! Wir merken schon, 
wenn irgend ein Verhältnis dringend der Neformation 
aus Gottes Wort bedarf, dann ist es das Verhältnis 
wischen Herrschaft und Dienerschaft. 
Und was ruft Gottes Wort den Dienenden zu? 
„Ihr Knechte,“ heißt es, „seid gehorsam in allen Din— 
gen euren leiblichen Herren, nicht mit Dienst vor Augen, 
als den Menschen zu gefallen, sondern mit Einfältigkeit 
des Herzens und mit Gottesfurcht. Alles, was ihr 
thut, das thut von Herzen, als dem Herrn und nicht 
den Menschen, und wisset, daß ihr von dem Herrn 
empfahen werdet die Vergeltung des Erbes, denn ihr 
dienet dem Herrn Christo. Wer aber Unrecht thut, 
der wird empfahen, was er Unrecht gethan hat, und 
gilt kein Ansehen der Person.“ Es ist die längste Er— 
mahnung in unserem Tert, diese Ermahnung an die 
Dienenden, aber die lange Ermahnung hat einen kurzen 
Sinn: Treibt nicht Herrendienst, sondern treibt Gottes— 
dienst, ihr Dienenden, so werdet ihr Gnade finden vor 
Gott und den Menschen! Daß das Dienen an und 
für sich keine Schande. sondern so aut wie das Bo— 
fehlen eine Ehre ist, das führt der Apostel nicht erst 
zu Gemüte; das muß ja von vornherein für die Chri— 
sten feststehen, die an den Heiland glauben, der nicht 
gekommen ist, daß er sich dienen lasse, sondern daß er 
selbst diene. Seitdem Jesus Christus, der Sohn 
des lebendigen Gottes, sich mit einem Schurz um— 
gürtet und seinen Jüngern die Füße gewaschen hat, 
hat jeder, auch der allergeringste Dienst, eine heilige 
Weihe, einen adligen Charakter empfangen, und es ge— 
hört geradezu in das ABC des Christentums, in das 
Dienen eine Ehre zu setzen. Weil den dienenden Kin— 
dern unserer Tage das Christentum so sehr abhanden 
gekommen ist, darum ist ihnen auch das christliche 
Grundgefühl, daß Dienen eine Ehre ist, so vielfach 
oerloren gegangen, und es wird daher kein Heilmittel 
zegen die Gesindenot verschlagen, wenn man nicht Chri— 
tum wieder unter die Leute bringt; der arme, dienende 
Heiland ist der beste Prediger für Diener und Diene— 
innen. Aber sind nun Diener gläubig an den 
Heiland geworden, dann sollen sies eben treiben, wie 
Paulus im Text lehrt, nicht Herrendienst, sondern 
Hottesdienst. Wer das weiß und bedenkt, daß er in 
eder Aufgabe, in die ihn sein Dienerberuf stellt, eine 
zöttliche Aufgabe hat, wer nicht um des Geldes willen, 
sondern um Gottes willen dient, der wird in Liebe 
dienen. Auch seine bezahlten Dienste werden Liebes— 
dienste sein, denn sie sind Gottesdienste und wo die 
Liebe waltet, da macht sich der Gehorsam und die 
Treue von selbst. 
Es versteht sich von selbst, daß auch die Herrschaften 
Liebe üben sollen gegen die Diener. „Ihr Herreu,“ 
sagt Paulns, „was recht ist und gleich, das beweiset 
den Knechten und wisset, daß ihr auch einen Herrn im 
Himmel habt!“ Täglich etwas freie Zeit muß auch der 
geringste Diener haben, in der er seiner unsterblichen 
Seele und seines barmherzigen Heilandes eingedenk sein 
tann. Recht und gleich ist es, daß auch die Diener— 
schaft am Tage des Herrn Gelegenheit erhalte, den 
Schweiß von der Stirn zu wischen und sich sabbatlich 
zu erquicken. Recht und gleich ist es, daß auch die 
trengsten Befehle menschlich seien, und daß mit Men— 
chenkräften menschlich und nicht maschinenmäßig ge— 
rechnet werde. Recht und gleich ist es, daß die, die 
mit uns dieselbe Luft des Hauses atmen, wie am Leide, 
so auch an der Freude des Hauses ihren Anteil haben. 
Was recht und gleich ist, das ist nicht immer leicht für 
die Herren und die Frauen, aber die Liebe macht auch 
das Schwere leicht und löst auch das Verwickelte
	        
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