Full text: Evangelisches Wochenblatt (13.1886)

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Gemeinschaft. Gottes Segen über ihn und uns! Got— 
tes Gnade walte über der heiligen Missions- und 
Bibelsache hier und aller Orten! 8chg. 
Aus nah und fern. 
—. —., Die Vorgänge, die sich in der verflossenen Woche in 
Bulgarien abgespielt haben, haäben mit derfelben uüͤberraschen— 
den Schnelligkeit gewechselt, wie das auch im letzten serbisch⸗ 
dulgarischen Kriege geschah. Zuerst wurde die Welt imit der 
Nachricht überrascht, daß der Fürst Alexander urplötzlich 
einer Revolution zum Opfer gesallen sei.“ Es hieß, daß die 
berschiedenen Parteien sich dazu verbunden, daß der frühere 
Rußland ganz Kergebene Minister Zankow dem jetzigen, Kara— 
velow,. dazu die Hand gereicht habe. Ueber das Schicksal des 
Firsten selbst herrschte vorerst völliges Dunkel. Das Vulgaren— 
zolk, das dem deutschen Herrscher so viel verdankte, das er zu 
Sieg und naoiaie geführt hatte und aus dem Zustande 
halbzivilisierter Barbaxei heraus zu geordneten polilischen Ver— 
hältnissen zu erziehen sich benmühte, erschien im Lichte des schwär—⸗ 
esten Undankes und es wurden herbe ürteile über dasselbe laut. 
Zudem schien sich eine nicht geringe Gefahr für den europäischen 
Frieden zu erheben und die Frage wurde laut: wird micht aus 
diesen unruhigen kleinen Balkansiaaten neues Unheil ausgestreut 
werden? Wird es England, das diese selbständigen Staaten— 
bildungen als einen Damm gegen das Vordringen des russischen 
Einflusses wesentlich begünstigt hatte, dulden, daß Rußland wie— 
der einen neuen Schritt nach Konstantinopel zu macht⸗ Schon 
zeeilte es sich, zu erklären, daß es aus dieser Enthronung des 
Fürsten Alexander keinen Kriegsfall machen werde. va die 
ieue revolutionäre Regierung die Verbinduͤngen mit der Außen— 
welt abgeschnitten hatte, so drangen nur verworrene und unklare 
Nachrichten durch. Aber ebenso plößtzlich trat ein völliger Um⸗ 
chwung der Lage, eine Gegenrevolution ein, die das ganze 
Gewebe der Verschwörer zerriß. Es stellte sich heraus, daß das 
Volk doch das harte Urteil über feine heimtückische Undankbar— 
eit nicht verdient hatte. Im Mittelpuͤnkte der Verschwörung 
stand jener Zankow mit seinem, unter russischen Einflüffen ste⸗ 
henden Anhang, der sich allerdings auch auf einen Teil der 
Lruppen erstreckte. Auch der bulgarische Metropolit Clement 
hatte sich ihm angeschlossen. Es war ihnen im ersten Augen⸗ 
olicke der Ueberraschung und Verblüffung gelungen, den Schein 
zu erwecken. daß däas ganze Volk hinter ihnen stände, sie breite⸗ 
en eine Flut von Lügen aus und der Fürst selbjst war ur— 
prünglich unter dem ersten niederschmetternden Eindrucke dieser 
großartigen Täuschung entschlossen, den Staub von seinen Fü⸗ 
den zu schütteln und diesem Lande, dem er so viel geopfert, für 
mmer den Rücken zu kehren. Er war in der Nacht in feinem 
Palaste in Sofia von den aufftändischen Offizieren überfallen 
worden, weigerte sich, seine Abdankung unterschreiben, wurde 
unter Todesdrohungen bei Nacht und Nebel zu Wagen an die 
Dongu und auf der Donau zu Schifse abwärts nach der ersten 
zussischen Stadt Reni gebracht, wo ihn die Aufrührer den rus⸗ 
sischen Behörden auslieferten. Auf deren Anfragé erging als— 
hald der kaiserliche Befehl sofortiger Freilassung, denn in der 
That lag ja für eine Verhastung nicht der mindeste Rechtsgrund 
dor. So bestieg er die Eisenbahn mit der Absicht, nach Darm⸗ 
tadt zu seinem Vater zurxückzukehren. Inzwischen hatte sich das 
Blatt gewandt und der Gegenschlag war eingetreten. Der grö— 
ßere Teil der Truppen blieb treu; ihre Fuͤhrer weigerten sich, 
den Eid 8 brechen und sich der neuen Regierung zu unter 
werfen. Sie fand nicht den Boden in der Bevölkerung, den sie 
rwartet haben mochte. Zwar sind deren Sympathieen für das 
sttamm- und glaubensverwandte Rußland und den Zaren-Be— 
freier tief gewurzelt, aber sie war auch nicht gewillt, den ihr 
zleichfalls fympathischen Herrscher, dessen Heldeumut, Thatkraft 
und Umsicht sich im Kriege gegen die Serben im hellsten Lichte 
zezeigt hatten, ohne weiteres preiszugeben. immer hauter 
erscholl der Ruf nach seiner Ruͤckkehr, dringende Bitten. Briefe 
und Abordnungen erreichten ihn und so entschloß er sich, von 
Lemberg aus wieder zurückzukehren. Merkwürdige Schicksals 
vechsel, durch die er in so sugendlichen Jahren schon hindurch⸗ 
Jegangen ist! Er ist ja freilich über den der Entwicklung seiner 
Stellung entgegenstehenden Berg von Schwierigkeiten noch lange 
nicht hinüber, sondern die Befestigung derselben wird von einer 
Aussohnung mit dem russischen Zaren abhängen, zu der einstweilen 
noch nicht viele Aussicht ist. Es ist von der Sendung eines 
Senerals, von Petersburg aus die Rede, der die Lage unter⸗ 
uchen soll, auch wohl von der Möalichkeit einer rustischen Be 
etzung des Landes. 
Die sommerlichen Besuche, die die hohen Heren einander 
abstatten, dauern fort. In Babelsberg ist der König von 
Bortuaal beim Kaifer du Gole gne “ ier itt et 
sich, im Laufe des Monats die Kaisermanöver in den Reichs 
landen abzuhalten, der beste Beweis, wie wohlthätig die Kuren 
in Ems und Gastein auf sein Befinden gewirkt haben. Der 
Reichskanzler ist nach Berlin zurüdgekehrt. Unterwegs 
zatte er in dranzengbad die schon länger in Aussicht genommene 
Begegnung mit dem russischen Minister von Giers, worin 
zine neue Gewähr für die Verständigung der Kaisermächte und 
die Aufrechterhaltung des Friedens erblickt wird. In Ber— 
in werden die ersten Besprechungen der größtenteils dorthin 
»on ihren Urlaubsreisen zurückgekehrten Minister über die 
Reichstagsvorlagen gehalten werden und Fürst Vismardk will 
daun seinen Herbstaufenthalt auf seinem Lieblingsbesitz Varzin 
iehmen. Von inneren Angelegenheiten sind es hauptsächlich 
die polnisschen Verhältnisse, die die Aufmerksamkeit der die 
zierung fortgesetzt in Anspruch nehmen. Vieles ist zu thun, ehe 
nan dort der Unterwühlung der polnisch redenden Bevolkerung 
durch die deutsch-feindlichen Elemente, die so lange ihr 
Werk ungestört im Dunkeln treiben konnten, Herr geworden 
st. Die Ansiedlungskommission ist am Werke, die Neuregelung 
des Schulwesens in Gemäßheit der darüber vom Landtaäge ge· 
jaßten Beschlüsse ist in Angriff genommen. Dazu wird eine 
indere einschneidende Maßregel erwogen, die Teilung der 
Provinz Posen, etwa in der Art, daß der Bezirk Bromberg zu 
Westpreußen geschlagen, der Bezirk Posen aber mit Nieder— 
chlesien zu einer neuen Provinz, vereinigt würde. Bestimmte 
Entscheidungen sind darüber noch nicht getroffen. 
— Am 27. v. Mts., morgens 4 Uhr hat in Herrn Hein- 
cich Wilhelm Klein die evangel. Gemeinde zu Trier ihren 
Pfarrer, die Kreis-Synode Trier ihren Superintendenten nach 
ängerem Leiden im Alter von 64 Jahren 8 Monaten durch den 
Tod verloren. Seit dem 10. November 1861 in Trier hat er 
ich durch eine gesegnete Wirksamkeit in Gemeinde und Synode 
ausgezeichnet. Alle, welche den Entschlafenen gekannt haben, 
werden ihm ein dauerndes liebevolles Andenken bewahren. 
— Colln. Auch unsere Gemeinde hatte in diesem Jahre 
die Freude, ein Missionsfest zu feiern. Die Kirche in Coͤlin 
und der Festsaal in Etzenhofen, beide schön mit Kränzen 
geschmückt, faßten kaum die Menge der ; den Nachbar⸗ 
zemeinden herbeigekommenen Teilnehmer. ie Predigt, welche 
derr Pfarr-⸗Vikar Bauer aus Schwalbach über Malth. 9 37 
ind 38 hielt und die Ansprachen verbreiteten sich über verschie— 
dene Missionsgebiete. Neben der großen Ernte wurde auch die 
roße Not des Heidentums geschildert, welche die geringe Zahl 
der porhandenen Arbeiter schmerzlich bedauern läßt. Mit Nach- 
)ruck wurde die Missionspflicht betont, vor allem die des Ge— 
»ets. In der Nachversammlung wurde durch Pfr. Schimmel— 
ennig zuerst des 21. August gedacht, als des Jahrestages der 
Tsten Missionsaussendung seitens der Brudergemeinde vor 154 
Jahren, was zur Schilderung der besonderen Art und des Erfolgs 
er Brüder-Mission Anlaß gab. Herr Pfr. 8 och wies daraus 
in, daß unserer Zeit das rechte Verständnis für den Missions⸗ 
»efehl Christi aufgegangen sei, das lange Zeit auch den Gläu⸗ 
igen gefehlt habe; daß daher unsere Zeit auch für den gire 
ien Missionszeit sein müsse. Präses teilte das beschämende Bei— 
piel eines Herero⸗Jünglings mit, der den weiten Weg von 
ehn Stunden hin und zurück nicht scheute, um sich vor dem 
ßenusse des hi. Abendmahls mit seinem Vater auszusöhnen. 
derr Pfr. Abegg erzählte von der Sehnsucht eines Hindu⸗ 
Nädchens, welche durch alle Herrlichkeiten dieser Welt nicht ge⸗ 
tillt werden konnte, sondern erst im Evangelium von Christo 
Kuhe fand. Endlich wies Herr Pfr. Weber auf die Heiden 
sin, die unter uns ein Wanderleben führen, die Fier und 
rwähnte, daß trotz aller Schwierigkeiten die christliche Liebe 
chon Versuche gemacht hat, wenigstens die Kinder derselben zu 
,inem seßhaften und gesitteten Leben zu erziehen. Auch des vor 
urzem in hiesiger Gemeinde entstandenen Jünglings-Vereins 
purde unter freudiger Begrüßung mehrfach gedacht. Dem wackern 
dirchenchor aber, der wie in der Kirche, so im Festsaal durch 
eine schönen Vorträge die Feier wesenilich gehoben hat, sei hier 
nit der wärmste Dank gezollt. 
Bibelkalender. 
Morgens. Abends. 
s*svang.: Luc. 18, 9-14. Epist.: l. Cor. 15, 1-10. 
A Ps. 138. 
MNontag, 6. Röm. 6, 226. verem. 2, 1218. 
Dieustag,3 4. 1-293 3, 11 - 3. 
Veittwoch. 6, 1-1485. 
Donnerst.. 1444. 
— 10 Iexrem. —10. 
amafaa,. 11 Alnlm 70 
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