Full text: Evangelisches Wochenblatt (13.1886)

selbe beeinträchtigen und hindern. „Meine Schule ist 
neine Freude, mein Amt ist meine Liebe“, so 
nüsse der rechte Lehrer sagen können. Der Raum verbietet es 
ins leider, auf den reichen Inhalt des köstlichen Vortrages näher 
einzugehen, doch hoffen wir, daß der verehrte Herr Referent uns 
durch Drucklegung des Vortrages die Möglichkeit gibt, uns noch 
einmal in stiller Stunde sinnend darein zu versenken. Darauf sprach 
herr Schulrat OBr. Schumann mit gewohnter Meeisterschaft 
auͤber die beiden Fragen: 1) In welchem Verhältnis stehen fort⸗ 
schrittliche Epochen der Pädagogik zu scheinbar stillstehenden? 
ind 2) Hat unsere Volksschule ihre Aufgabe vollständig erfüllt, 
venn sie nur Lernschule ist? Nach einer der leiblichen Erquickung 
zewidmeten Pause folgte sodann eine von Herrn Musiklehrer 
Zeh mit Schülern der Uebungsschule abgehaltene Gesanglektion, 
voran sich eine Besprechung von Thesen über den Gesangunter— 
richt in der Volksschule anknüpfte. Die lebhafte Debatte, welche 
sich vornämlich um die Fragen drehte, ob der Gesangunter— 
richt nach Ziffern, Noten oder nach dem Gehör zu erteilen sei, 
diente zwar zur Klärung der Ansichten, doch führte sie nicht zu 
einem praktischen Resultate. Den schönen, harmonischen Schluß 
machten die von Seminaristen ausgeführten trefflichen Vokal— 
und Instrumentalvorträge, die immer einen ganz besonderen 
GBenuß gewähren. Ein im Hotel Haaß bereitetes Festmahl, nach 
zutem deutschen Brauch durch zahlreiche ernste und heitere Reden 
jewürzt, krönte den reichen, schönen Tag. 
— Friedrichsthal. (Pfarrwahl.) Am Sonntag, den 
5. August, abends 6 Uhr, fand hierselbst nach voraufgegange— 
nem Gottesdienst unter Leitung des Herrn Superintendenten 
Zillessen, und des Herrn Scriba Pfarrer Lichnock die 
Pfarrwahl statt, zu welcher sämtliche 32 Wahlberechtigte er— 
schienen waren. Von den abgegebenen 32 Stimmen fielen 16 
auf Herrn Pfarrer de Wyl-Ludweiler und 16 auf Herrn Pfarrer 
Angermünde-Roggendorf, so daß das Los entscheiden mußte, 
welches den Namen des Erstgenannten aufwies. Wir haben 
die feste Zuversicht, daß die größere Hälfte der Gemeinde 
nit diesem Ergebnis von Herzen zufrieden ist, und wünschen, 
daß unsere Gemeinde nach den lebhaften Wahlkämpfen sich 
ijernerhin unter der Leitung des neuerwählten Pfarrers in Frie— 
den bauen möge. Das walte Gott! 
— (Vorsicht!) In diesen Wochen durchzieht ein fremder 
solporteur unsere Gemeinden, welcher u. a. Luthers Pre— 
digten“, herausgegeben von Pfarrer Schlosser in Frankfurt 
/Main, verkauft. Das Buch ist an und für sich sehr empfeh— 
lenswert, kostet aber bei diesem Kolporteur fünf' Mark, wäh— 
cend es im Buchhandel für 2 und 3AM zu haben ist. Zudein 
äßt sich dieser Mann eine Anzahlung von 2A machen, wäh— 
cend er das Buch selbst erst später gegen Restzahlung nachzu— 
liefern verspricht. Frühere unangenehme Erfahrungen, die wir 
mit einem Kolporteur desselben Buchhändlers gemacht, lassen 
uns zur Vorsicht mahnen. Ueberhaupt sollten alle Gemeinde— 
Jieder fremden, unbekannten Kolporteuren gegenüber stets den 
Grundsatz befolgen: „Erst die Ware, dann das Geld.“ 
Wir bitten bei dieser Gelegenheit die Herren Pfarrer dringend, 
den Kolporteuren christlicher Vereine (auch unserm Kolporteur 
Schaaf) stets eine schriftliche Empfehlung mitzugeben, damit 
dieselben anderen freniden Bücherverkäufern gegenüber legitimiert 
sind und ihr Vertrauen bei den Gemeindegliedern nicht ver— 
lieren. Also aufgepaßt! 
— (Kirchengesangfest in Bonn.) Eine große An— 
zahl der über ganz Deutschland verbreiteten evangelischen Kirchen— 
gesangvereine hat vor etwa 5 Jahren einen engern Verband 
snen der sich unter dem Namen „Deutsch-eevange— 
lischer Kirchengesangverein“ die schöne Aufgabe ge— 
tellt hat, mit vereinten Kräften dahin zu wirken, daß dem Choͤr— 
zgesang und den erhabenen Meisterwerken unserer Kirchenkompo— 
aisten wiederum jene bedeutsame Stellung im Gottesdienste der 
wangelischen Kirche eingeräunmt werde, welche sie bis gegen Ende 
des 18. Jahrhunderts eingenommen hatten. Für 447 Jahr 
var, Bonn als Festort ausersehen, und die dort am 27. und 
28. Juli abgehaltene dier hat sich zu einer in jeder Beziehung 
ervorragenden und glänzenden gestaltet. Vor ungefähr drei 
Monaten begannen bereits die Uebungen des für das Fest aus 
den besten Gesangkräften der Gemeinde Bonn gebildeten gemisch— 
en Chores in einer Stärke von etwa 180 Mitgliedern. Der 
musikalische Leiter des Ganzen, Lic. Pastor Spitta aus Ober— 
lassel, hat es in seltenem Maße verstanden, den Chor für die 
hm gesiellte überaus schwierige Aufgabe zu begeistern und die 
Begeisterung bis zum letzten Augenblick wach zu erhalten. Der 
Fesigottesdienst mit seiner reich ausgestattenen Liturgie, welche 
mit feinem Verständnis von Pastor Spitta zusammengesiellt war, 
sollte praktisch den Beweis liefern, wie reich und großartig sich 
der evangelische Gottesdienst ausbauen läßt, wenn das gebotene 
Material zur richtigen Verwendung gelangt. Endlich derdient 
noch herporgehoben zu werden. daß nach der geistpollen Rede. 
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die Pastor v. Seydewitz aus Frankfurt a. M. hielt, eine kurze 
Bedächtnisfeier IJ. S. Bachs stattfand. 
— Das jährliche große sogenannte Ravensberger 
Missionsfest fand am Dienstag, den 6. Juli. in Bünde 
tatt. Hunderte von Wagen und tausende von Fußgängern im 
Sonntagsgewande zogen schon früh am Morgen von allen Sei— 
ten dem Festorte zu. Die beiden Kirchen, sowie der Kirchplatz, 
auf welchem ebenfalls Gottesdienst gehalten wurde, vermochten 
nicht all die Scharen der Andächtigen zu fassen. Sicherlich greift 
nan nicht zu hoch, wenn man die Zahl der Erschienenen auf 
— 1000 angibt. Im ganzen wurden 12 Predigten von NGeist— 
ichen gehalten. Von diesen Predigten fanden am Vor⸗ und 
Nachmittage auf dem Kirchhofe und in der alten und neuen 
dirche je zwei statt. Die Kollekte im Betrage von 3380 
zeigte aufs neue, daß die äußere Mission im Rapvensheraerlande 
getreulich unterstützt wird. 
— (Hochschätzung einer Ohrfeige.) Um für die 
deranbildung tüchtiger seelsorgerlicher Kräfte zu sorgen, hatte 
skönig Friedrich Wilhelm IV. den Bau eines Kandidatenstiftes 
in Berlin beschlossen und den Grund und Boden dazu im Gar— 
en Monbijou an der Oranienburgerstraße angewiesen. Er be— 
ichtigte selbst mit dem seligen Generalsuperintendenten Hoffmann 
den Platz und sagte, als sie an einen nicht gerade stattlichen 
Baum kanmen, mit der ihm eigenen Bestimmtheit: „Dieser Baum 
nuß unter allen Umständen stehen bleiben!“ Er stand aber sehr 
im Wege; darum bat Hoffmann mehrmals um die Erlaubnis, 
hn fällen zu lassen. Die Antwort lautete stets: „Nein!“ Als 
der König wieder einmal den Bau besuchte und mit Hoffmann 
zu dem bezeichneten Baum kam, sagte sein Begleiter etwas drän— 
zend: „Majestät, der Baum ist zu hinderlich, dazu auch gar 
nicht einmal schön. Ich verstehe nicht, wie Ew. Majestät eine 
olche Vorliebe für denselben hegen mögen.“ „Mein lieber Hoff— 
nann,“ sagte da der König, seinen Begleiter scharf ansehend, 
als ich noch ein Junge war, hat mir meine Tante unter die— 
em Baum eine tüchtige Ohrfeige Ideben Ich hatte sie nötig, 
und sie that mir gut. Jetzt kein Wort mehr vom Umhauen!“ 
— Der „Märkische Sprecher“ schreibt: Wir hatten dieser 
dage Gelegenheit, von einer recht anerkennenswerten Einrichtung, 
velche der Bochumer Verein im Interesse seiner Arbeiter 
getroffen hat, Einsicht zu nehmen. Derselbe läßt nämlich mor— 
jens 6 Uhr beim Schichtwechsel frischgemolkene Milch von 
einer Meierei bei dem Hauptportier aufstellen und verabreicht 
dieselbe das gewöhnliche Bierglas zu 5 4 an seine Arbeiter. 
dunderte von Arbeitern sahen wir, welche hiervon Gebrauch 
nachten, und dieselben werden sich gewiß wohler dabei fühlen, 
ils wenn sie dem leidigen Branntwein in so früher Stunde 
usprechen. Zur Nachahmung empfohlen! 
— (Der Glaube.) de einem christlichen Graveur kam 
einmal ein Herr und bat ihn, er möchte ihm ein Petschaft stechen, 
uuf welchem ein Sinnbild des Glaubens angebracht sei. Vor— 
chreiben wolle er ihm nichts; aber ein Sinnbild des Glaubens 
nüsse darauf sein. Siehe, da grub der Meister, der sicherlich 
nit dem Wesen des Glaubens wohlbekannt war, einen Stern 
nuf das Petschaft und rings um ihn her die lateinischen Worte: 
aelis pondeo, terrae servio, zu deutsch: am Himmel häng ich, 
der Erde dien ich! — Lieber, hast du auch einen solchen 
Slauben? Leuchtest du auch als ein Sternlein in deinem Haus, 
in deiner Nachbarschaft, unter deinen Kollegen und Schülern? — 
— (Ein hoher Beamter) in Surinam fragte seine 
Neger, warum sie gerade immer zusammen beten wollten, 
es könnte das ja jeder für sich thun. Er stand gerade an einem 
Kohlenfeuer, und eine Negerin sagte: „Lieber Hexr, wenn man 
diese Kohlen jede für sich legt, dann verlöschen sie; aber was 
zibt das für ein lustiges Feuer, wenn sie alle zusammen brennen!“ 
.— Dem Christentum verdankt das 4 Japan die Ein— 
ührung der folgenden fünf wichtigen Dinge: M Den christlichen 
dalender. NVen Sabbat als Ruhetag.3) Oeffentliche Schu— 
en. 4) Freiheit, die Toten selbst zu beerdigen. (Vorher mußte 
der Leichnam einem Buddhistenpriester übergeben werden.) 5) 
Die Trennung von Kirche und Staat, wodurch allgemeine reli— 
ziöse Freiheit gesichert und die Insel christlichen Missionaren 
»öllia erschlossen wird 
Bibelkalender. 
Evang.: Luc. 16, 1-9. Epift. 1. Cor. 10, 6-13 
Morgens. Abends. 
Sonutag, 22. Aug.: Psalm 17. Ps. 35, 18-28. 
Montag, 23. ,„ Röom. l, 1217. Marc. 10, 17-316. 
AA „1, 1825(3). „10, 32-52. 
Pdittwoch, 283. 2 1416. „I1I, 14-189. 
Donnerst., 26. „217-29. „II33. 
Freitag, 7.4 „3, 148. 12 14-12. 
Samstao, 28 — 2 3 920 Pialm 137
	        
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