Full text: Evangelisches Wochenblatt (13.1886)

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1715 Postverzeichnis. Dreizehnter Jahrgang. — Preis pro Quartal 50 4. Ins.Gebühr pro 3spaltige Zeile 20 4. Auflage 4600. 
48 4. Neunkirchen, ẽ3 den 24. Januar 1886. 
Haltet Frieden! 
Röm. 12. 17—521 
Oyn einem herrlichen, über 1000 Jahre alten Helden— 
J unseres Volkes wird unser Heiland oft als 
das Friedekind Gottes“ bezeichnet, und es ist das 
J gar passender und schöner Name, denn es offen— 
darte sich ja Seine Herrlichkeit immer gauz besonders 
auch in dem Frieden, der Ihn erfüllte, der auf Seiner 
Stirne ruhte, und der von Ihm ausgehend erquickte, 
die zu Ihm kamen. Sind denn auch wir zu Ihm ge— 
kommen und Seiner Gnade teilhaftig geworden: o, so 
lasset uns doch auch wandeln als die Kinder des Frie— 
dens! Davon redet die heutige Epistel. 
Wenn da freilich steht: „Ist es möglich, so viel an 
euch ist, so habt mit allen Menschen Frieden,“ 
so sehen wir schon aus diesen Worten, daß es uns auch 
beim besten Willen nicht immer möglich sein wird, im 
Frieden zu leben. Denn ein so köstliches Gut der Friede 
zuch ist, so sollen wir ihn doch nicht erkaufen wollen 
mit einem Brandmal im Gewissen, oder so einer etwa 
um des lieben Friedens willen einmal den Glauben ver— 
leugnen, einmal andern zu Gefallen etwas Böses mit— 
machen oder das Böse, was andere thun, billigen wollte: 
was hieße das anders, als seine Ehre vor Gott mit 
Füßen treten? Es wäre das eine jämmerliche Feigheit 
ind eine Schwachheit, die sich bitter rächen würde, beides, 
an dem, der sie begeht, und an denen, um deretwillen 
sie begangen wird. Es wäre das das Gegenteil von 
dem, was wir an Jesu sehen, der immer in der Wahr— 
heit blieb, und der sich lieber geißeln, mit Dornen 
krönen und ans Krenz erhöhen ließ, als daß Er auch 
iur ein einziges Mal aus dem gewichen wäre, was 
Seines Amtes war. — Aber „so viel es möglich,“ „so 
diel an uns ist“ sollen wir allerdings Frieden haben 
mit allen Menschen. Von uns soll der Streit nicht 
ausgehen. Wir sollen den Menschen immer nur Gutes 
erzeigen, und dadurch offenbar machen, was in uns ist. 
Damit wir aber diese Ermahnung erfüllen können, 
zibt uns der Apostel allerlei heilsame Ratschläge. 
Der erste Rat ist der: „Haltet euch nicht selbst 
für klug“ (17). Denn woher kommt doch die meiste 
Uneinigkeit unter den Menschen? Ists nicht aus ihrer 
eidigen Eingenommenheit von sich selber? Ists nicht 
daher, daß jeder denkt, nur wie er eine Sache beurteile, 
so sei es auch, nur seine Ansichten seien die richtigen, 
— 
wvill so jeder mitreden über Dinge, von denen er im 
Grunde doch vielleicht nur wenig oder nichts versteht, 
und will sich keine Mühe geben, auch einmal still zu 
chweigen und zu lernen, und mit unbefangenem und 
»ffenein Sinn auch einmal auf das zu hören, was andere 
'agen! 
Ein zweiter Rat ist der: „Fleißiget euch der 
Ehrbarkeit gegen jedermann“ (18). Unter „Ehr— 
‚arkeit“ ist hier alles verstanden, was wir andern zu 
eisten schuldig sind. Es ist nicht nur das, was sonst 
m engern Sinne „ehrbar“ heißt, der wohlanständige 
Wandel eines Christen in Sittsamkeit und Zucht, sondern 
ruch die rechte Gewissenhaftigkeit im Amte, die schutdige 
ẽhrerbietung gegen die Vorgesetzten, die Freundlichkeit 
gegen Untergebene, die Rechtschaffenheit im Handel und 
Wandel, die Billigkeit im Urteil, die Wahrhaftigkeit 
m Reden, die Zuverlässigkeit in dem, was wir ver— 
prochen. Und wird nicht in der That tausenden von 
Streitigkeiten die Quelle verstopft sein, wenn wir uns 
hinschauend auf Jesum und beseelt von Seinem Geiste, 
n dieser Weise der Ehrbarkeit befleißigen gegen jeder— 
nann, wer es auch sei, hoch oder niedrig, reich oder 
arm, Freund oder Feind? 
Ein dritter Rat ist: „Vergeltet niemand böses 
mit bösem“ und „rächet euch selber nicht, son— 
dern gebet Raum dem Zorn“ (19), d. h. lasset ihn 
von euch ausfahren, statt euch von ihm knechten zu 
assen. Denn es wäre möglich, daß ihr euch nichts be— 
vußt seid, ihr habt dem andern, gern das seinige ge— 
geben, doch khut er euch böses, schilt, verleumdet euch 
der sucht euch sonst zu schaden, und Fleisch und Blut 
)enken da alsobald: „das darf ich mir nicht bieten lassen, 
vie Du mir, so ich Dir, Auge um Auge, Zahn um 
Zahn.“ Aber sollen wir uns denn von Fleisch und 
Hlut regieren lassen? Sind wir nicht Jünger des 
Meisters, „welcher nicht wieder schalt, da Er gescholten 
vard, nicht drohete, da Er litt, Er stellete es aber Dem 
—— 
ächet euch auch nicht selber, sondern gedenket an das 
Wort: „Die Rache ist Mein, Ich will vergelten, 
pricht der Herr“ (5. Mos. 32, 35), und übergebet 
»ure Sache ruhig Ihm, aber das ja nicht mit dem 
Wunsch im Herzen, daß Er nun alsobald mit Seinem 
Hericht über den Sünder herfahre, sondern mit dem 
aufrichtigen Gebet, daß Er ihn, so es möglich ist, noch 
herumhole uud ihn errette. 
Wo das geschieht, da wird der Mensch geschickt, 
auch den Rat zu befolgen: „So nun deinen Feind 
hungert, so speise ihn, dürstet ihn, so tränke
	        
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