Full text: Evangelisches Wochenblatt (13.1886)

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jen namentlich die Prinzen von Orleans vielfach verwandt sind, 
„or den Kopf stoßen wird, kümmert die erhitzten Republikaner 
zicht. Die Folge wird sein, daß Frankreich noch isolierter da— 
lehen wird, als das bisher schon der Fall war. Mich mit 
kngland hat es sich dadurch überworfen, daß es eine australische 
Inselgruppe, die Neu Hebriden, plotzlich besetzt und seine Fahne 
sort aufgepflanzt hat: der Ministerpräsident hat freilich erklärt. 
aß das nur eine vorübergehende Maßregel sei. 
Wäͤhrend die französischen Arbeiterunxühen, ziemlich gedämpft 
ind brechen sie in dem benachbarten Belgien inmer wieder 
Jervor. In Brüssel herrschte Mitte dieses Monats heillose 
jüngft unter allen Besitzenden, daß es durch die dort erwarteten 
Urbeitermassen zu Pluͤnderungen und Beraubuugen kommen 
Heide. Wenn auch durch des Einschreiten des Militärs jeue 
Ansammlungen wieder zerstreut worden, so gägrt es doch in den 
döpfen und Herzen der Arbeiterbevölkerung weiter. 
— Um aller Willkür bei der Wahl der in den evaug. Schu— 
en einzuführenden Bücher ein Ende zu machen, ist von der 
önigl. Regieruug unterm W. Dezember v. Is. zitr ausschließ⸗ 
ichen Benuhung bezeichnet: 1), Tie Fibel von Fechner, Ausg. 
min dem in Anschluß an dieselbe erschienenen „Ersten Lese— 
vüchlein“ von Fechner für das 2. Schuljahr,. Die früheren Fi— 
zeln dürfen nur so lange bleiben, bis ein Vehrer, welcher nach 
der Fechner'schen Methode unterrichten kann, in die Stelle tritt. 
29 Jas Lesebuch von Gabriel Supprian Gür die l- und 
klafs. Schulen in der Ausg. in einem Baude, für die anderen 
Schulen in der Ausg. in 2 Vänden, stets aber in der Ausg. für 
en Reg. Bez. Trier). — 3) Die Rechenhefte von Terlinden lin 
der Umarbeitung von Kauer & Sulzbacher. — HeAls vieder— 
jest der Liederhain von Greef. Zur Berücksichtigung empfoh⸗ 
ene Wandkarten find die von Dronke: physikal. Kärte der Erde. 
Flogam Flemming, Kiepert: Planiglohen ꝛc. Berlin. Reimer; 
Ohmann: Curopa, Deutschland. VBerlin, Wruck; Kiepert: Pa— 
ästina. Berlin, Reimer; Lang: Rheinprovinz. — Diejenigen 
Schulen, in denen binnen Jahresfrist die obigen Bücher nicht 
ingesühet find, sollen der Könial. Regierung namhaft gemacht 
verden. 
— Bei den rheinischen Kandidatenprüfungen 
ind zu Ostern dieses Jahres in Koblenz nicht weniger als 39 
Kandidaten geprüft worden, und zum Herbst, haben sich wieder 
2 gemeldet, so daß der Maugel einem Ueberschuß Platz zu 
nachen scheint. Uebrigens ist in deutschen Landen das Bedürf— 
nis nach pastoralenn Rachwuchs noch keineswegs gedeckt. In 
Hessen sind noch 82, in Baiern 87 Pfarrstellen erledigt, und 
dährend der Tod unter den älteren Pfarrern reiche Ernte hält, 
ehnt sich das noch amtierende Alter nach Ruhe oder Hülje, 
ohne solche erlangen zu können. So werden in Baiern für die— 
es Jahr nur 12 die Anstellumasprüfung machende Kandidaten 
zur Verfügung stehen. 
Lnthers Elternhaus in Mansfjeld) ist nun 
nahezu vollständig restauriert, und zwar in möglichst geschicht⸗ 
licher Treue und mit gewissenhafter Benutzung des noch vor— 
handenen Materials. Noch im Vorjahre war der bauliche Ju— 
tand das Lutherhauses ein unerfreulicher. Jetzt ist die Kiud— 
)eitsstätte Martin Lüthers ein Schmuck für seine Heimat ge— 
worden. Beim Bau fand man einen schadhaft gewordenen 
Sichenbalken, der wohl dem Hause schon eine Stütze war, da 
Luther als Knabe im Frieden desselben aufwuchs. Die ver— 
vendbaren Teile dieses uralten Eichenbalkens hat der Kunst— 
ischlermeister Schalk in Mansfeld zu Briefbeschwerern verar— 
beitet, damit vielen, die ein Andenken an das Lutherhaus be— 
gjehren, ein Stück des alten Hauses in geschmackvoller Form 
bergeben werden könne. Einen besonders sorgfältig gearbeiteten 
Briesbeschwerer hat unser Kaiser unter Anerkennung der wohl⸗ 
zelungenen Arbeit entgegengenommen. Aus dem Erlös soll der 
Baufonds dieses für alle Evangelischen denkwürdigen Hauses 
gespeist werden. Das Mansselder Lutherhaus selbst ist bestimmt 
zur Wohnung, für Diakonissen, die in der Gemeinde Armen— 
und Krankenpflege treiben sollen. — Zur Erheiterung, unserer 
Leser fügen wir hier noch an, daß der St. Paulinus- 
ichrei ber in Trier seinen Getreuen kürzlich obige Notiz unter 
der Ueberschrift: „Verehren die Protestanten auch die Reliquien?“ 
nitteilte und am Schluß den pathetischen Ausspruch that: „Und 
dawollen die Protestanten sich noch über die 
Reliquienverehrungieder Katholiken aufhal— 
ten!“ Was für ein scharfes Unterscheidungsvermögen muß 
doch der verehrte Herr besihen daß er ein von den Protestanten 
wertgehaltenes Andenken und Erinnerungszeichen mit den von 
den Roͤmischen abgöttisch verehrten „wunderthätigen“ Knochen, 
Spänen, Splittern, Lappen ꝛc. in Vergleich stellt! Doch be— 
cheinigen wir ihm gern, daß er keine eigene Erfindung zum 
desten gegeben. sondern nach fremden Mustern gearbeitet hat. 
— Das 40. Jahresfest des Gustav⸗AdolfzVereins 
soll, wie wir bereits mitgeteilt haben, vom 7. bis 9. September 
in Düsseldorfstattsinden. Für das genieinsame Unter— 
stützüngswerk, die sogen, große Viebesgabe, bringt der 
Eentralborstand in Voͤrschlag die Gemeinden St. Apold in 
Vvothringen. Branitz in Schlesien und Zell im Wiesenthal 
Vaden.“ dDie Hauptversammlung wird, beim Jahresfest unter 
diesen drei Gemeinden eine endgültige Wahl treffen. St. Avold 
ählt 430 Seelen und außerdem 800 Mann Militär, 54 gemischte 
Ehen. wovon nur in 18 die Kinder evangelisch erzogen werden. 
Wichtig wäre der Bau einer Kirche und eines Pfarrhaͤuses, damit 
eser Evangelisfationsposten zur Regierungspfarrei erhoben werden 
onnte, Der Bauplatz für Kirche und Pfarrhaus kostet 12000 
AM, von welchen 98097.A, bezahlt sind. Der Kostenanschlag für 
die Kirche beläuft sich auf 3305909 4, wozu man vom Kriegs⸗ 
ninifterium einen Beitrag zu erhalten hofft. Vom Verein hat 
die Gemeinde bis jetzt 7519 4 erhalten. 
—Die Landessynode von Württemberg hat beschlossen, 
daß das Reformationsfest in der dortigen evang. Landeskirche 
fünftig. und zwar erstmals im Jahre 1887, wie bei uns am 
Sounkag nach dem 30. Okt. gefeiert werde. Der Uebergabe des 
Augsburgischen Bekenntnisses wird auch ferner am Sonntag 
nach dem Inni, an welchem man dort bisher das Refor— 
mationsfest feierte, im Gottesdienst feierlich gedacht. 
— (Innere Mission.) .Der, unlängst geschlossene säch— 
ische Landtag in Dresden hat in erfreulicher Weise gezeigt, wie 
das Verständnis für Kirche und Innere, Mission im Zunehmen 
begriffen ist. Während noch vor 2 Jahren die zweite Kammer 
s ablehnte, 0 Thaler jährlicher Beihülfe für einen Assistenz⸗ 
arzt an'dem Diakonissen Krankenhause zu gewähren, sind jetzt 
0000 A zur Erbauung eines neuen Krantenhauses und für 
die neugegrundete Arbeiterkolonie ein jährlicher Staatsbeitrag 
hbon 8000.4 bewilligt. Auch ist ein aus der Mitte der zweiten 
ammer gestellter Antrag, die Beihülfen zu Baulichteiten an 
irchen und Pfarrgebäuden zu erhöhen, von beiden Kammern 
angenommen. 
— In Mariascheim, Göhmen) haben die Jesuiten 
eine Akliengesellschaft gegründet zur Errichtung eines Kreuzweges 
anf dem Kalbarienberge. Der Text lautet: „Daß obengenaunter 
Vetrag auf den Namen der P. P. Aktionäre in das Geschäfts- 
Journal des himmlischen Schatzmeisters richtig eingetragen worden 
st und am Sterbetage vom lieben Gott, dem obersten Schatzmeister, 
nit hoͤher Dividende im Himmel rückgezahlt werden wird, bestätigt 
ni stamen des gottlichen Heilandes mit Siegel und Unterschrift 
mn Namen des Komites der Gesellschaft Jesu‘ der Rektor des 
dollegiums.“ Der „Aussiger Anzeiger“, dem diese Notiz 
tnommen ist, fragt angesichts solcher Dinge: „Heißt das nicht 
den Namen Gottes mißbrauchen ?“ Wir bemerken: Der Ablaß— 
Krämer Tezel starb reumütig; seine heutigen Nachfolger treten 
war leiser auf, fälschen aber ebenso wie, er das heilige Evan— 
JFelinm! Lerne daher doch jeder Evangelische, wenn er nur von 
rune eiwas von Jesuiten und Jesuiten-Freunden hört, sprechen: 
Meine Seele komme nicht in ihren Rat!“ (Der Seelenmessen— 
Zchacher in Italien soil übrigens noch viel skandaloöser sein!) 
— Für die letzten zwölf Jahre sind in Livland nach den 
tatistischen Mitteilungen der luth. Geistlichen folgende Zahlen 
ussischen Bekehrungseifers festgestellt worden: Im Jahr 1874 
singen 352 Personen von der lutherischen zur griech. orthodoxen 
irche in Livland über; 1765: 409. 1876: 333, 1877: 335, 18780: 
9,1879: 220, 1880: 269, 1881: 315, 1882: 347, 1883: 503 
Es war dies das Krönungsjahr, in welchem esthnische und 
eltische Voltsagitatoren unter dem Schutze des Sengtors Ma— 
iafsein in den baltischen Provinzen umherzogen und in Wort 
ind Schrift überall ausstreuten, daß der Uebergang zur griech. 
thodoren Kirche dasjenige Krönungsgeschenk sei, welches dem 
daiser besonders erwuͤnscht sein würde, und hierbei zugleich 
ulerlei Erleichterungen der Abgabenlasten versprachen), 1884: 
50 Perfonen im ganzen 4292. Das letzte Jahr bezeichnet den 
weiten gewaltigen Anlauf zur Russifizierung, verbunden mit 
nulich gefchüßter Bekehrung und Verfolgung der luth. Kirche. 
MNan muüß jedoch annehmen, daß damit die höchste Zahl erreicht 
vorden ist, und daß nun wieder die Reaktion heginnen wird; 
enn unter den Uebergetretenen herrscht viefach Reue und Ver— 
weiflung, die sogar zu vereinzelten Selbstmordfällen geführt hat. 
—A(Seidenmission.) Die Untersuchung der Verhältnisse 
m Kamerungebiset, welche durch zwei von der Baseler 
Ptissions⸗Gesellschaft anndee Missionare ausgeführt ist, hat 
ein nicht ungünstiges Resultat ergeben. Das Klima ist für 
Furopäer nicht in dem Maße nachteilig, wie in den anderen 
Fegenden Westasrikas, wo evangelische Missionen gegründet 
ind. Nicht guͤnstig ift der Umstand, daß, die Bevölkerung bis 
eßt mehr dem Handel mit Rohprodulten, als dem Ackerbau und 
Rin Gewerbe züdgewandt ist. Dagegen ist durch die Missions-
	        
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