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1715 Postverzeichnis. Dreizehnter Jahrgang. — Breis pro Quartal 50 4. Ins. Gebühr pro 3spaltige Zeile 209 432. Auflage 5100.
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Neunkirchen, 263 den 30. Mai ISSA.
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Das Gebet im Namen Jesu.
Wahrlich, mahrlich ich sage euch: So ihr den
Vater etwas bitten werdet in meinem Ramen., so
wird er es euch geben. Joh. lü, 23
i meisien Menschen wollen ohne Gott in der
Welt sein. So furchtbar dies klingt, so wahr ist
. doch. Freilich, wenn man herumfragt, wird
sich nur selten einer finden, der offen sich
von Gott lossagte. Eine Art Respekt, der dann und
wann mit andächtigen Gedanken gepflegt wird, hat
auch das leichtsiunigste Gemüt noch übrig für den gro—
gen Lenker unserer Geschicke, dessin Haund und Wort
so gewaltig offenbar werden in Natur und Menschen—
leben. Aber einige respektvolle Gedanken sind recht
wenig, wo der sündige Wille seinen eigenen Weg geht
und von Gott auf Schritt und Tritt sich eingeengt
sieht. Und das ist unser aller Sünde, daß wir fleisch—
lich gefinnt sind; fleischlich gesinnt sein aber ist eine
Feindschaft wider Gott. So richten wir denn unser
Leben ein anf eigene Hand, und trauen eigentlich un—
serer Klugheit und Kraft viel mehr zu, als unserem
Gott im Himmel. Darum beten wir so wenig oder
so lau oder gar nicht, und führen einen anssichtslosen
Kampf mit den Mächten des Lebens.
Wir werden in der heiligen Schrift zu nichts so
sehr aufgefordert, als zum Beten. Man kann nicht
Glauben haben, ohne zu beten. Je weniger, je
lauer, je mühevoller du betest, desto mehr bist du los
von Gott und bist aus dem Glauben gefallen, wenn
du dir auch einbildest, du stehest sehr fest auf deinen
Füßen. Wer seinen Christenstand prüfen will und
etwa zu der Frage kommt: „Was fehlt mir noch?“ —
der sehe nur seine Gebete an, die werden ihm antwor—
ten. Donn das genügt noch nicht, daß wir den
Satz des Unglaubens: „Beten hilft nicht,“ aus besserer
Erfahrung verworfen haben, und daß wir, wenn alle
Stränge reißen, noch zu dem letzten Versuch greifen:
„vielleicht hilft beten.“ Es gibt Gebete, die ein ge—
zwungener Dienst sind, und Gott mag keinen ge—
zwungenen Dienst. Davon spricht der Herr: „Thue
weg vor mir solchen Lippendieust, denn ich mag diese
Gebete nicht hören.“ Und wie freundlich mahnt uns
Jesus: „So ihr den Vater etwas bitten werdet in
meinem Namen, so wird er es euch geben.“ Wir
sollen nicht mit Gebeten vor Gott kommen, die ohne
Herz sind und ohne das bittkende Kindesgefühl, dem
herzlich darau liegt, auch wirktich zu bekommen. um
was es bittet. Und wir sollen auch nicht thörichte
und sündige Bitten vor Gott bringen.
Auf der einen Seite schließt uns die Gottesliebe alle
Thüren auf und spricht: „Alles, was ihr bit
tet.“ Da ist nichts zu groß und nichts zu klein;
was für uns wichtig, ist auch für den wichtig, der uns
liebt, und Gottes Herz ist groß und reich über alle,
die ihn anrufen. Es gibt keine Angst, auf die er
nicht seine helfende und heilende Hand legte; es gibt
keine Thräne, die er nicht trocknen, keinen Seufzer, den
er nicht in Lob und Dank wandeln könnte. Aber auf
der andern Seite wird nuus doch Wachsamkeit
beim Beten empfohlen. Nicht jeder Wunsch eignet sich
zum Gebet; aber jeder Wunsch soll sich schicken in den
Willen Gottes, der es besser mit uns vor hat, als wir
ielbst. Es gibt Bitten, die aus verkehrtem und argem
Herzen kommen. Willst du damit vor Gottes heiliges
Angesicht treten, ohne dich zu schämen und zu zittern,
wenn du daran denkest: es ist ein heiliger und
gerechter Gott, vor dem ich stehe?
Die irdischen Güter, nach denen du dich sehnst, die
Trübsal, unter der du schmachtest, sind vielleicht deine
Gebetswecker; aber laß sie mehr nicht sein, laß
sie nicht den einzigen Inhalt deiner Gebete sein.
Wenn wir aufgefordert werden, den Vater zu bitten
in Jesu Namen, so heißt dies, daß wir in dem—
elben Geiste, in welchem Jesus gebetet hat, zur Ehre
Hottes und zur Verherrlichung seines Namens bitten
sollen. Und da tritt dann unsere kleine Welt zurück
bei diesem lichten Hereinfluten der Ewigkeit in unser
Herz, und wir fangen an, so manches, was uns hente
sehr anliegt, unter das Wort zu stellen: „Doch nicht,
wie ich will, sondern wie du willst,“ da—
gegen aber manchem, woran wir heute unter dem Iruch
der kümmerlichen Gegenwart weniger denken, eine grö—
ßere Wichtigkeit zu geben, indem uns unsere Seligteit
als das Erste erscheint, nicht aber unser irdisches Glück.
So wollen wir denn bei unserem Gebetsleben darauf
achten, daß nicht die Welt, sondern der Glaube
unsere Gebete regiere, und wollen uns fragen: Ist es
auch zur Ehre Gottes, was ich bitte? wird dadurch
das Reich meines Herrn in mir und außer mir
erbaut? wird dadurch eine Frucht geschafft für die
Ewigkeit? ist es etwas, das zum Heil meiner Seele
und zur Besserung meines Nächsten dient? ist Selbst
iucht oder Liebe, ist Tod oder Leben, Fleisch oder Geist
in meinem Gebet? Bei tausend großen oder kleinen
Bitten muß uns der Herr zurnfen: „Nach solchem
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