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umhertragen, ja, der kluge Vogel hatte so lange seinen
Kopf dem Kater hingehalten, bis dieser ihm mit der
Tatze und eingezogener Kralle den Kopf kraute.
Sobald aber Jens Owesen seine Kaiütenthür bifuete,
datte er noch einen andern Freund in unmittelbarer
Nähe, einen alten, tenren Freund, mit dem er zwar
mauchen ernsten Strauß bestanden, dessen heiligen Ernst
und sanite Milde er gleichmäßig erfahren, — der zu
ihm geredet von den gewaltigen Thaten und Gerichten
des lebendigen Gottes und von seinem ausgestreckten
Arm, damit er die Werke der Meuschen zerschmettert,
—aber auch von der ewigen Schönheit, Güte und
Barmherzigkeit desselben Herrn, der da wohlthut und
segnet alles, was Leben und Odem hat. Dieser Freund
war das große, das herrliche, über alle Maßen herr—
liche Meer.
Ohne diesen Freund, —— ohne seine altdekannte
Stimme zu hören, ohne ihn zu sich reden zu kassen,
hätte der alte Mann nicht leben mögen. Tarum hatte
er sich hier oben auf der Tüne seine Kafüte gebaut,
nachdem er das Unglück mit dem Bein gehabt und
seine Fahrten eingestellt hatte; und hier wollte er nun
seine Tage beschließen.
Hatte er denn gar keine Angehörige, keine Familie,
keine Berwandte? nun ja, es mochte wohl sein, daß
drüben auf dem Festlande der eine oder andere noch
sich fände, der ihm ein Vetter von Vetterswegen sein
köünte; man hatte sich aber nie um ihn gekümmert,
seit er als Schisisjunge vater- und mutterlos sich sei—
nen Weg durchs Leben hatte suchen müssen; so hatte
er sich auch um niemand gekümmert. Später einmalt
hatte er sich auch ein Weib genommen, das hatte er
sehr lieb gehabt, und weun er von seinen Reisen auf
einen oder zwei Monate nach Bremen zurückkam, war
er ein sehr glückliche Mann. Einmal, — das vergaß
er nie — trug ihm sein Weib mit strahlendem Gesicht
einen Knaben auf dem Arm eutgegen, — einen Sohn,
der ihm die Aermchen entgegenstreckte. Aber als er
uach Jahren einmal wiederkam, da war das alles vor—
bei. Seine Wohnung war leer geworden, ganz keer!
Zuerst war das Kind gestorben und dann seine Frau.
Seitdem ist Jens Owesen nicht wieder in Bremen ge—
wesen. Run ist das alles lange, lange her.
In der Schule hatte er zwar keine große Gelehr—
samkeit sich erworben: Lesen, Schreiben, Rechnen — dar—
über gings nicht hinaus — aber hernachmals ist er
auf dem großen Wasser in Gottes Schule gegangen,
da hat er zweierlei gelernt, was oft dem Klügsten und
Gelehrtesten nicht in den Kopf will, und was auch
schon der Psalmist und der König Salomo als die
Summa aller Weisheit preisen, nämlich, daß alle
Menschengröße und Menschenherrlichkeit Staub ist, und
daß Gott allein mächtig ist. Durch diese Doppelweis—
heil wird man von Heczen demütig, und den Demüti—
gen gibt Gott Gnade, uͤnd darin besteht das große,
gottselige Geheimnis, daß man ein Kind Gottes werde
und ins Himmelreich komme.
Damit ist einem denn auch der Sinn aufgeschlossen,
zu lesen und zu verstehen, erstlich was der lebendige
Gott in sein heilig Bibelbuch hat schreiben lassen, und
zweitens, was er mit seinem Finger am Himmel und
unter dem Himmiel geschrieben hat.
So lebte denn nun der alte Kapitän in seiner Kajüte
mit Papagei und Kater, Winter und Sommer, tagaus,
tagein in aller Stille und Zufriedenheit. Aus Frost
und Hitze machte er sich nichts. Der Winker war auch
nicht strenge auf der Jusel, und die Hitze kühlte der
Secwind. ' In den kurzen Tagen kehrte wohl ein heim—
gebliebener Maat oder Stenermann in der Kajüte ein,
im bei einer Pfeife Tabak und einem Grog von gutem
Jamaita-Rum sein „Garn zu spinnen“ von Ländern und
Menschen, von Fahrten und Stürmen und dergl. Und
venn keiner kam, daun las Jens LOwesen erst eine
Stunde in der Steuermannskunde und dann zwei Stun—
den in der Bibel. Darauf ward die Koje herabgelas—
sen, und es gab eine sanft schlafende Nacht, auch wenn
der Nordwest draußen tobte, als wollte er die Kafüte
wegreißen. —
Nach etlichen Jahren wars denn nun so weit, daß
der gestrandete Junge, bis dahin der großen Maren
Zögling, auch ein Kajütenbewohner ward. Der alte
Kapitän hatte ihm die Namen Owe Jenseun zuerteilt,
indem er seinen eigenen Namen umkehrte. Die leber—
iedelung aus Marens Hutte in des Kapitäns Kajüte
var ein großer Abschnitt für diese drei Meuschenkinder,
uim welche es sich dabei handelte. Der Junge, als
Hauptperson in der Sache, war jetzt vier bis fünf
Jahre alt, ein stännniger kleiner Kerl, den jeder für
aͤlter gehalten hätte, so eine Art von Amphibium, denn seit
er allein an den Strand laufen kounte, hatte er eben
so viel in und auf dem Wasser, als am Lande gelebt.
Die große Maren, die ganz vernarrt in den, Jungen
zewesen von Anfang her, da sie ihm sein Hemdlein
in ihrem Herdfeuer getrocknet, hatte ihm unumschränkt
einen eigenen Willen gelassen; der Junge befahl und
ie gehorchte. Als sie ihn nun abliefern sollte, gings
hr beinahe aus Leben. Bald war sie innerlich
grimmt darüber, bald heulte sie vor sich hin, weun
einer es sas. Dem Jungen backte sie jeden Tag
Pfannkuchen von Möweneiern, die er am Strande
uchte, und sparte Speckfett nicht daran. Und als er
dann eines Abends nicht wiederkam, weil der Kapitän
hu in der Kajüte behalten, da setzte die große Maren
ich auf einen Stein weit hinaus und saß da so lange,
zis die Flut ihr um die Füße spülte, dann watete sie
Janz langsam zurück, schlüg ihre Hüttenthür krachend
us Schloß und warf sich heulend auf ihr Bett.
Owe hatte wohl Gefühl fur die Liebe des rauhen
Weibes, es war aber ein unbewußtes. DTaß er jetzt
mit dem Kater und Papagei zusammen hansen sollte,
var ihm sehr auziehend, und er hatte keine Thräne
—E
Neues für ihn anbrechen sollte, ist er bald gewahr ge—
worden. (Fortsetzung folgt.)
„Nun danket alle Gott!“
Zur Erinnernung au Martin Rinkart.
(Geb. am 23. April 1586, gest. am 8. Dezbr. 1649.)
Wer kennt nicht das einfach großartige Kirchenliecd:
Nun daunket alle Gott“? und wer hat dies deutsche
Tedeum nicht schon gesungen, seis für sich allein, wenn
er nach des Apostels Wort „guten Mutes“ war, seis
im Kreis der Familie bei einem frohen Anlaß, Taufe,
Konfirmation oder Hochzeit, seis in der großen Gemeinde
beim Erntefest, beim Friedensfest oder Siegesfest? Wie
maunchmal ist dieses Lied erklungen im großen Krieg
des Jahres 1870, zuerst auf dem Schlachtfeld nach ge—
wonnenem Sieg, wenn der Abend herniedergestiegen
war und die Wachtfeuer brannten, und dann, als Echo