Full text: Evangelisches Wochenblatt (13.1886)

werkerverein in die Pfalz reisen und dich an der Por— 
zellanfabrikation erbauen: wir feiern diesen Tag in der 
Stille.“ 
derr Meyer, auf den die Auslassungen seiner Frau 
keinen Eindruck gemacht hatten, der vielmehr in seiner 
Meinung bestärkt worden, daß seine Gemahlin auf dem 
besten Wege sei, eine Muckerin zu werden, reiste am 
Buß- und Bettage in die benachbarte Pfalz. Mit dem 
letzten Zuge kehrte er zurück, allerdings nicht betrunken, 
denn er war ja ein solider Mann, ein achtbarer Bür— 
ger, aber doch recht angeheitert und behauptete, einen 
recht vergnügten Tag verlebt zu haben. Ob das Hand— 
verk durch den Ausflug am Buß- und Bettag, an dem 
auch viele Frauen und Töchter der Herrn Vereinler teil— 
genommen, viel profitiert hat, wissen wir nicht, aber Kauf— 
mann Meyer und Genossen hatten trotz billiger Eisen— 
bahnfahrt und billigem Gerstensaft doch recht tief in 
die Tasche greifen müssen. — (Forts. folgt.) 
Eine Reise nach Katingan (RVorneo). 
Unter dieser Ueberschrift finden sich in dem Dezem* 
her-Heft der „Berichte der Rheinischen Missions-Gesell“ 
chaft“ Mitteilungen über eine Reise, welche Missionar 
Hendrich in einem bisher wenig bekannten Teil der 
Insel Borneo gemacht hat. Zwei Dinge erregen bei 
dieser Reisebeschreibung besonders unser Interesse. Vor 
allem ist es erfreulich, wie die Liebe den Missionar hin— 
austreibt in ein bisher von Europäern wenig betretenes 
Land, ungeachtet der vielen Gefahren, von denen sein 
Leben dort bedroht ist. Wir lesen darüber: „Vor mehr 
als 3 Jahren wurde der hiesige Oberhäuptling (der von 
Mandomai) Angyen, der den Ehrentitel Damang führt, 
zum Oberhäuptling der Landschaft Katingan von der 
Regierung ernannt. Er war getauft und beabsichtigte 
auch in der neuen, ganz heidnischen Umgebung als Christ 
zu leben. Aber er erlag den an ihn herantretenden 
Versuchungen und nahm eine zweite Frait. Die erste 
Fran hatte er bei mir im Taufunterricht zurückgelafsen, 
um zunächst für sie in der neuen Heimat ein Haus zu 
dauen. Nach vielfachen Ermahnungen unsererseits kam 
ꝛx dann vor 2 Jahren hierher zurück, versoͤhnte sich mit 
einer ersten Frau, die indessen getauft war, uud ver— 
prach, sich von der anderen zu scheiden. Aber er glaubte, 
nachdem er zurückgekehrt war, sein Versprechen nicht 
jalten zu köunen. Da schriftliche Ermahnungen nichts 
ruchteten, so bekam ich auf der letzten Conferenz April 85) 
den Auftrag, ihn zu besuchen, uͤm womöglich seelsorge— 
risch auf ihn einzuwirken.“ 
Hier haben wir in kurzen, schlichten Worten den Be— 
veggrund zu der schwierigen, gefahrvollen Reise. Diese 
vird eingehend geschildert. Nach vielen mühevollen Tage— 
eisen erreichte Hendrich endlich die Wohnung der rechten 
Frau Damang's. Aber er selbst war nicht zu Hause. 
Schon zwei Monate war er fort und seine Ruͤckkehr 
ganz unbestimmt. Da macht sich der Missionar auf 
toch tiefer in's Land hinein, um ihn aufzusuchen. „Schon 
57 geographische Meilen,“ so schreibt er einige Tage 
päter, „hatte ich zurückgelegt und auf diesem Wege in 
10 Ortschaften Jesum Christum als Erretter und Hei— 
and verkündigt. Noch aber war das Ziel nicht errecch, 
denn Damang hielt sich in dem noch 5 Stunden von 
dort gelegenen Tampak auf.“ Auch dorthin treibt die 
uchende Liebe den Missionar, und er kann ihm nun 
sagen: „So teuer und wert ist das Heil Deiner Seele, 
daß ich um Deinetwillen die weite und gefahrvolle Reise 
gemacht habe. Daraus kannst Du erkennen, wie sehr 
Dich Gott liebt!“ 
Doch noch ein anderes erregt bei dieser Reisebeschrei— 
buug unser Interesse. Es wird uns aus eig'ner Anschauung 
geschildert, in welch traurigem und trostlosem Zustande 
ein Volk sich befindet, dem das Christentum noch ganz 
remd ist. Und so wirds uns bei der Lectüre des 
Reiseberichtes von nenem klar, wie wichtig und notwen— 
dig die Missionsarbeit an diesen Heidenvölkern ist. Von 
dem Zustande und den Sitten jener Menschen, die Mis— 
ionar Hendrich traf, nur weniges: „In Telok“, schreibt 
er, „hatte ein fünfzigjähriger Mann ein zehnjähriges 
Mädchen geheiratet. Das Kind hielt sich, so lange ich 
da war, hinter seiner Mutter versteckt.“ „In Tumbang 
Samba hatte ein früherer Oberhäuptling, der Vorgän— 
ger des Damang, gerade einige Tage vor unserer An— 
unft sich die 4. Frau genommen, und weil er dieselbe 
»einem andern entführt hatte, 1500 fl. Strafe zahlen 
nüssen; sein Sohn hatte es ebenso gemacht und 1000 fl. 
ahlen müssen, und sein Knecht hatte für das gleiche 
Vergehen 300 fl. zu zahlen gehabt. Der letztere hatte 
ich darauf mit der Entführten davon gemacht.“ „In 
Mandning, wo wir übernachteten, sah es echt heidnisch 
ins. In 2 Reihen standen 87 hohe Masten aus Eichen— 
— 
Totenköpfe angebracht. Auch mancherlei Einkerbungen 
in den Masten erinnerten an die verschiedensten heidni— 
chen Gräuel. Zu Temang Pandiang fanden wir auch, 
vie an anderen Orten, viele Pantar mit Totenköpfen. 
hier ließ der Häuptling einer herumschweifenden Bande 
einen Kopf, den er erbeutet hatte, trocknen und 2 junge 
Männer im Block verwahren. Den einen hatte er ge— 
'angen gesetzt, weil dessen Schwiegervater ihm einen 
)eiligen Topf gestohlen hatte, den andern, weil sein Bru— 
der ihm Geld gestohlen habe. Man erzählte mir, beide 
ollten, falls sie nicht ausgelöst würden, nach dem Ju— 
ieren ats Opfer für Totenfeste verkauft oder sonst wo 
hres Kopfes verlustig werden.“ „Auch von einer ge— 
s'ade bei unserer Durchreise stattgehabten großartigen 
dopfabschneiderei mußte ich hören. Vor Jahr und Tag 
hatte ein Mann, namens Tingkes, mit seinem Anhange 
die Angehörigen eines gewissen Salach überfallen und 
zabei unter anderem 2 Köpfe erbentet. Nun hatte jetzt 
Zalach mit seinen Leuten wochenlang in der Nähe des 
hauses des Tingkes im Walde gelauert und dann, als 
inige Männer das Haus verlassen hatten, das Haus 
gestürmt und 18 Männern, darunter auch Tingkes selbst, 
die Köpfe abgeschlagen. Darauf thaten sich wiederum 
Verwandte des Tingkes mit anderen zusammen und 
nachten, 400 Mann stark, einen Rachezug gegen die 
Dörfer, wo Salach und seine Leute wohnten.“ „Bei einer 
Ansprache an eine Anzahl versammelter Heiden bemerkte 
ich, wie alle Anwesenden auf etwas hinter mir ihre 
Blicke richteten. Als ich mich umwandte, erblickte ich 
inen gar verwegenen Mann mit seinem Mandau (Schwert) 
sinter mir stehend, ein Anblick, der mir unvergeßlich 
»leiben wird. Es kostete mir iu diesem Augenblicke 
einige Mühe, fest daran zu halten, daß ich in Gottes 
dand stehe.“ „Am Nachmittag besuchten mich zwei 
Männer, die nicht abgeneigt waren, Christen zu wer— 
den, wenn ein Missionar dort wäre. Der eine von 
hnen sagte, was ich schon oft gehört, nämlich: sie könn— 
den nicht anders, als den Geistern opfern, weil sie sonst 
von denselben gequalt würden.“ „In allen Dorfern,
	        
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