Full text: Der Saar-Freund (7.1926)

Deutschlands Strom — deutschlands herz. 
Befreiungsfeier des Westausschusses für Rhein, Saar und pPPfalz. 
Der Reichstag sah am Sonntag, dem 7. März, eine festliche 
versammlung in seinen Räumen, die Reden, die dort gehalten 
warbden, waten frei von parteipolitischem Streit — eine leider 
seen sestslellbare Tatsache. Man sang diesmal das hohe Lied 
ren rheinischer Freiheit, deutscher Einheit und deutschem Sehnen 
Der Westausschuß für Rhein, Saax und Pfalz — die Arbeits- 
gemeinschaft landsmannschaftlicher Verbände des Westens hatten 
zu einer rheinischen Gedentfeier aus Anlaß der Befreiung der 
Kolner Zone eingeladen. Und der Ruf hatte gezündet, in über— 
großer Zahl waren sie gekommen, um zu hören von rheinischem 
Wesen, rheinischer Kullur, rheinischem Deutschtum und rhei⸗ 
nischer Treue .. 
Der Vorsitzende des Westausschusses, Präsident Dr. Kauf— 
mann-Berlin, sprach zunächst herzliche Worte des Dankes und 
der Erinnerung; Worte des Dankes än die rheinischen Brüder, 
— DD 
wirtschajtliche Rot erduldet, allen Verwelschungsbestrebungen zum 
Trotz sich entschlossener denn je auf ihr tief, verwurzeltes deutsches 
und preußisches Wesen besonnen hätten. Worte des Dankes für 
ihren stillen Heldenmut, ihre unwandelbare Treue und vorbild— 
liche Geschlossenheit. Er gedachte weiter der noch unerlösten 
Voltsgenossen in der zweiten und dritten Zone, die noch weiter⸗— 
trotz völliger Entwaffnung Deutschlands die Lasten und 
eiden remder Besatßzung zu tragen haben. 
Als erster Festredner behandelte dann Geheimrat Prof. Dr. 
Erich Marcks-Berlin „Die Freiheit des Rhein— 
tandes“. Er ging von den Befreiungsfeiern am Rhein aus, 
die man zwar in Berlin nicht unmittelbar erlebt habe, die aber 
dennoch bis hierher mitempsunden worden seien. Wir alle seien 
unserem Westen in Freud und Leid auf das innerste verbunden 
Wer es nicht gewußt hätte, daß eine Schicksalsgemeinschaft uns 
mit dem Rhein vertnüpft, unverbrüchlich, auf Leben und Tod 
der hütte dies jetzt vor Augen und in der Seele: Gemeinschaft, 
und deshalb Hoffnung und Willen, solange Deutschland selber 
lebt. Er fuhr dann fort: Rie war das Rheinland für Deutschland 
wichtiger als vor 1914, nie das Reich wichtiger sür das Rhein— 
land, der Ruls des deutschen Lebens wurde von darther ve— 
stimmt; den Weltzug der deutschen, voran der rheinischen In— 
dustrie, deckte die Staͤrke Gesamideutschlands. Ober- und Nieder— 
rhein waren seit 1371 beieinander und in Art, Wirtschaft und 
Feist blühte ganz Deutschland auf, mit lebendiger, blutender 
Eröße, unter dem Schutze der Macht. Heute stehen jene Jahr 
zehnte des neuen Reiches vor uns wie ein Wunder — nicht wie 
Selbstperständlichkeit! Heute geht unser Blick vergleichend auf 
diese Veraangenheit. auf alle unsere Vergangenheit zurück 
Die Jahrtausendfeier von 1925 ist zu einem brausenden 
nationalen Bekenntnisse der Millionen geworden, im Rheintand 
und in Deutschland, bis nach Wien hinüber, allüberall. Das 
bleibt ihr eigentlicher Ertrag. Sie hat uns überdies die Er— 
kenntnis eingegtaben: In tausend Jahren, in, allen Auf und Ab, 
hatten Deutschland und Rheinland dasselbe Schicksal. Beide waren 
sie groß in den Zeiten der Einheit, beide waren sie nichts in den 
Zeiten der Zersplitterung. Ueber die Zue der sranzösischen 
Fremdherrschaft ist das Rheinland in das 19. Jahrhundert hanein⸗ 
ritten aber über sie hinweg ist es auch heimgeschritten ins 
aterhaus. Es ist nicht gern französisch gewesen, das wissen 
wir jert; es blieb deutsch und trat 184186 freudig zu 
Deutschlaund zurück. Rheinland und Preußen haben sich 
gegeneitig befruchtet, das erste gab dem zweiten Bewegung und 
Augettung, Hreußen gab ihm in Heer und Staat und Geist 
lebendige —*8 Vom östlich kolonialen Boden kam der 
alten Heimat der Kolonisation deutsche Geisteskultur zurück: der 
Ring der Entwicklung schloß sich wieder. Der Rhein trat in den 
preußischen, er trat in den deutschen Großstaat ein. Der Rhein 
wurde groß. Aber zu etwas Ganzemsin sich und für 
hich aklein wurde er nicht — so wenig wie je zuvor 
Landesgestaltung und Stammesart gingen das Rheinland hinauf 
und hinab, mannigfach, sie zerschnesden es geographisch in drei 
Sdichten, sie zerschneiden es auch völkisch. Nie hat das 
Rheintandeinen Körper fürsichgebitdet — nur 
der Franzose hat es dazuzu mahen getrachtet. 
Das Ganze keine Einheit, die sich absondern könnte, taufend 
Klemmern, verbinden es mit dem Osten, mit allem deutschen 
Leben. Alle Verschiedenheit von Ost und West, oft gespürt, ging 
doch in der starken Einheit immer segensreicher auf. So war es 
yvor 1914 so war es im Zulsammenhali des Weltkrieges so sehnen 
lich die Kinder der Mutter Germania in Ost und West zur un— 
gehewmten Gemeinschaft hin. Das neueste und särkste, was 
Deuichland im 19. Jahrhundert errungen und in sich erlebt hat, 
ist doch das nationale eaai de und der na— 
tionale Wille, Gesamtdeutschland ist nichts ohne die Frei⸗ 
heit dieser Lande, ihrer schöpferischen Kräfte, vor allem ohne die 
Freiheit des deutschen Bodens überhaupt. Wir sfind in neue 
freiere Berührung mit Europa wieder eingerückt, um so taufe⸗r 
schreit, unsere Stellung zwischen den, Völbern 
räch diesen Abschlusse, nach diesen Ende der 
Fremdherrschaft. Die durch die Fremd— 
jewalt ist uns allen un versö v liche Schmäch; und was 
ie denen ist, auf deren tägliches Dasein ihr Joch drückt, was sie 
hnen täglich bleiben muß, selbst wenn Mißhandlung und Ent— 
behrung sich mildern, das fühlen wir innerlichst nach. Roch 
mmer ist unser heiliger Strom in Ketten. Wir 
bhlicken auf Rhein und Mosel und Saar, auf die —— der 
Pfalz, auf die Hochebenen der Eifel; wir sagen uns da Namen 
achen und Trier und Saarbrücken, Neustadt und Speyer 
Mainz und Wiesbaden und Koblenz — welche Fülle verschieden 
artiger Lebendigkeit, welche Füulle von Wünschen, von Sehnsucht 
pon Lasten, von Röten, von Schmerzen und von Forderungen. 
Wir fordern Anerkennung unseres Daseins: Anerkennung unere; 
Lebens,. unserer Freiheit. 
Der Redner streifte dann in wenigen markanten Strichen 
Frankreichs Streben, Frankreichs 8 die alle auf das 
eine hinausgehen: Frankreich will ein q sich ge 
stelltes Rheinsland — das es in der Geschi hte aber nie— 
mals gab! — um dieses Rheinland zu beherrschen. 
Wir aber am Rhein und im Reiche, wir wollen Deutsch— 
land; seine Freihein die Freiheit des Rheims 
und des Rheinländes. Nur die Treue kenn unsere 
Zukunft retten, nur die Einigkeit, die unsere grohen Jeiten 
beseelt hat je und je. Wir gruͤßen unseren Westen, wir grüßer 
den Rhein, den Rhein, der Deutschlands —— und Pnn 
lands Symbol gewesen ist und ist und bleibt: Deutschland 
Strom — Deutschlands Herz! 
Nachdem hierauf Geh. Rat Prof. Dr. Heinrich Finke-Fre— 
burg i. Br. ein Plastisches Bild von „Joseph Görres als rhei— 
nischen Patrioten“ gezeichnet hatte, behandelte Geh. Rat Prof 
Dr. Clemen-VBonn den Kölner Dom als Symbal deutiche 
Freiheit und deutscher Einheit. Er jagte u. a.? 
Als in der Mitternachsstunde des 1. Februar zwischen Cleve 
und Remagen das feierliche Singen der 20000 Kirchenglocken zur 
Einleitung der Befreiung einsetzie, zitterte in uns noch nach die 
Frinnerung an die Jahrtausendfeier des vorigen Sommers 
Lielleicht Regt es in der Natur des Rheinländers, daß er für sein 
tiefstes neen mehr nach bildhaften Symbolen sucht, wo der 
ationalistische norddeüutsche und östliche Geist sich mit der klaren 
Verstandesformel begnügte. Wenn wir etwas als dauernden 
Hewinn dieser Festzeit buchen würden, so ist es, daß die großen 
nationalen Denkmäler der Kunst in einem ungleich höheren 
Sinn geworden sind, was sie ihrem Wortsinn nach sein wollen, 
Denkzeichen, Symbole, ein Stück Abbild des geheimnisvollen 
Mythos unseres rheinischen deutschen Wesens. So haben wir 
in jenen Jahren der Knechtschaft die rheinischen Dome und 
Burgen mit neuer Inbrunst ansehen gelernt. Noch wartet die 
Trias der drei romanischen Dome am Mittelrhein auf die Stunde 
zer Erlösung. Frei reckt der Kölner Dom seine beiden Dolomiten⸗ 
ziinnen empor, so sehr das steinerne Symbol der Stadt und des 
ederrheinischen Landes, das auch in der nächtlichen Stunde der 
Befreiung vor dem Dome seinen unvergeßlichen, festlichsten Aus— 
druck finden mußte. 
Machtvollstes Denkmal des deutschen Kunst— 
wollens auf dem Wege zu der klaren Rhythmik größter Raum⸗ 
wunder, nicht die höchste Schöpfertat des deutschen mittelalter— 
lichen Genius im Gebiet der Gotik! Gern geben wir hier Frei— 
burg und Straßburg den Vortritt. Aber es war fast eine Rot— 
wendigkeit, daß über die kunsthistorische Zensur hinaus der Dom 
durch das Erleben der letzten Jahre wieder in seiner einzigartigen 
ymbolijchen Bedeutung uns vor Augen gerückt ist. Nicht die 
Stelle, die ein Bauwerk in einer formalen Entwicklung ein— 
nimmt, gibt ihm seinen Rang als Denkmal, sondern daß es 
Rahmen, und Gefäße aller geistigen und religiösen Kräfte, 
Träger der nationalen Wünsche und Sehnsüchte wird. Tieser 
saben den Dom gedeutet die Dichterstimmen von Brentano und 
deine bis auf George und Bertram. So ist er das Denkmal! 
des frühesten Sichwiederfindens im nationalen 
Hedanken für Deutschland geworden. So hat ihn 
Friedrich Wilhelm JIV. 16452 begrüßt als das Werk des 
Brudersinnes aller Deutschen aller Bekenntnisse. Der 
Preußische Staat ist dem gefolgt. Fast 6 000 000 Mark hat er bis 
zur Vollendung bereitgestellt, dazu 9000 000 Mark als Erlös der 
Dombaulotterien. 
Aber seit 20 Jahren kommen beunruhigende Meldungen 
über Veränderungen des Aeußeren. Es kann kein Zweifel sein 
der Großstadtatem, die perhängnisvolle Nähe des Hauptbahnhofes, 
der Riederschlag der schwefligen Säure aus den Rauchgasen ist 
für das am Dom vorzugsweise gewählte Steinmaterial unheil— 
voll. Man soll sich vor Aeebrtreibungen hüten. RNoch sind es 
nur Hautkrankheiten, die sich zuerst in einem Anfressen der Epi—
	        
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