Deutschlands Strom — deutschlands herz.
Befreiungsfeier des Westausschusses für Rhein, Saar und pPPfalz.
Der Reichstag sah am Sonntag, dem 7. März, eine festliche
versammlung in seinen Räumen, die Reden, die dort gehalten
warbden, waten frei von parteipolitischem Streit — eine leider
seen sestslellbare Tatsache. Man sang diesmal das hohe Lied
ren rheinischer Freiheit, deutscher Einheit und deutschem Sehnen
Der Westausschuß für Rhein, Saax und Pfalz — die Arbeits-
gemeinschaft landsmannschaftlicher Verbände des Westens hatten
zu einer rheinischen Gedentfeier aus Anlaß der Befreiung der
Kolner Zone eingeladen. Und der Ruf hatte gezündet, in über—
großer Zahl waren sie gekommen, um zu hören von rheinischem
Wesen, rheinischer Kullur, rheinischem Deutschtum und rhei⸗
nischer Treue ..
Der Vorsitzende des Westausschusses, Präsident Dr. Kauf—
mann-Berlin, sprach zunächst herzliche Worte des Dankes und
der Erinnerung; Worte des Dankes än die rheinischen Brüder,
— DD
wirtschajtliche Rot erduldet, allen Verwelschungsbestrebungen zum
Trotz sich entschlossener denn je auf ihr tief, verwurzeltes deutsches
und preußisches Wesen besonnen hätten. Worte des Dankes für
ihren stillen Heldenmut, ihre unwandelbare Treue und vorbild—
liche Geschlossenheit. Er gedachte weiter der noch unerlösten
Voltsgenossen in der zweiten und dritten Zone, die noch weiter⸗—
trotz völliger Entwaffnung Deutschlands die Lasten und
eiden remder Besatßzung zu tragen haben.
Als erster Festredner behandelte dann Geheimrat Prof. Dr.
Erich Marcks-Berlin „Die Freiheit des Rhein—
tandes“. Er ging von den Befreiungsfeiern am Rhein aus,
die man zwar in Berlin nicht unmittelbar erlebt habe, die aber
dennoch bis hierher mitempsunden worden seien. Wir alle seien
unserem Westen in Freud und Leid auf das innerste verbunden
Wer es nicht gewußt hätte, daß eine Schicksalsgemeinschaft uns
mit dem Rhein vertnüpft, unverbrüchlich, auf Leben und Tod
der hütte dies jetzt vor Augen und in der Seele: Gemeinschaft,
und deshalb Hoffnung und Willen, solange Deutschland selber
lebt. Er fuhr dann fort: Rie war das Rheinland für Deutschland
wichtiger als vor 1914, nie das Reich wichtiger sür das Rhein—
land, der Ruls des deutschen Lebens wurde von darther ve—
stimmt; den Weltzug der deutschen, voran der rheinischen In—
dustrie, deckte die Staͤrke Gesamideutschlands. Ober- und Nieder—
rhein waren seit 1371 beieinander und in Art, Wirtschaft und
Feist blühte ganz Deutschland auf, mit lebendiger, blutender
Eröße, unter dem Schutze der Macht. Heute stehen jene Jahr
zehnte des neuen Reiches vor uns wie ein Wunder — nicht wie
Selbstperständlichkeit! Heute geht unser Blick vergleichend auf
diese Veraangenheit. auf alle unsere Vergangenheit zurück
Die Jahrtausendfeier von 1925 ist zu einem brausenden
nationalen Bekenntnisse der Millionen geworden, im Rheintand
und in Deutschland, bis nach Wien hinüber, allüberall. Das
bleibt ihr eigentlicher Ertrag. Sie hat uns überdies die Er—
kenntnis eingegtaben: In tausend Jahren, in, allen Auf und Ab,
hatten Deutschland und Rheinland dasselbe Schicksal. Beide waren
sie groß in den Zeiten der Einheit, beide waren sie nichts in den
Zeiten der Zersplitterung. Ueber die Zue der sranzösischen
Fremdherrschaft ist das Rheinland in das 19. Jahrhundert hanein⸗
ritten aber über sie hinweg ist es auch heimgeschritten ins
aterhaus. Es ist nicht gern französisch gewesen, das wissen
wir jert; es blieb deutsch und trat 184186 freudig zu
Deutschlaund zurück. Rheinland und Preußen haben sich
gegeneitig befruchtet, das erste gab dem zweiten Bewegung und
Augettung, Hreußen gab ihm in Heer und Staat und Geist
lebendige —*8 Vom östlich kolonialen Boden kam der
alten Heimat der Kolonisation deutsche Geisteskultur zurück: der
Ring der Entwicklung schloß sich wieder. Der Rhein trat in den
preußischen, er trat in den deutschen Großstaat ein. Der Rhein
wurde groß. Aber zu etwas Ganzemsin sich und für
hich aklein wurde er nicht — so wenig wie je zuvor
Landesgestaltung und Stammesart gingen das Rheinland hinauf
und hinab, mannigfach, sie zerschnesden es geographisch in drei
Sdichten, sie zerschneiden es auch völkisch. Nie hat das
Rheintandeinen Körper fürsichgebitdet — nur
der Franzose hat es dazuzu mahen getrachtet.
Das Ganze keine Einheit, die sich absondern könnte, taufend
Klemmern, verbinden es mit dem Osten, mit allem deutschen
Leben. Alle Verschiedenheit von Ost und West, oft gespürt, ging
doch in der starken Einheit immer segensreicher auf. So war es
yvor 1914 so war es im Zulsammenhali des Weltkrieges so sehnen
lich die Kinder der Mutter Germania in Ost und West zur un—
gehewmten Gemeinschaft hin. Das neueste und särkste, was
Deuichland im 19. Jahrhundert errungen und in sich erlebt hat,
ist doch das nationale eaai de und der na—
tionale Wille, Gesamtdeutschland ist nichts ohne die Frei⸗
heit dieser Lande, ihrer schöpferischen Kräfte, vor allem ohne die
Freiheit des deutschen Bodens überhaupt. Wir sfind in neue
freiere Berührung mit Europa wieder eingerückt, um so taufe⸗r
schreit, unsere Stellung zwischen den, Völbern
räch diesen Abschlusse, nach diesen Ende der
Fremdherrschaft. Die durch die Fremd—
jewalt ist uns allen un versö v liche Schmäch; und was
ie denen ist, auf deren tägliches Dasein ihr Joch drückt, was sie
hnen täglich bleiben muß, selbst wenn Mißhandlung und Ent—
behrung sich mildern, das fühlen wir innerlichst nach. Roch
mmer ist unser heiliger Strom in Ketten. Wir
bhlicken auf Rhein und Mosel und Saar, auf die —— der
Pfalz, auf die Hochebenen der Eifel; wir sagen uns da Namen
achen und Trier und Saarbrücken, Neustadt und Speyer
Mainz und Wiesbaden und Koblenz — welche Fülle verschieden
artiger Lebendigkeit, welche Füulle von Wünschen, von Sehnsucht
pon Lasten, von Röten, von Schmerzen und von Forderungen.
Wir fordern Anerkennung unseres Daseins: Anerkennung unere;
Lebens,. unserer Freiheit.
Der Redner streifte dann in wenigen markanten Strichen
Frankreichs Streben, Frankreichs 8 die alle auf das
eine hinausgehen: Frankreich will ein q sich ge
stelltes Rheinsland — das es in der Geschi hte aber nie—
mals gab! — um dieses Rheinland zu beherrschen.
Wir aber am Rhein und im Reiche, wir wollen Deutsch—
land; seine Freihein die Freiheit des Rheims
und des Rheinländes. Nur die Treue kenn unsere
Zukunft retten, nur die Einigkeit, die unsere grohen Jeiten
beseelt hat je und je. Wir gruͤßen unseren Westen, wir grüßer
den Rhein, den Rhein, der Deutschlands —— und Pnn
lands Symbol gewesen ist und ist und bleibt: Deutschland
Strom — Deutschlands Herz!
Nachdem hierauf Geh. Rat Prof. Dr. Heinrich Finke-Fre—
burg i. Br. ein Plastisches Bild von „Joseph Görres als rhei—
nischen Patrioten“ gezeichnet hatte, behandelte Geh. Rat Prof
Dr. Clemen-VBonn den Kölner Dom als Symbal deutiche
Freiheit und deutscher Einheit. Er jagte u. a.?
Als in der Mitternachsstunde des 1. Februar zwischen Cleve
und Remagen das feierliche Singen der 20000 Kirchenglocken zur
Einleitung der Befreiung einsetzie, zitterte in uns noch nach die
Frinnerung an die Jahrtausendfeier des vorigen Sommers
Lielleicht Regt es in der Natur des Rheinländers, daß er für sein
tiefstes neen mehr nach bildhaften Symbolen sucht, wo der
ationalistische norddeüutsche und östliche Geist sich mit der klaren
Verstandesformel begnügte. Wenn wir etwas als dauernden
Hewinn dieser Festzeit buchen würden, so ist es, daß die großen
nationalen Denkmäler der Kunst in einem ungleich höheren
Sinn geworden sind, was sie ihrem Wortsinn nach sein wollen,
Denkzeichen, Symbole, ein Stück Abbild des geheimnisvollen
Mythos unseres rheinischen deutschen Wesens. So haben wir
in jenen Jahren der Knechtschaft die rheinischen Dome und
Burgen mit neuer Inbrunst ansehen gelernt. Noch wartet die
Trias der drei romanischen Dome am Mittelrhein auf die Stunde
zer Erlösung. Frei reckt der Kölner Dom seine beiden Dolomiten⸗
ziinnen empor, so sehr das steinerne Symbol der Stadt und des
ederrheinischen Landes, das auch in der nächtlichen Stunde der
Befreiung vor dem Dome seinen unvergeßlichen, festlichsten Aus—
druck finden mußte.
Machtvollstes Denkmal des deutschen Kunst—
wollens auf dem Wege zu der klaren Rhythmik größter Raum⸗
wunder, nicht die höchste Schöpfertat des deutschen mittelalter—
lichen Genius im Gebiet der Gotik! Gern geben wir hier Frei—
burg und Straßburg den Vortritt. Aber es war fast eine Rot—
wendigkeit, daß über die kunsthistorische Zensur hinaus der Dom
durch das Erleben der letzten Jahre wieder in seiner einzigartigen
ymbolijchen Bedeutung uns vor Augen gerückt ist. Nicht die
Stelle, die ein Bauwerk in einer formalen Entwicklung ein—
nimmt, gibt ihm seinen Rang als Denkmal, sondern daß es
Rahmen, und Gefäße aller geistigen und religiösen Kräfte,
Träger der nationalen Wünsche und Sehnsüchte wird. Tieser
saben den Dom gedeutet die Dichterstimmen von Brentano und
deine bis auf George und Bertram. So ist er das Denkmal!
des frühesten Sichwiederfindens im nationalen
Hedanken für Deutschland geworden. So hat ihn
Friedrich Wilhelm JIV. 16452 begrüßt als das Werk des
Brudersinnes aller Deutschen aller Bekenntnisse. Der
Preußische Staat ist dem gefolgt. Fast 6 000 000 Mark hat er bis
zur Vollendung bereitgestellt, dazu 9000 000 Mark als Erlös der
Dombaulotterien.
Aber seit 20 Jahren kommen beunruhigende Meldungen
über Veränderungen des Aeußeren. Es kann kein Zweifel sein
der Großstadtatem, die perhängnisvolle Nähe des Hauptbahnhofes,
der Riederschlag der schwefligen Säure aus den Rauchgasen ist
für das am Dom vorzugsweise gewählte Steinmaterial unheil—
voll. Man soll sich vor Aeebrtreibungen hüten. RNoch sind es
nur Hautkrankheiten, die sich zuerst in einem Anfressen der Epi—