im Rate der Völker einzunehmen berechtigt ist. Gerade was
sich in den abgelaufenen 14 Tagen vor den Augen der staunen—
den Welt in Genf entwickelt hat, muß Teutschland zu Be—
sonnenheit, zu zähem Willen, zur Selbstbehauptung an—
spornen. Wir müssen mit den neu zutage getretenen Tat—
sochen rechnen, und in kühler Erwägung unser Ziel fest ins
Ruge fassen, uns von übereilten Entschlüssen fernhatten, und
durch makelloses Verhalten der Welt beweisen, daß sie nur
an deutschem Wesen wieder genesen kann.
Für das Saargebiet gilt es unter diesen Umständen die
Hoffnungen auf das Ergebnis der Saarverhandlungen nicht
allzuhoch zu spannen. Möge die Lösung der Präsi—
dentenfrage für das Saargebiet so oder
so aussallen, ir werden uns vor Augen halten müssen, daß
diese Lösung nicht in aufrichtiger Verhand-—
lungmit Deutschlandzustandekommenwird
sdondern auf Grund von Abreden, die ins
geheim innerhalb der Ententemächte vor
sichgegangen sind. Man spricht allgemein davon, daß
der Kanadier Stephens Nachfolger Herrn Raults werden
wird. Seien wir uns heute dessen bewußt, daß Herr
Stephens eine Kompromißkandidatur
der Ententemächte nicht aber das Verein—
barungsergebnis zwischen Deutschland und
den übrigen Ratsmächten sein wird. Man
spricht auch bereits davon, daß der Belgier Lambert,
der ebenfalls seine Kandidatur für den Präsidentenposten,
sogar mit der Drohung seines Rücktritts, anmeldete, seine
Drohung nicht wahr macht und Saarregierungs-Mitglied
bleibt. Es heißt weiter, daß der bisherige Generalsekretär
der Negierungskommission, der Franzose Morize, künf—
tiges französisches Mitglied der Regierungs—
kommission werden soll. Daß Herr Vezenski durch eine andere
neutralere Persönlichkeit ersetzt werden würde, davon ver
autet auch nichts. Es würde also, nachdem, wie sich die Ding«
nach der völlig verfahrenen Lage in Genf zur Zeit darstellen
eine Neugruppierung der Mächtegruppen
wie sie bisher inder Regierungskommission vor
handen war, nicht eintreten. Dem vielleicht neutra
ein sollenden künftigen Sgarpräsidenten Stephens und dem
saarländischen Mitglied Koßmann würden agauch in Zu—
kunft drei französische bezw. francophile
Mitglieder gegenüberstehen. Auch in Zukunfi
würde also der französische Einfluß in der Saarregierung
überwiegen. Es kommt noch hinzu, daß die Ernennung des
Herrn Morize zum französischen Mitglied der Regierungs—
kommission die Gewähr dafür bietet, daß an der Zu—
am ensezune des Beamtenapparates der
egierungskommission eine Aenderung
nicht vorgenommen wird, so daß auch in Zu
kunft die französischen Beamten mit un—
gefähr ßdes gesamten Beamtenapparate⸗«
überwiegenwerden.
Man soll sich gewiß vor Pessimismus hüten, aber ebense
erscheint es nach den jezigen Vorgängen in Genf angebracht
ich auch von unangebrachtem Optimismus fern zu halten.
Wir glauben nicht, daß die französische Politik im Saar—
gebiet durch die Veränderung auf dem Präsidentenposten der
Saarregierung eine Aenderung erfahren wird, glauben es
um so weniger, als auch in Zukunft die französische Berg—
werksdirektion die Wege vorschreiben wird, die die Saar—
regierung „zur Sicherung einer ungehinderten Ausbeute der
Saargruben“ zu gehen hat. Zu dieser Auffassung müssen wir
fommen, angesichts des Völkerbundsstandals, wie er sich ir
den letzten 14 Tagen vor unsern Augen abspielte.
Sechs Jahre Franzosenherrschaft im Saargebiet.
sVon unseren Saarbrücker Mitarbeiter.
„Vor Tische las man's anders!“
Schiller: „Wallenstein.“
Die so oft kampfumtobte und steis kampferpröbte West.
mark des Reiches, die deutsche Grenzbastei, das Saar—
gebiet, sah in ihrem Ringen um Gerechtigkeit und deutsche
Freiheit in der aufgeflogenen Tagung des Völkerbundes
den ersten Hoffnungsstrahl einer besseren Zeit. Der Prä
sident der sog. neutralen Regierungskommission des Landes
Rault, wird am 1. April sein übelverwaltetes Amt niederlegen
in dem er 6 Jahre nur zwei Ziele im Auge hatte, der endgültigen
Annektion des Landes den Weg zu bereiten, die Unterdrückung
des Deutschtums und seine Ausbeutung mit allen Mitteln des
Unrechts zu betreiben. Ein endloser, bitterer Leidensweg liegt
hinter dem 800 000 Seelen zählenden Land, das durch Kohlen
schätze, Industrie, wie durch Naturschönheit gleich ausgezeichne!
ist. Der schönste Schmuck des Saarreviers ist und bleibt aber
das kerndeutsche Volk, das in der Abwehr landfremder Herrscher
gelüste in seiner, alle Parteien umfassenden Einigkeit dem deut
schen Volke ein vorbildlich leuchtendes Beispiel gegeben hat
Charakterfest, hat es sich nicht gebeugt; oft genug Hieb mit Gegen—
hieb beantwortet und in kühnem Angriff sein Germanentum rück
fichtslos verteidigt. Wurden auch hunderte durch die Gewalt⸗
haber rechtlos von Haus und Hof vertrieben, andere traten mutig
an ihre Stelle und hinter ihnen ein Volk, entichlossen, keinem
Machtspruch zu weichen.
Der Völkerbund beglückte das Land 1920 mit einer Treu—
händerverwaltung, deren 53 Mitglieder mit einer Ausnahme
völlig französisch eingestellt waren. An ihrer Spitze Victor
Rault, seines Zeichens französischer Staatsrat und Chauvinist,
der sich sofort die wichtigsten Verwaltungszweige zu sichern
wußte: das Innere, die auswärtigen Fragen, Handel, Industrie,
Oberbergamt und Zollwesen. Wohl sprach er in seiner Pro—
klamation schönrednerisch von Freiheit, Ordnung, sogar von
Volisvertrauen, aber er drohte sosort dem deutschen Lande „eitle
oder gar perbrecherische Anschauungen unnachsichtlich zu unter—
drücken“. Wohin diese Floskel zielte, wurde sehr bald jeder—
mann klar.
Von der ersten Stunde seines Auftretens bis zu seinem doch
mehr unfreiwilligen Rücktritt blieb für den Präsidenten die un—
veränderliche Richtschnur ein fanatischer Haß gegen die Deutschen.
bis in seiner Sünde Fülle das Maß überlief. Der Völkerbunt
sah jahrelang tatenlos dem sinnlosen Treiben zu.
„Vor Tische las man's anders!“ Die Entschließung des
Völkerbundsrates vom 183. Februar 1920 lautet: „Die Re—
gierungs-Kommission des Saargebietes bieteil
gleichsam die Verkörperung der hohen Prin—
zipien, die die Grändung des Völkerbundes
veranlaßt haben und die sein Werk der Begründung des
Friedens und methodischer Ordnung leiten sollen. Der Völker—
hundsrat will hierbei einen positiven Beweis für die praktische
Anwendung der Rechte liefern, mit denen der Völkerbund aus—
gestattet ist. Und weiter Ziffer III der Instruktionen des
Völkerbundsrates vom 13. Februar 1920 für die R.K. des Saar—
gebiets: „Den Bewohnern des Gebietes soll jeder
materielle und moralische Schaden erspart unt
ihre Rechtslage verbessert werden.“
Dies Wohlwollen war nur ein wirkungsvolles Aushänge—
schild, weiter nichts. Die Taten straften das Wort Lügen. Nur
an dem Wall der Verteidiger scheiterten Raults Pläne. Das
hart bedrängte Land atmet heute auf: Politisch nahen
wohl bessere Tage, wirtschaftlich verläßt die
französische Herrschaft das einst blühende Saar—
land als Trümmerfeld. Doch alles Elend tritt zurüd
in der Hoffnung auf die Rückktehr zum Vaterlande. Niemals wird
das Saarvolk mit den Franzosen paktieren; wie die Väter, so
werden die Enkel Frankreichs Ziel, den Besitz des Saarbeckens,
zu vereiteln wissen. Die Welschen zeigten 1793, 1860, 1866 das⸗
selbe Begehren, das Wilson nur mit Not und Mühe 1918 ver—
eitelte. Was in Versailles mißglückte, sollte und wollte Rault
durch ein Schreckensregiment erreichen. Alle maßgebenden
Ressortposten besetzte er mit seinen, ihm treu ergebenden Lands—
leuten. Den Deutschen wurde die Einreiseerlaubnis verweigert
die einwandernden Franzosen dagegen mit Freuden aufgenom—
men und ihnen sogar kurzerhand unter dem seltsamen Tite—
„Saareinwohner“ Bürgerrecht verliehen. Ein großer Spionage—
und Spitzelapparat nahm das wurmstichige Gesindel auf, und e—
begann eine jahrelange brutale Hetze gegen das Deutschtum. Vor
Lug und Betrug, wie ihnen in Genf öffentlich bestätigt wurde