Full text: Der Saar-Freund (7.1926)

im Rate der Völker einzunehmen berechtigt ist. Gerade was 
sich in den abgelaufenen 14 Tagen vor den Augen der staunen— 
den Welt in Genf entwickelt hat, muß Teutschland zu Be— 
sonnenheit, zu zähem Willen, zur Selbstbehauptung an— 
spornen. Wir müssen mit den neu zutage getretenen Tat— 
sochen rechnen, und in kühler Erwägung unser Ziel fest ins 
Ruge fassen, uns von übereilten Entschlüssen fernhatten, und 
durch makelloses Verhalten der Welt beweisen, daß sie nur 
an deutschem Wesen wieder genesen kann. 
Für das Saargebiet gilt es unter diesen Umständen die 
Hoffnungen auf das Ergebnis der Saarverhandlungen nicht 
allzuhoch zu spannen. Möge die Lösung der Präsi— 
dentenfrage für das Saargebiet so oder 
so aussallen, ir werden uns vor Augen halten müssen, daß 
diese Lösung nicht in aufrichtiger Verhand-— 
lungmit Deutschlandzustandekommenwird 
sdondern auf Grund von Abreden, die ins 
geheim innerhalb der Ententemächte vor 
sichgegangen sind. Man spricht allgemein davon, daß 
der Kanadier Stephens Nachfolger Herrn Raults werden 
wird. Seien wir uns heute dessen bewußt, daß Herr 
Stephens eine Kompromißkandidatur 
der Ententemächte nicht aber das Verein— 
barungsergebnis zwischen Deutschland und 
den übrigen Ratsmächten sein wird. Man 
spricht auch bereits davon, daß der Belgier Lambert, 
der ebenfalls seine Kandidatur für den Präsidentenposten, 
sogar mit der Drohung seines Rücktritts, anmeldete, seine 
Drohung nicht wahr macht und Saarregierungs-Mitglied 
bleibt. Es heißt weiter, daß der bisherige Generalsekretär 
der Negierungskommission, der Franzose Morize, künf— 
tiges französisches Mitglied der Regierungs— 
kommission werden soll. Daß Herr Vezenski durch eine andere 
neutralere Persönlichkeit ersetzt werden würde, davon ver 
autet auch nichts. Es würde also, nachdem, wie sich die Ding« 
nach der völlig verfahrenen Lage in Genf zur Zeit darstellen 
eine Neugruppierung der Mächtegruppen 
wie sie bisher inder Regierungskommission vor 
handen war, nicht eintreten. Dem vielleicht neutra 
ein sollenden künftigen Sgarpräsidenten Stephens und dem 
saarländischen Mitglied Koßmann würden agauch in Zu— 
kunft drei französische bezw. francophile 
Mitglieder gegenüberstehen. Auch in Zukunfi 
würde also der französische Einfluß in der Saarregierung 
überwiegen. Es kommt noch hinzu, daß die Ernennung des 
Herrn Morize zum französischen Mitglied der Regierungs— 
kommission die Gewähr dafür bietet, daß an der Zu— 
am ensezune des Beamtenapparates der 
egierungskommission eine Aenderung 
nicht vorgenommen wird, so daß auch in Zu 
kunft die französischen Beamten mit un— 
gefähr ßdes gesamten Beamtenapparate⸗« 
überwiegenwerden. 
Man soll sich gewiß vor Pessimismus hüten, aber ebense 
erscheint es nach den jezigen Vorgängen in Genf angebracht 
ich auch von unangebrachtem Optimismus fern zu halten. 
Wir glauben nicht, daß die französische Politik im Saar— 
gebiet durch die Veränderung auf dem Präsidentenposten der 
Saarregierung eine Aenderung erfahren wird, glauben es 
um so weniger, als auch in Zukunft die französische Berg— 
werksdirektion die Wege vorschreiben wird, die die Saar— 
regierung „zur Sicherung einer ungehinderten Ausbeute der 
Saargruben“ zu gehen hat. Zu dieser Auffassung müssen wir 
fommen, angesichts des Völkerbundsstandals, wie er sich ir 
den letzten 14 Tagen vor unsern Augen abspielte. 
Sechs Jahre Franzosenherrschaft im Saargebiet. 
sVon unseren Saarbrücker Mitarbeiter. 
„Vor Tische las man's anders!“ 
Schiller: „Wallenstein.“ 
Die so oft kampfumtobte und steis kampferpröbte West. 
mark des Reiches, die deutsche Grenzbastei, das Saar— 
gebiet, sah in ihrem Ringen um Gerechtigkeit und deutsche 
Freiheit in der aufgeflogenen Tagung des Völkerbundes 
den ersten Hoffnungsstrahl einer besseren Zeit. Der Prä 
sident der sog. neutralen Regierungskommission des Landes 
Rault, wird am 1. April sein übelverwaltetes Amt niederlegen 
in dem er 6 Jahre nur zwei Ziele im Auge hatte, der endgültigen 
Annektion des Landes den Weg zu bereiten, die Unterdrückung 
des Deutschtums und seine Ausbeutung mit allen Mitteln des 
Unrechts zu betreiben. Ein endloser, bitterer Leidensweg liegt 
hinter dem 800 000 Seelen zählenden Land, das durch Kohlen 
schätze, Industrie, wie durch Naturschönheit gleich ausgezeichne! 
ist. Der schönste Schmuck des Saarreviers ist und bleibt aber 
das kerndeutsche Volk, das in der Abwehr landfremder Herrscher 
gelüste in seiner, alle Parteien umfassenden Einigkeit dem deut 
schen Volke ein vorbildlich leuchtendes Beispiel gegeben hat 
Charakterfest, hat es sich nicht gebeugt; oft genug Hieb mit Gegen— 
hieb beantwortet und in kühnem Angriff sein Germanentum rück 
fichtslos verteidigt. Wurden auch hunderte durch die Gewalt⸗ 
haber rechtlos von Haus und Hof vertrieben, andere traten mutig 
an ihre Stelle und hinter ihnen ein Volk, entichlossen, keinem 
Machtspruch zu weichen. 
Der Völkerbund beglückte das Land 1920 mit einer Treu— 
händerverwaltung, deren 53 Mitglieder mit einer Ausnahme 
völlig französisch eingestellt waren. An ihrer Spitze Victor 
Rault, seines Zeichens französischer Staatsrat und Chauvinist, 
der sich sofort die wichtigsten Verwaltungszweige zu sichern 
wußte: das Innere, die auswärtigen Fragen, Handel, Industrie, 
Oberbergamt und Zollwesen. Wohl sprach er in seiner Pro— 
klamation schönrednerisch von Freiheit, Ordnung, sogar von 
Volisvertrauen, aber er drohte sosort dem deutschen Lande „eitle 
oder gar perbrecherische Anschauungen unnachsichtlich zu unter— 
drücken“. Wohin diese Floskel zielte, wurde sehr bald jeder— 
mann klar. 
Von der ersten Stunde seines Auftretens bis zu seinem doch 
mehr unfreiwilligen Rücktritt blieb für den Präsidenten die un— 
veränderliche Richtschnur ein fanatischer Haß gegen die Deutschen. 
bis in seiner Sünde Fülle das Maß überlief. Der Völkerbunt 
sah jahrelang tatenlos dem sinnlosen Treiben zu. 
„Vor Tische las man's anders!“ Die Entschließung des 
Völkerbundsrates vom 183. Februar 1920 lautet: „Die Re— 
gierungs-Kommission des Saargebietes bieteil 
gleichsam die Verkörperung der hohen Prin— 
zipien, die die Grändung des Völkerbundes 
veranlaßt haben und die sein Werk der Begründung des 
Friedens und methodischer Ordnung leiten sollen. Der Völker— 
hundsrat will hierbei einen positiven Beweis für die praktische 
Anwendung der Rechte liefern, mit denen der Völkerbund aus— 
gestattet ist. Und weiter Ziffer III der Instruktionen des 
Völkerbundsrates vom 13. Februar 1920 für die R.K. des Saar— 
gebiets: „Den Bewohnern des Gebietes soll jeder 
materielle und moralische Schaden erspart unt 
ihre Rechtslage verbessert werden.“ 
Dies Wohlwollen war nur ein wirkungsvolles Aushänge— 
schild, weiter nichts. Die Taten straften das Wort Lügen. Nur 
an dem Wall der Verteidiger scheiterten Raults Pläne. Das 
hart bedrängte Land atmet heute auf: Politisch nahen 
wohl bessere Tage, wirtschaftlich verläßt die 
französische Herrschaft das einst blühende Saar— 
land als Trümmerfeld. Doch alles Elend tritt zurüd 
in der Hoffnung auf die Rückktehr zum Vaterlande. Niemals wird 
das Saarvolk mit den Franzosen paktieren; wie die Väter, so 
werden die Enkel Frankreichs Ziel, den Besitz des Saarbeckens, 
zu vereiteln wissen. Die Welschen zeigten 1793, 1860, 1866 das⸗ 
selbe Begehren, das Wilson nur mit Not und Mühe 1918 ver— 
eitelte. Was in Versailles mißglückte, sollte und wollte Rault 
durch ein Schreckensregiment erreichen. Alle maßgebenden 
Ressortposten besetzte er mit seinen, ihm treu ergebenden Lands— 
leuten. Den Deutschen wurde die Einreiseerlaubnis verweigert 
die einwandernden Franzosen dagegen mit Freuden aufgenom— 
men und ihnen sogar kurzerhand unter dem seltsamen Tite— 
„Saareinwohner“ Bürgerrecht verliehen. Ein großer Spionage— 
und Spitzelapparat nahm das wurmstichige Gesindel auf, und e— 
begann eine jahrelange brutale Hetze gegen das Deutschtum. Vor 
Lug und Betrug, wie ihnen in Genf öffentlich bestätigt wurde
	        
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