Full text: Der Saar-Freund (7.1926)

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Nachrichten aus dem 
ab getrennten 
Saar- und Pfalzgebiet 
ummer 67. Jahrgang J 
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a la! 
Mitteilungsblatt 
des 
¶Bund es der Saar Vereine 
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Berlin, 15. — 
3 
24 
Betrogen? 
Als wir unsere letzte Nummer des „Saar-Freund“ ab⸗ 
schlossen und in die Welt gehen ließen, gaben wir in unsern 
Betrachtungen über die bevorstehende entscheidungsreiche 
Völkerbundstagung unserer Auffassung dahin Ausdruck, daß 
wir trotz starken Mißtrauens, das wir dem Völkerbund 
gegenüber als Sachverwalter des Saargebiets bisher hegten 
uͤnd hegen mußten, dennoch nunmehr die schwache Hoffnung 
hätten, daß die Ententemächte sich nunmehr bemühen wür—⸗ 
den, den in Genf so laut verkündeten neuen Geist auch Deutsch⸗ 
land, auch dem Saargebiet gegenüber zur Anwendung zu 
bringen. Wir haben uns nicht freihalten können von ge— 
wissen Zweifeln, ob tatsächlich die Geistesbildung auf der 
andern Seite schon so weit Fortschritte gemacht hätte, daß 
man nunmehr mit einer Aenderung der Methoden rechnen 
und auf die Anwendung von Rechtsbegriffen im besten 
Sinne auch für das Saargebiet zählen könnte. Wir ahnten 
nicht, daß unsere Zweifel soweit berechtigt waren, wie es sich 
nun erweist. Wir glaubten nicht, daß der Völkerbund 
trotz Locarno noch das Instrumentententistischer 
Intrigen bleiben würde. 
Was aber die Welt vom 7. März bis zum Ausgang 
dieser Woche über das Intrigenspiel in Genf erlebte, das 
läßt berechtigte Zweifel aufkommen, ob man auf seiten der 
fraͤnzöfischen Machtegruppe, auf seiten der Versailler Dik— 
tatoren tatsächlich den Willen hat, mit Deutschland wieder zu 
normalen Beziehungen, in Europa zu wirklichem Friedens— 
streben zu kommen. Deutschland ist, das ist — das muß ge⸗ 
sagt werden — bis an die Grenze des Entgegenkommens ge⸗ 
gangen, die Ehre und Würde des deutschen Volkes zulassen. 
Es ist ein frevelndes Spiel in Genf getrieben worden, das 
nur das eine gute erzeugte, daß man nun weiß, welche Kräfte 
noch heute in der französischen Mächtegruppe am Werke sind, 
durch die DeutschländabermalsinLocarnobe⸗— 
trogen wurde. Im Glauben auf die Ehrlichkeit und auf 
den Friedenswillen der andern hat Deutschland sich in Locarno 
für einen Pakt entschieden und diesen in London unterzeichnet, 
hat seine parlamentarische Vertretung die Ratifizierung 
dieses Vertragswerkes beschlossen, um in Genfdarüber 
aufgeklärt zu werden, daß man in Locarno 
trotßz aller schönen Reden auf seiten Frank— 
reichs, Englands, Polens und der Tschecho— 
slowakeiernGeheimabkommenbeschloß, das 
nicht dem Völkerbund unterbreitet worden 
ist. Durch die Veröffentlichungen der „New NYork World 
huͤt die Welt erfahren, daß dieses französisch-englisch-poln ische 
Geheimabkommen Polen zu gleicher Zeit mit Deutschland 
einen ständigen Raissitz zusicherte, daß England und Frank⸗ 
reich sich verpflichtet haben, neben Polen auch noch der Kleinen 
Ententé über den jetzigen Rahmen der Ratsmitglieder hinaus 
einen Sitz im Völkerbündsrat zu gewähren. 
Als am 5. März d. J. die deutsche Delegation die Reise 
nach Genf antrat, um nach formgerechter Anmeldung Deutsch⸗ 
lands zum Völkerbund die Aufnahme Deutschlands in den 
Völkerbund vollziehen zu lassen, da ahnte niemand, daß die 
deutsche Deregation und das deutsche Volk fast 14 Tage lang 
entwürdigenden Verhandlungen beiwohnen müßte, die nur 
darauf hinausliefen, Deutschlands Rechte und Deutschlands 
Einflußmöglichkeiten im Völkerbund und im Völkerbundsrat 
zu beschneiden. Aus der Tagespresse kennt man die skanda— 
osen Vorgänge, die sich in Genf zugetragen haben, und die 
damit endeten, daß man eine Komödie inszenierte, die Polen, 
trotzdem selbst der belgische Außenminister anerkennen mußte, 
daß 75 Prozent der gesamten Weltmeinung Deutschlands 
Standpunkt vertrat, mit Deutschland in den Völkerbundsrat 
hineinmarschieren läßt. Die deutsche Delegation hat sich gegen 
diese Regelung, die nach 10tägigem widerlichem Kampf in 
Henf zustande gekommen ist, formell nicht mehr wehren 
fönnen, wollte sie nicht erreichen, daß, wiederum nach Vander— 
belde, sich “u der Weltmeinung gegen Deutschland stellen 
würde. 
Das war das Vorspiel, das es unter anderm auch 
verhinderte, daß wir heute schon in dieser Nummer n die 
Neugestaltung der Regierungskommissaion 
für das Saargebiet eingehen können. Die verschie⸗ 
denen Saarfragen, die dem Völkerbundsrat diesmal zur Ent⸗ 
scheidung unterbreitet wurden, hat man wegen dieses üblen 
Intrigenspiels bisher in Genf nicht behandeln können. Eines 
war hatte die deutsche Delegation durchgesetzt, daß die 
Saarfragen nicht eher in Genf erledigt würden, bis Deutsch⸗ 
sands Aufnahme in Bund und Rat beschlossen sei — auch 
diese Zusicherung wurde durch die Sprengung der Genfer 
Versammlung am 17. März zunichte. Wir hatten geglaubt, 
daß unter der erstmaligen Mitwirkung des deutschen Ver—⸗ 
treters die Saarfragen nunmehr eine Loͤsung finden würden, 
die den Wünschen der Saargebietsbevölkerung und den Inter⸗ 
essen Deutschlands mehr Rechnung trägt als bisher. Nach 
dem, was sich jetzt in Genf zutrug, müssen 
wir duch diese Hoffnungstreischen. Es hat sich 
erwiesen, daß auch in Zukunft im Völkerbund nicht Staaten⸗ 
hertreter nach ideellen Völkerbundsprinzipien ihre Entschei⸗ 
dungen treffen, sondern daß wie bisher Mächte⸗— 
grüppenihren Interessenkampf auf Kosten 
wahren Vöiterbundsgedankens ausfechten 
wderden. Deutschland wird sich wie bisher auch im Völker⸗ 
bund jenen Mächtegruppen gegenübersehen, die uns als 
Entente mit ihrer ganzen deutschfeindlichen Einstellung seit 
dem Kriege gegenüber standen. 
Und dennoch heißt es für das deutsche Volk: Arbeiten 
und nicht verzweifeln!, Arbeiten an einer Neu— 
gestaltung der Welt im Sinne einer wahren Völkergemein⸗ 
schaft, mit dem Ziele auf Befriedigung Europas, mit dem 
Streben nach Erlangung desPlatzes für Deutschland, den es 
Dieser Ausgabe liegt die Nr. 3, Jahrgang 2. 
der „Saarheimatbitder“ bei.
	        
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