Full text: Der Saar-Freund (7.1926)

Nachkrichten aus dem 
ab getrenuten 
Soar- uno Psalxgebiet 
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Hummer 23 7. Jahrgang 
r — — — — — — — — 
Mitteilungsblatt 
des 
Bundes der Saar Vereine 
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Borlin, 1. De zen ber 26. 
Der gegenwärtige Stand der Saartruppenfrage 
Von Joh. Görgen, Genf. 
Es ist ein eigenartiges Geschick, daß in einem Lande, 
welches der Hoheit des Völkerbundes unterstellt ist, nun— 
mehr jeit sieben Jahren immer noch ein Zustand herrscht, 
der als rechtswidrig bezeichnet werden muß. Man kann 
Berständnis dafür aufbringen, daß das Frankreich von Ver⸗ 
sailles die französischen Truppen im Saargebiet zur Siche— 
rung seiner Gruben und zur politischen Propaganda be— 
lassen hat, wenn damit auch nicht gesagt sein soll, daß der 
rechtswidrige Zustand deutscherseils anerkannt werden 
lönnte. Unverständlich erscheint es jedoch, wenn das 
Frankreich von Locarno, das auch heute noch im Gegensatz 
zu dem von Versailles im Innern des Landes steht, sich 
immer noch nicht hat entschließen können, die Truppen aus 
dem Saargebiet zurückzuziehen. Noch unverständlicher aber 
ist es, wenn der Völkerhundrat in der kommenden Sitzung 
am 6. Dezember die Saartruppenfrage wiederum vertagen 
will. Es wird damit argumentiert, daß die deutsch-franzö— 
iischen Annäherungsbestrebungen, die seit Thoiry so oft die 
ruropäischen Geister in Atem gehalten haben, durch die Auf— 
sollung dieser Frage gestört werden könnten und daß in— 
solgedessen die Besprechungen Briand-Stresemann eine un— 
liebsame Verzögerung exleiden würden. Dieses Argument 
kann nicht als stichhaltig bezeichnet werden. Denn wenn 
eit den Tagen von Thoiry das Recht in Europa seinen 
Einzug gehalten haben soll, dann wäre es doch an Frank— 
trich gelegen, endlich dem rechtswidrigen Zustand an der 
Saar ein Ende zu bereiten. Locarno liegt nun schon ein 
Jahr hinter den gegenwärtigen politischen Verhältnissen 
ind die Schwierigkeiten, die man anfangs schon zu messen 
3 sind nicht vorhanden. Denn das Saargebiet ist in 
en Garantievertrag über die westlichen Grenzen Deutsch— 
lands nicht einbezogen worden. Es hätte also Frankreich 
scchon nach Locarno die Möglichkeit gehabt, an der Soat 
inen befriedigenden Zustand zu schaffen, der dazu beige— 
tkagen hätte, die Atmesphäre ju entgiften. Wenn Frauk— 
teich die Versöhnung mit Deutschland tarsächlich will, so 
wäre die Saartruppenfrage der beste Gradmesser seiner ehr— 
lichen Politik. Aber Frankreich verfolgt mit der Belassung 
deser Truppen andere Ziele. Es will augenblicklich die 
Saartruppenfrage mit der Besetzung des Rheinlandes ver— 
nüpfen und somit einen Kuhhandel eingehen. Gegen eine 
derartige Absicht muß im Inleresse des Rechts und der An— 
hernsig der beiden Länder Einspruch erhoben werden. 
Die Saartruppen stehen in keinerlei Zusammenhaug mehr 
mit der Rheinarmee. Oder soll das Saarland immer noch 
die Truppen in seinen Grenzen beherbergen, lediglich des 
haͤlb, weil Frankreich noch keine Lust verspürt, die Rhein— 
armee zurückzuziehen und deshalb, weil die Rkeintruppen 
eine Rückendeckung im Saargebiet haben müssen? Hier 
liegt der springende Punkt der ganzen Frage. Die Sasar 
truppensindfärbiefsranzzsiicht Besatzüng— 
armee die Etappenformation, die Anfangs— 
stationen für alle möglichen Zwecke. 
Wird der Rat nunmehr endlich für die Herstellung des 
Rechtszustandes Sorge tragen oder soll weiterhin an der 
Saar unter den Augen und unter Billigung des Rates der 
gesetzwidrige Zustand erhalten bleiben? Das hieße, einen 
rechtswidrigen Zustand sanktionieren. Das aber kann der 
Völkerbund unmöglich mit seinen Zielen vereinbaren, mit 
jenen Zielen, die in der Präambel der Völkerbundsotzungen 
als „Förderung der Zusammenarbeit unter den Nationen, 
Gewährleistung des internationalen Friedens und der inter— 
nationalen Sicherheit“ bezeichnet werden. Der gegen— 
wüärtige Stand der Saartruppenfrageent— 
sprichteebenfalls nicht den Vorschriften des 
internationalen Rechtes, die fürderhin als 
Richtschnur für das tatsächliche Verhalten 
der Regicrungen anerkannt sind.“ Wenn diese 
Worte der Präambel zu den Satzungen des Genfer Bundes 
nichts anderes als schöne Worte sein sollen, dann soll der 
Rat in Genf dafür Sorge tragen, daß das internationale 
Recht, das auch für das Saarland Geltung hat. zur An— 
wendung gebracht wird. 
In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß der 
Völkerbundrat bereits einmal die Zurückziehung der Saar— 
truppen beschlossen hatte, daß er aber auch gleichzeitig die 
Regierungskommission aufforderte. einen Bericht über die 
zur Sicherung des Durchgangsverkehrs zu 
ergreifenden Maßnahmen zu erstatten. Eine bessere Waffe 
gegen das Recht konnte der Rat der Saarregierung wirklich 
nicht mehr in die Hand geben. Die Regierungskommission 
überreichte dem Völkerbund denn auch flugs einen Bericht, 
worin sie auf die Sicherung des Eisenbahnverkehrs, vor allem 
auf die Sicherung der französischen Truppentransporte hin— 
wies. Das war das Werk Raults. Der Nachsolger Raults, 
der Kanadier Stephens, schlug in der Frage schon andere 
Töne an. Er stellt sich auf den Standpunkt, daß die An⸗ 
wesenheit der Truppen im Saargebiet nicht tragbar sei und 
zwar aus Gründen des Rechtes und der Moral. Denn 
1. der Ausenthalt der Truppen sei mit dem Geiste und 
dem Buchstaben des Verfailler Vertranes unper⸗ 
einbar, und 
2. die Regierungskommission habe sich selbst bereit 
erklärt, jsür den Schutz der Ordnung und der Ver— 
sonen, sowie der Güter Sorge zu tragen, und zwar 
ohne die Hilse der französischen Truppen. 
Diese sollten in unmitielbarer Nähe der Saargrenze auf 
lothringischem Boden stationiert werden. 
Die Note der Regierungsklsmmission vom 21. Moi zeigt 
innerhalb der Saarregierung Meinungsverschiedenheiten
	        
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