Full text: Der Saar-Freund (7.1926)

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Im deutschen Saargebiet. 
Wer nach einer dreis bis vierjährigen Abwesenheit 
Saarbrücken kommt, der ist pieiiihhin den großen 8 
schwung, der sich in dieser kurzen Spanne Zeit dort vollzogen 
hat. 1928 konnte den Ein⸗- oder Durchreisenden diese gute, alte 
o Stadt geradezu französisch anmuten, jedenfalls die ganze 
Aufmachung“.“ Da war jeder dritte Mann auf der ingg 
französischer Soldat, da zog die srgraece Militärmusik m 
klingendem Spiel durch die Straßen, da standen e se Posten 
uberall vom Bahnhof bis zur historischen „Bellevue“, da prang— 
ten an allen Ecken der Stadt ungeheure Straßenschilder in fran— 
zösischher Sprache hauptsächlich Wegebezeichnungen, wie „ Trèves 
nach Trier), Mayence (nach Mainz), „à Haguenau“, à Stras 
bourgẽ uswe; da flutete durch die Straßen der Stadt halb Frank— 
reich um das in der Inflation begriffene arme Deutschland aus— 
Jutcgufen, auszusaugen bis aufs Blut. All das sah mit Groll und 
* und Keid der flüchtig Durchreisende. Aber der im 
aarland Veheimatete sah — trotzdem er selber am ingrimmigsten 
die Faust baute (und nicht nur „im Sac“, wie es da heißt) — 
schon damals die ganze Franzosenwirtschaft als einen Teufels⸗ 
sjpuk an den ein gut deutscher kräftiger Sturmwind über kurz 
oder lang hinwegfegen würde. 
Daß dieser Sturmwind inzwischen — — und gefegt 
hat, das sieht man heute, sobald man die alte aarheimat wieder 
vbeitiii. Wo ist das französische Militär? Ist das alles? Das 
ist das erste, was man fragt. Wo sind die XRX Straßen⸗ 
ine Wo ist das jranzoͤsische Gewäsch auf Straßen, in Läden? 
o sind die zierlichen, trippeinden Französinnen jeder Art und 
Guüte die einem in den Weg liefen? Wo ist ihr französisches 
Parfüm? Wo find die stolzen Frankenbesitzer, die für ihr voll⸗ 
wertiges Gesd die letzten deutschen Waren einkauften, voll Ver⸗ 
achlund für unsere gelunkene Voluta? 
Von all diesen Herrlichkeiten ist das meiste 
verschwunden. Geblieben ist ein che Rest der franzö— 
sischen Besatzung. Die französischen Soldaten werden ihrer schlech— 
len Frankenbesoldung wegen von der gutmütigen Bevölkerung 
bemiile idet Selbsft das vblauweißrote Fähnlein, das vor vier 
Jahren noch so siegesfrendig auf dem Regierungsgebäude wehte 
hat der Saarbrücker Fahne Platz machen müssen. Und in dem 
schönen stolzen Haus (dem ehemaligen Landgericht) drinnen finde! 
man nur deutsche Bezeichnungen; nicht einmal Paßbureau“ 
sondern Paßbüer o“ steht da, und man fucht vergebens nach der 
Gendarmerie“ hier steht „Dienstzimmer der Land— 
Juger. Sogar die noch vor dem Kriege so zahlreich an den 
reni pefindlichen Plakate „Jei on parle francdis“ sind 
fast ganz verschwunden; in dem größten Restaurant fand ich auf 
der Speisenkarte nicht Bouillon“, sondern „Kraftbrühe“ das 
Rumpfteak“ war ein Rundstück“ geworden — ethymologisch 
7 ganz einwandfrei, aber was schert das den Saarbrücker? 
Undb als ich mir im althistorischen Rathause die Bilder ansah 
oeeee Gemälde von Anton v. Werner Geschenk des alten 
ssers an die Stadt) und nach dem Namen eines franzöfsischen 
Fenerals fragte da sagte mir die Gonst sehr bewanderte) er— 
klärende Saarbrückerin halb verlegen: „Ich kann den Namen nit 
gut ausiprechen ich hab‘ nit Franaösiich gelernt 
So 'ist es überall. Die Saarbrücker haben, „nit 
Jenndee gesernt“ Und sie wollen es auch nicht lernen 
Za, dirser Trotz greift hinüber tiefins Lothrin— 
gißche Die letzte Straße auf deutscher Seile nach Lothringen 
zu helßt Rathenauftraße. das erste Wirtshaus auf lothringischer 
also französischer Seite ist noch ebenso deutsch wie früher; man 
lächelt wenn man liest. wie da Elsässer. Kothringer und franzö⸗ 
—5 — Wein empfohlen wird — die Assimilierung von Elsaß— 
oihringen scheint also noch nicht ganz „perfekt“ zu sein. Wohl 
kündet ein neuer Grenzstein an, daß das aute. alte Großblittexs— 
borf fich umgewandelt habe in ein Gros-Blieterstroff““ — aber 
kommt man in die Kirche. so predigt der Pfarrer deutsch, und die 
Leute sagen: Das ist doch idsteean dtich Wir 
haben doch nit Französisch gelerntl“. . . Und man 
hört, wie gedrüct die Slimmung in Lothringen sei, hauptsächlich 
wegen der starken Steuerbelastung, und wie gereizt die Bevölke— 
rung gegen ihre Retter“ die Franzosen; man seibitterent— 
täu sihi. Eine siebzigjöhrige Frau aus Saarburg in Lothringen 
—X—— 
lLothringischen Soldaten nach Marokkoschickten, 
und fügte hinzu: „Da könne se Lüs fange!“ (Da können sie 
Läuse fangen!) 
Und die vielen leerstehenden Kasernen in Saarbrücken! 
„Warum sind sie nicht zu Wohnungen hergexichtet?“ frage ich. 
Habt ibt im ae equeten Saarland denn keine Wohnungsnoi?“ — 
h ja“. in es da, viel Wehnungsnot gibt es auch hier, aber 
die sfasernen müssen erst mal gründlich aus— 
gewanzt werden.“ Und es fällt ein liebliches, echt boden⸗ 
sandiges Schimpfwort auf die Vertreter der rande votion“. 
Rleine Tageschronik. 
Saarbrugen. Der evangelische Kir hengesangvere 
Ur das Rheinland hielt in Saarbrücken in Verbindung mit d 
Mjährigen eg, des evangelischen Kirchenchors der G 
meinde Alt⸗Saarbrücken seine 36. Tagung ab. Die Tagun 
pielte sich pornehmlich im Rahmen kirchen musibalischer Veran 
taltungen ab. Eine ohe geistliche Musikaufführung in de 
Ludwirkskirche bildete den Hoͤhepunkt der Tagung mit einer 
Programm, das fast ausschlicßlich J. S. Bachs Schöpfungen g⸗ 
widmet war. In dem ebenfalls in der Ludwigskirche abgehaltene 
Festgottesdienst hielt Superintendent Kungemann (Kodlenz) d 
Predigt. Ein Festabend im Städtischen Saalbau vereinigie d 
auswärtigen Teilnehmer und die Mitglieder der hiesigen evange 
lischen Gemeinde zu geselligen Stunden. Hier rühmte Superinie 
dent Klingemann den sympathischen herzlichen Empfang, den 
wieder im Saargebiet die treue Pflege de 
sßeimatgedankens, der man hier so sichtlich begegnen 
treuer deutscher und evangelischer Gefinnung, die den Tag de 
Wiedervereinigungemit dem Vaterlaud uünd de 
wiedererstandenen Jiiet begrüßen werde. JIn 
Namen der Stadt entbot Beigeordneter Dr. Werle den Gäste 
aus dem Rheinlond einen herzlichen Willkommgruß. Ihre 
würdigen Abschluß fand die Tagung in einer eindrucksvole 
vaterländischen Kundgebung die in unserm Chrentat. der 
Kriegerfriedbof von 1871 abgehalten wurde. 
Das 75jährige Gründungsjubiläum konntent 
diesen Wochen das Versorgungshaus Saarbrüsce 
begehen. Das Haus wurde im Jahre 1850 von dem Ehepaa 
Heorg Philipp Korn dem damals gegründeten Vorftand ein« 
Versorgungshauses geschenkt und im darauffolgenden Jahr ein 
Jeweiht. Da das alle Haus im Laufe der Jahre zu klein wurde 
mußzte 1905 zu einem Reubau geschritten werden, der am 4 Jul 
1906 seiner Bestimmung übergeben wurde. Zurzeit befinden sie 
45 Pfleglinge, zwei Schwestern der Diakonissenanstalt Kaiser⸗ 
werth und vier Dienstpersonen im Versorgungshaus. Die rei 
epangelische Anstalt steht allen Armen, alten Leulen ohne Unie— 
ichied der Konfession und des Geschlechis offen. 
Ueber die Errichtung eines Denkmals für die in 
Weltkriege ne Kanieraden des Infanterie⸗Regiment 
Nr. 70 soll eine Zusammenkunft aller ehemgligen er aus Trie 
und Umgebung Beschluß fassen, die demüchst in Triet stattfinde, 
wird. In der Nacht vom 24. auf 25. Okiober wurde das Soa 
gebiet von einem schweren Unwettet heimgesucht. Ei 
dichter Hagelschauer begleitet von einem sehr starken Ge 
witter mit orkanartigem Sturm und Schneegestöber richtet 
auf den Fluren und in den Waldungen beträchtlichen Schaden ar 
Auch umfangreicher Fümenschaden ist zu venRne, 
Völklingen. Unsere Gemeinde zählte Ende September ins 
Jesamt 34 964 Einwohner, was gegenüber dem Vormonat ein 
Zunahme um 60 Köpfe bedeutel. VNuf dem hlefigen Hüttenwer 
geriet das elektrische Magazin, in dem reichliche werivolle Vor 
täte lagern. in Brand. Der Feuerwehr getang es. das Feue 
auf den Dachstußl zu beschränken. 
Fischbach. Für die hziesige evangelische Kirche wurde an 
24. Oktober in e Welse der Grundstein gelegt. Nad 
Verlesung der Urkunde, die späteren Salecuer gaei übe 
die gegenwärtigen Verhältnisse geben soll, wurde diese in der 
Frundstein neben Gelsdmünzen. Briefmarken, einer Zeitung— 
nummer der „Saarbrücker Zeitung“ vom betreffenden Tage un' 
einer Sondernummer von der Rheinischen Jahrtausendfeier. ein 
zemauert. Kernige Worte und fromme Wünsche, dem Gedehe 
des begonnenen Werkes gewidmet. begleiteten die übliche 
Hammerschläge. 
JIllingen. Die Einwohnerzahl unseres Ortes ist von 189 
azu Anfang auf 18326 zu Ende des Monats September gestiege 
Neunkirchen. Für den Bau der Straßenbahn Neunkirchen- 
Elversberg Spiesen ist von Elversberg her mit der Gleisverle 
qung begonnen worden. In der Saabrücker Straße mußte an de 
hochsfen des Eifenwerkes eine Verbreiterung des Siraßenprofil 
borgenommen werden Auch am sogenannten Stummsche! 
Herrenhaus ist eine Straßenerweiterung erforderlich. — Der 
die Stelle des in den Ruhestand getretenen Pfarrer Riehn 
wächlte Pfarrer Bick wurde am 24. Oklober in sein neues Ap 
eingeführt. Hierbei hielt Pfarrer Graf von Lüttichau die * 
formationspredigt, während Superintendent Immig aus Sul 
bach die Einführung vornahm — Nach einer, Mitteilung de 
Saur⸗ und Blies⸗Zeitung soll der Hammergraben verschwinde 
und einer neuen großzügigen Geschäflstrahe Platz machen. Ar 
geblich soll zu diesem Zweck demnächst zwischen der Stadt, un 
dem Eisenwerk ein Geländeaustausch siattfinden, der geeigne 
wäre, das Stadtbild grundlegend zu veründern. Der Hammet 
graben und der angrenzende Weg durch die Allee, beides Eigen 
bum des Neukirchener Eijenwerks, ollen degen dos Dreie
	        
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