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—IF Trier an den Kommissar Rudler in Saarbrülcken heißt
es weiter:
„Ich hahe die Verwalter, die Richter und die übrigen
Bürger, die sich als Spezialkommissare der Verwaltung zweds
Einführung der neuen Gemeinderäte in die Kantone begeben
haben, beauftragt, diesen Augenblick wahr zu nehmen, um die
Bewohner zu bestimmen, ihre Wünsche der Vereinigung mit
Frankreich in besonderen Bittschriften kundzutun“
Die — der neuen Gemeinderäte, die offenbar be—
liebie Gemeindeangehörige waren, die aber ebenfalls eine
Konzession an die Bevölkerung bedeuten sollten, wat also die
gegebene Gelegenheit, um die Bevölkerung zu bestimmen, sich in
einem für ee aünstigen Sinne ee Es ist ein⸗
leuchtend. daß unter diesen Voraussetzungen Wahlbeein⸗
flussungennachjeder Richtunghinstattgefunden
haben. Auch liegt bei einer reiativ üngebildelen, schreib⸗ und
leseunkundigen Bevölkerung der damaligen Zeit jede Fällschung
der wahren Volksgesinnung im Bereich der Möglichkeit. Es se
zum Veispiel nur darauf hingewiesen, daß die bereits an alle
emeinden versandte Anordnung zur Sammlung von Unter
schriften für den Anschluß an Frankreich den Analphabeten in
einem ganz anderen Sinne vorgelesen werden konnte üund auch
wurde, als deren Sinn taätsächlich war. Einxlne Aktenstücke
die einzusehen ich Sesegenpet hatte, tragen die Namen von
Bürgern oder auch als Unterschrift ein oder zwel
Kreuzchen. Die Antworten, die alle in derselben Formutierung
von einer Zentralstelle aus an alle Gemeinden verlandt worden
waren, tragen die gleichen Schriftzüge und sind dahen
auch nicht als eine selbständige, unbeeinffüßt
von den einzelnen Ferne geschriebene
Antwortzubetrachten. Eine solche Antwort lautete 3. B
folgendermaßen
„Die großen Vorteile, deren wir uns durch die Vereinigung
mit der französischen Republik zu erfreuen haben, bewegen
uns, Euch zu ersuchen, unsere sehnlichlen Wünsche durch eine
balbige Vereinigung mit Frankreich zu erfüllen. Wir ver—
sprechen eine underletzliche Treue und Anhang.“
Diese Antwort wurde allen Gemeinden vorgeschrieben
zugeschickt. Bei den freiheitlich gesinnten Saarländern war nicht
zu erwarten, daß sie sich ohne weiteres mit lsolchen
Mitteln der Nastimmung abspeisen ließen. Manche Ge—
meinden, z. B. Dudweiler, Sulzbach, Fischbach
usw. anterzeichneten nicht, sondern erklärten in einem
Zusatzschrelben, daß sie sich dem anschlössen. was
die Städte Saarbrücken und Sf. Johann
getan hätten. Diese aber lehnten es ab. sich durch
Anterschrift zu verpflichten. Andere Gemeinden wiederum
weigerten sich zu unterschteiben „bis man sie mit Gewalt
da zu inge In dieser Redewendung liegt ganz klar ent—
halten, baß auf die einzelnen Gemeinden ein starker Drud
ausgeübt wurde. Die unteren Verwaltungsorgane wollten
unter allen Umständen ein günstiges Resultaf erzielen, um so
bei den vorgesetzten Instanzen in ein gutes Licht gerückt zu
werden. Andere Kommunen waren sich der Tragweite des
ganzen Abstimmungsmanöners überhaupt nicht bewußt. Pe
lingen im KHreise Saarlouis antwortete z. B. daß es „nicht
unterschreiben würde, dieweil gegenwärtige
Anrevbe (gemeint ist die AÄdresse an Frankreich. D Verf.)
ihren schwachen Verstand übersteigen täte“
Das Volk wußte demnach z. T. nicht einmal genau, worum es
sich hanbelte Frankreich oegaste die Unkenntnis
der Massen, um eine Fälichnna der masfts⸗
sttimmung zu serzielen
Nur unter falschen Vorspiegelungen sind in inen Ge—
meinden die In nen erschlichen worden. Seitens der
republikanisch eingestellten Regierung benutzte man das Ge—
enst der kommenden Regktion gegen die großen
Errungenschaften der französischen Revolution. um Stimmen fün
Ftantreich zu ergattern. Viele Deutsche haben zu der damaligen
Zeit für das Frankreich der Fretheit im Gegen—
satz zu dem absolutistischen Deutschland' ge—
chwärmt Sollte man es deshalb manchen Sgarländern ver—
übeln, wenn auch fie das Recht der freien Meinung bezüglich
des siagflichen und persönlichen Fortschrittes für sich beanspruch—
len? Jedenfalls lassen die Zusaßantworten zu den oflizien ein⸗
zeführten Regierungsschreiben die Auffassung zu, daß be—⸗
sonders repubtikanisch gesinnite Saarbewohner
nur deshaüb ihre Stimme für Frankreich ab—
gaben, weil sie die Freiheit' die sie inzwischen
erworben hatten, bedroht glaubten. Mensch;
lig verständrlisch ist eine solche Einstellung. wenn sie auck
nicht decholh entschuidigt verden kann, Keineswegs kauf
zus solcher Gesinnung heraus Frankreich eine Kundrebung fin
ich als Nationalstaat konstrnieren. Es lag keine Option fün
Franttens als Staat vor, sondern eine Joztale
ptton für die Rebotutidon! die gerade aus Frankreidt
kam. „‚FDer Versuch, diese Abstimmung für Frankrei
poalltisch zu werten, ist ein Versuch“ mil da——
Mitteln.
Bei der Unterschriftenerschleichung wurde auch mit der falschen
Vorspiegelung gearbeitet, daß die Republit in Gefahr sei.
So ist 458 in verschiedenen Antworifchreiben enthalten, daß
adie emeinden nichts gegen die Republifl
hätten und sich daher weigerren. ihre Unter—
schriften zu geben“. Nach diesen Aeußerungen zu urteilen,
muß die franzöfische Behörde mit falschen Mitteln gearbeitel
haben. Denn wenn Frankreich damals im Saargebiet Unter⸗
schriften sammelte und einzelne Gemeinden in Verbindung damit
ich mit der republikanischen Staatsform ausdrücklich einver—
standen erklärten, so kann daraus nut gefolgert werden, daß
irgendwie die Republit sals gefährlich bezeichnet
wurde. Andere Antworten von Gemeinden lauleten dahin, daß
die Bürger sich nun endlich freuten, für immer „freie un
unabhängige Menschene zu fein Auch hier kommt wieder
der soziale Charokter der danaliden Soarabstimmung zum
Ausdruck.
Eine französische Gesinnung war bei den Saarländern damals
nicht nedn Geschichtliche Tatsache ist es auch, daß das
Frankrei vom Jahre 1798 bei der Abstimmung kläglich herein—
ist. Von den größten Städten des Saargebietes Saar⸗
rücken und St. Johann haben nur 91 Bürger unterzeichnet,
während z B. die Adressen, die anläßlich der zweiten Friedens—
konferenz im Jahre 1815 den Anschluß an Deutschland erbaten,
Hunderte von Unterschriften trugen.
In den Jahren 1802 und 1804 erlebte das Saargebiet
wiederum zwei Abstimmungen Vei diesen Abstimmungen
handelte es sich aber nicht um die Frage des An—⸗
schlusses an Frankreich sondern umdie Frage,
ob Napoleon auf Lebenszeit Kaiser werden
sollte oder nicht. Es handelie sich also nicht um
Plebiszite von völkerrechtlicher Tragweite
sondern um staatsrechtliche Dinge, um inner—
politische Befragungen des Vriktes sneinert
Personenfrage. Nicht außenpolitische Probleme,
sondern innerpolitische Fragen der Zweckmäßigkeit standen
zur Debatte. Auch bei diesen Abstimmungen konnte sich Frankreich
nicht enthalten. Wahlbeeinflussungen vorzunehmen. Denn die
Abstimmungen erfolglen unter behördlhichem Druck. Der
ganze Behördenappatat wurde aufgeboten, um das Ergebnis
dieser Abstimmung in einem für Frankreich günstigen Sinne zu
gestalten In jeder Gemeinde wurden Register ausgelegt, in die
die Bürger sich eintragen sollten. Es springt hier die Aehn«
lich ke it mit der Abstimmung in Eupen-Malmedy in die Augen,
wo die Bevölkerung es nicht wogte. sich in die offenen Listen
einzuzeichnen. Die Register sollten auf den Verwaltungs—
ekretariaten, bei den Gerichtsschreibern aller Tribunale. bei allen
Rürgermeistereien und allen Notaren aufgelegt werden Drei
Wochen vam Tage der Bekanntmachung des Konsulatsbeschlusses
ab sollte jedes Departement Zeit zum Sammeln der Stimmen
haben jede Gemeinde hatte sieben Tage zur Verfügung. Dieset
Beschluß datiert vom 7 Mai 1802. Am Tage darauf wurde er
vom Minister des Inneren, Chattal, an die Departements zur
aAllosmeinen Refannimachung versandfe
Der in Mainz stehende Generalkommissar Jean Bon St.
Andrs, der eine Zeitlang eine Art Aufsichtsinstanz für die vier
Departements des linken Rheinufers bildete, erteilte unter dem
20. Mai 1802 dem Präfekten des Sgardeyartements, Ormechville,
aähere Instruktionen über die Ausführuna des Konulats—
beichsuses Darrtn murde angeordnet.
daß der Bürgermeister dieser Gemeinden sich die bei den
Notaren aufgelegten Listen nach vollzogener Eintragung ein—
händigen lassen dieselben beglaubigen, und dann dem Ünter⸗
nräfekten einxeichen und dieser sie zugleich mit einer Zusammen⸗
ua do Matastate meitersenden“ bolste
Schon am 14 Mai hatte Ormechville durch ein gedrucktes
Plakat bekanntgemocht, daß die Register an den vorgeschriebenen
Orten qoufgelegt würden. Diese seien in zwei Reihen einzuteilen,
eine für „ja“, eine für „nein“. Am 4. Juni seien sie zu schließen
und durch die Unterpräfekten an ihn einzusenden. Am Tage dar—
guf nerifnate Ormechnille an seine Unterpräfekten;
Obwohl es überflüssig ist, Ihnen zu bemerken, wie an⸗
zebracht es sein würde, wenn dieses Departement. dessen Ein⸗
wohnern es zum erstenmal verstattet sein wird, einen Akt von
dieser Natur auszuüben. eine Zahl von Stimmen auf diese.
welche der Bevölkerung entspricht, bitte ich Sie nichtsdesto—⸗
meniger, durch ein Zirkulor die Bürgermeister aufzufordern, alle
ihre Sorge darauf zu wenden, daß ihre remo eeede
nen der vorgelegten Frage nicht gieichgültig gegenüber bleiben
sondern fleißig ihre Äntiwort in die Register eintragen.“
Am 31. Mai 1802 erteilte Ormechville den Unierpräfekten
Vorschrifsten über die Einlieferung der Registetr. Um die Leute