Full text: Der Saar-Freund (7.1926)

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—IF Trier an den Kommissar Rudler in Saarbrülcken heißt 
es weiter: 
„Ich hahe die Verwalter, die Richter und die übrigen 
Bürger, die sich als Spezialkommissare der Verwaltung zweds 
Einführung der neuen Gemeinderäte in die Kantone begeben 
haben, beauftragt, diesen Augenblick wahr zu nehmen, um die 
Bewohner zu bestimmen, ihre Wünsche der Vereinigung mit 
Frankreich in besonderen Bittschriften kundzutun“ 
Die — der neuen Gemeinderäte, die offenbar be— 
liebie Gemeindeangehörige waren, die aber ebenfalls eine 
Konzession an die Bevölkerung bedeuten sollten, wat also die 
gegebene Gelegenheit, um die Bevölkerung zu bestimmen, sich in 
einem für ee aünstigen Sinne ee Es ist ein⸗ 
leuchtend. daß unter diesen Voraussetzungen Wahlbeein⸗ 
flussungennachjeder Richtunghinstattgefunden 
haben. Auch liegt bei einer reiativ üngebildelen, schreib⸗ und 
leseunkundigen Bevölkerung der damaligen Zeit jede Fällschung 
der wahren Volksgesinnung im Bereich der Möglichkeit. Es se 
zum Veispiel nur darauf hingewiesen, daß die bereits an alle 
emeinden versandte Anordnung zur Sammlung von Unter 
schriften für den Anschluß an Frankreich den Analphabeten in 
einem ganz anderen Sinne vorgelesen werden konnte üund auch 
wurde, als deren Sinn taätsächlich war. Einxlne Aktenstücke 
die einzusehen ich Sesegenpet hatte, tragen die Namen von 
Bürgern oder auch als Unterschrift ein oder zwel 
Kreuzchen. Die Antworten, die alle in derselben Formutierung 
von einer Zentralstelle aus an alle Gemeinden verlandt worden 
waren, tragen die gleichen Schriftzüge und sind dahen 
auch nicht als eine selbständige, unbeeinffüßt 
von den einzelnen Ferne geschriebene 
Antwortzubetrachten. Eine solche Antwort lautete 3. B 
folgendermaßen 
„Die großen Vorteile, deren wir uns durch die Vereinigung 
mit der französischen Republik zu erfreuen haben, bewegen 
uns, Euch zu ersuchen, unsere sehnlichlen Wünsche durch eine 
balbige Vereinigung mit Frankreich zu erfüllen. Wir ver— 
sprechen eine underletzliche Treue und Anhang.“ 
Diese Antwort wurde allen Gemeinden vorgeschrieben 
zugeschickt. Bei den freiheitlich gesinnten Saarländern war nicht 
zu erwarten, daß sie sich ohne weiteres mit lsolchen 
Mitteln der Nastimmung abspeisen ließen. Manche Ge— 
meinden, z. B. Dudweiler, Sulzbach, Fischbach 
usw. anterzeichneten nicht, sondern erklärten in einem 
Zusatzschrelben, daß sie sich dem anschlössen. was 
die Städte Saarbrücken und Sf. Johann 
getan hätten. Diese aber lehnten es ab. sich durch 
Anterschrift zu verpflichten. Andere Gemeinden wiederum 
weigerten sich zu unterschteiben „bis man sie mit Gewalt 
da zu inge In dieser Redewendung liegt ganz klar ent— 
halten, baß auf die einzelnen Gemeinden ein starker Drud 
ausgeübt wurde. Die unteren Verwaltungsorgane wollten 
unter allen Umständen ein günstiges Resultaf erzielen, um so 
bei den vorgesetzten Instanzen in ein gutes Licht gerückt zu 
werden. Andere Kommunen waren sich der Tragweite des 
ganzen Abstimmungsmanöners überhaupt nicht bewußt. Pe 
lingen im KHreise Saarlouis antwortete z. B. daß es „nicht 
unterschreiben würde, dieweil gegenwärtige 
Anrevbe (gemeint ist die AÄdresse an Frankreich. D Verf.) 
ihren schwachen Verstand übersteigen täte“ 
Das Volk wußte demnach z. T. nicht einmal genau, worum es 
sich hanbelte Frankreich oegaste die Unkenntnis 
der Massen, um eine Fälichnna der masfts⸗ 
sttimmung zu serzielen 
Nur unter falschen Vorspiegelungen sind in inen Ge— 
meinden die In nen erschlichen worden. Seitens der 
republikanisch eingestellten Regierung benutzte man das Ge— 
enst der kommenden Regktion gegen die großen 
Errungenschaften der französischen Revolution. um Stimmen fün 
Ftantreich zu ergattern. Viele Deutsche haben zu der damaligen 
Zeit für das Frankreich der Fretheit im Gegen— 
satz zu dem absolutistischen Deutschland' ge— 
chwärmt Sollte man es deshalb manchen Sgarländern ver— 
übeln, wenn auch fie das Recht der freien Meinung bezüglich 
des siagflichen und persönlichen Fortschrittes für sich beanspruch— 
len? Jedenfalls lassen die Zusaßantworten zu den oflizien ein⸗ 
zeführten Regierungsschreiben die Auffassung zu, daß be—⸗ 
sonders repubtikanisch gesinnite Saarbewohner 
nur deshaüb ihre Stimme für Frankreich ab— 
gaben, weil sie die Freiheit' die sie inzwischen 
erworben hatten, bedroht glaubten. Mensch; 
lig verständrlisch ist eine solche Einstellung. wenn sie auck 
nicht decholh entschuidigt verden kann, Keineswegs kauf 
zus solcher Gesinnung heraus Frankreich eine Kundrebung fin 
ich als Nationalstaat konstrnieren. Es lag keine Option fün 
Franttens als Staat vor, sondern eine Joztale 
ptton für die Rebotutidon! die gerade aus Frankreidt 
kam. „‚FDer Versuch, diese Abstimmung für Frankrei 
poalltisch zu werten, ist ein Versuch“ mil da—— 
Mitteln. 
Bei der Unterschriftenerschleichung wurde auch mit der falschen 
Vorspiegelung gearbeitet, daß die Republit in Gefahr sei. 
So ist 458 in verschiedenen Antworifchreiben enthalten, daß 
adie emeinden nichts gegen die Republifl 
hätten und sich daher weigerren. ihre Unter— 
schriften zu geben“. Nach diesen Aeußerungen zu urteilen, 
muß die franzöfische Behörde mit falschen Mitteln gearbeitel 
haben. Denn wenn Frankreich damals im Saargebiet Unter⸗ 
schriften sammelte und einzelne Gemeinden in Verbindung damit 
ich mit der republikanischen Staatsform ausdrücklich einver— 
standen erklärten, so kann daraus nut gefolgert werden, daß 
irgendwie die Republit sals gefährlich bezeichnet 
wurde. Andere Antworten von Gemeinden lauleten dahin, daß 
die Bürger sich nun endlich freuten, für immer „freie un 
unabhängige Menschene zu fein Auch hier kommt wieder 
der soziale Charokter der danaliden Soarabstimmung zum 
Ausdruck. 
Eine französische Gesinnung war bei den Saarländern damals 
nicht nedn Geschichtliche Tatsache ist es auch, daß das 
Frankrei vom Jahre 1798 bei der Abstimmung kläglich herein— 
ist. Von den größten Städten des Saargebietes Saar⸗ 
rücken und St. Johann haben nur 91 Bürger unterzeichnet, 
während z B. die Adressen, die anläßlich der zweiten Friedens— 
konferenz im Jahre 1815 den Anschluß an Deutschland erbaten, 
Hunderte von Unterschriften trugen. 
In den Jahren 1802 und 1804 erlebte das Saargebiet 
wiederum zwei Abstimmungen Vei diesen Abstimmungen 
handelte es sich aber nicht um die Frage des An—⸗ 
schlusses an Frankreich sondern umdie Frage, 
ob Napoleon auf Lebenszeit Kaiser werden 
sollte oder nicht. Es handelie sich also nicht um 
Plebiszite von völkerrechtlicher Tragweite 
sondern um staatsrechtliche Dinge, um inner— 
politische Befragungen des Vriktes sneinert 
Personenfrage. Nicht außenpolitische Probleme, 
sondern innerpolitische Fragen der Zweckmäßigkeit standen 
zur Debatte. Auch bei diesen Abstimmungen konnte sich Frankreich 
nicht enthalten. Wahlbeeinflussungen vorzunehmen. Denn die 
Abstimmungen erfolglen unter behördlhichem Druck. Der 
ganze Behördenappatat wurde aufgeboten, um das Ergebnis 
dieser Abstimmung in einem für Frankreich günstigen Sinne zu 
gestalten In jeder Gemeinde wurden Register ausgelegt, in die 
die Bürger sich eintragen sollten. Es springt hier die Aehn« 
lich ke it mit der Abstimmung in Eupen-Malmedy in die Augen, 
wo die Bevölkerung es nicht wogte. sich in die offenen Listen 
einzuzeichnen. Die Register sollten auf den Verwaltungs— 
ekretariaten, bei den Gerichtsschreibern aller Tribunale. bei allen 
Rürgermeistereien und allen Notaren aufgelegt werden Drei 
Wochen vam Tage der Bekanntmachung des Konsulatsbeschlusses 
ab sollte jedes Departement Zeit zum Sammeln der Stimmen 
haben jede Gemeinde hatte sieben Tage zur Verfügung. Dieset 
Beschluß datiert vom 7 Mai 1802. Am Tage darauf wurde er 
vom Minister des Inneren, Chattal, an die Departements zur 
aAllosmeinen Refannimachung versandfe 
Der in Mainz stehende Generalkommissar Jean Bon St. 
Andrs, der eine Zeitlang eine Art Aufsichtsinstanz für die vier 
Departements des linken Rheinufers bildete, erteilte unter dem 
20. Mai 1802 dem Präfekten des Sgardeyartements, Ormechville, 
aähere Instruktionen über die Ausführuna des Konulats— 
beichsuses Darrtn murde angeordnet. 
daß der Bürgermeister dieser Gemeinden sich die bei den 
Notaren aufgelegten Listen nach vollzogener Eintragung ein— 
händigen lassen dieselben beglaubigen, und dann dem Ünter⸗ 
nräfekten einxeichen und dieser sie zugleich mit einer Zusammen⸗ 
ua do Matastate meitersenden“ bolste 
Schon am 14 Mai hatte Ormechville durch ein gedrucktes 
Plakat bekanntgemocht, daß die Register an den vorgeschriebenen 
Orten qoufgelegt würden. Diese seien in zwei Reihen einzuteilen, 
eine für „ja“, eine für „nein“. Am 4. Juni seien sie zu schließen 
und durch die Unterpräfekten an ihn einzusenden. Am Tage dar— 
guf nerifnate Ormechnille an seine Unterpräfekten; 
Obwohl es überflüssig ist, Ihnen zu bemerken, wie an⸗ 
zebracht es sein würde, wenn dieses Departement. dessen Ein⸗ 
wohnern es zum erstenmal verstattet sein wird, einen Akt von 
dieser Natur auszuüben. eine Zahl von Stimmen auf diese. 
welche der Bevölkerung entspricht, bitte ich Sie nichtsdesto—⸗ 
meniger, durch ein Zirkulor die Bürgermeister aufzufordern, alle 
ihre Sorge darauf zu wenden, daß ihre remo eeede 
nen der vorgelegten Frage nicht gieichgültig gegenüber bleiben 
sondern fleißig ihre Äntiwort in die Register eintragen.“ 
Am 31. Mai 1802 erteilte Ormechville den Unierpräfekten 
Vorschrifsten über die Einlieferung der Registetr. Um die Leute
	        
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