Full text: Der Saar-Freund (7.1926)

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— 
Desterreich 
Schweiz 
Itaälien . 
O.2 Pro⸗ 
3.22 
15 
20 * 
Südliche Länder 
Frankreich 
e, 
Belgien. 
Westliche Länder 9,3 Proz. 
B) Unter französischer Verwaltung: 
1922 1923 1924 
Saargebiet . . 35,6 Proz. 36,1 Proz. 383 Proz. 
Franireich (ohne Els-Lothr) 205 241.305 
Elsaß-Lothringen 80 
Deutschland . 76 
Schweiz —W 
Belgien-⸗Luzemburg « 
Oesterreich Ungarn o, 1 
Italien 3* 5.b n 155 *5 
Neben dem Kohlenbergbau nehmen die Schwer— 
eisenindustrie mit über 40 000 Arbeitern, die Me— 
tallindustrie mit 15000 Arbeitern, die Glas- und 
Keramindustrie mit 12000 Arbeitern eine bedeutende 
Stellung im Saarwirtschaftsleben ein. Ihre Eristenz beruht 
fast ausschließlich auf der Kohle, und zwar in dem Sinne, 
daß der Bertgbau die guten Kohlensorten zu günstigen 
Preisen nach auswärts verkauft, um dafür die geringeren 
Qualitäten der heimischen Industrie zu niedrigeren Preisen 
überlassen zu können. Mit dem Eindringen des französischen 
Kapitals in diese Industrien war, solange der Eisenhunger 
in der Nachkriegszeit bestand, der Absatß verhältnismäßig 
günstig. Seit einiger Zeit ist der französische Markt 
für die Aufnahme der saarländischen Erzeugnifsse 
schwächer geworden, und nur infolge Zollnachlaß 
konnten erhebliche Mengen unserer Produkte am deutschen 
Rarkt Absatz finden. Aus dieser Erwägung heraus ist auch 
die Mehrzahl der Saarwerke dem deutschen Stahlwerksver— 
band beigetreten. Welche Bedeutung die Ei senindustrie 
7. das Saargebiet hat, mag daraus hervorgehen, daß die 
oheisenerzeugung, die im Jahre 1900 554 597 Tonnen be—⸗ 
trug. ihre Produktion im Jahre 1924 his auf 1 300 000 Ton⸗ 
nen gesteigert hat. Die Stahlerzeugung betrug 1924 
1400 000 Tonnen. Inzwischen ist die Produktion weiter ge— 
sticreen! — An weiterverarbeitender Industrie 
rt das Gebiet 81 Firmen auf. Insgesamt finden 200 000 
WMenschen in den verschiedensten Zweigen der Saarwirtlschaft 
Beschüftigung. 
Bei der Bedeutung der Saarindustrie als 
Lebensgrundtage für unsere Bevölkerung 
und die deutsche Volkswirtschaft im Südwesten des Reiches, 
müssen die Maßnahmen, die den Rebergang erleichtern 
und eine sichere Zukunft gewährleisten, in vporausschauender 
Weise getroffen werden. Ob, nach Wiederangliederung an 
das Reich, durch Frankreich auch weiterhin größere Kohlen— 
— 
mengen und Erzeugnisse der Eisen- und Kergmindustri 
abgenommen werden, ist mehr als zweifelhaft. Die heutige 
Lage läßt darauf schließen, daß die Aussichten, auch den 
westlichen Markt zu belsefern, gering sind. Frankreich ha 
die Koͤhlengewinnung im eigenen Lande stark gesteigert 
Nimmt man hinzu, daß die englische Kohle auf dem fran 
zösischen Markt schon immer eine große Rolle spielte, dan 
darf man füglich bezweifeln, ob die Saarkohle nach Rück 
kauf der Gruben franzöfischerseits noch begehrt wird. Di 
weitere Frage, ob nach Rückkauf der Gruben dem franzö 
sischen Kapitai im Interesse der Kohlenabnahme ein ge 
—** Einfluß eingeräumt werden soll, ist schwer zu be 
antworten. 
Die Wirtschaftskreise des Saargebietes dürfen sich be 
Beurteilung der ganzen Probleme nur davon leiten lassen 
daß wir nach Kückkehr zum Reich , 
gebiete im deutschen Wirtschaftsverband 
sfuchen müssen. Diese sind aber infolge der Fremd 
herrschaft für Kohle fast völlig, für Eisen und sonstige Er 
jeugnisse zu einem starken Teil verlorengegangen. Nebe, 
dem Saargebiet selbst kommt das benachbarte Rheinland 
die Pfalz und Süddeutschland in Frage. Eine Wieder 
gewinnung dieser Märkte ist bei den heutigen Lebens 
dedingungen der Saarindustrie und unter Berüchsichtigum— 
der Tatsache, daß sie auch technisch gegenüber anderen große 
Gebieten zurückolieb und bei dem mangelhaften Verkehrs 
netz zum mindesten sehr erschwert. 
Die dentschen Industriellen im Saar 
gebiet fordern einen Großschiffahrtswe 
zum Rhein. Der Verlust von Lothringen hat nag 
ihrer Ansicht die Pläne auf Kanalisierung von Mosel un 
Saar auf unabsehbare Zeit vernichtet. Der Weg vor 
Saarbrücken über Trier nach Koblenz ist zudem auch vie 
zu weit, und so haben die Vertreter der Industrie ei! 
AtesKanalprojett, das einer geraden, Ver 
bindung von S«carbrücken durch die Pfal 
nach Ludwigshafen an den Rhein, auigestellt 
in der Abficht, über den kanalisierten Neckar, nach Süd 
deutschland vorzudringen. Mit den zuständigen Stellen in 
Reiche und der Länder haben bereits Besprechungen statt 
zefunden, es verlautet, daß die Pläne günstig aufgenomme, 
wurden. Finanzielle und technische Prüfungen werden mi 
größter Beschleunigung betrieben. Auf Einladung de— 
handelskammer sfand im Saarbrücker Rathaus auch bereit 
zine große Kundgebung statt, die zu dem Kanalprojekt, wit 
zu anderen Fragen, die die wirtschaftliche Zukunft de⸗ 
Saargebiets betreffen, Stellung nahm. Begreiflich, daß be 
der so plötzlich aufgeworfenen Frage verschiedene Kreise 
vor allem die Gewerkschaften, zunächst eine abwartend 
Haltung einnehmen. In der einen Frage, daß im zukün 
figen Interesse des Saarwirtschaftslebens weitgehende un 
vporbereitende Maßnahmen gettoffen werden müssen, herrsch 
vollste Uebereinstimmung. 
Plebiszite im Saargebiet. 
Von Josei Görgen 
Die im Saarstatut vorgesehene Abstimmung hat ihre Vor— 
läuser in den Selbstbestimmungs-Bezeugungen der Sgarländer im 
18. und 19. Jahrhundert. Eegen Ende des 18. Jahrhunderte 
unternahm Frankreich an der Saar eine —ER83 Aktion, 
die zum Ziele hatte, eine Volksabstimmung zugunsten Frankreiche 
im Saargebiet ren Diese Abstimmung geschah jedoch 
nicht in der modernen Form der geheimen Sümmenabgaben, 
sondern in Unterschriften ünter ein von der französischen Behörde 
vorgeschriebenes Formular. Die Tatsache, dahß bie fran-— 
zösischen, Staatsmänner, um die Gesinnung der 
Saarbevölkerungkennen zu lernen eine Anord⸗ 
nungdieserhalbtreffen, ist an und für sich schon 
ein durchshlagender- Beweis dafür, daß die 
— Gesinnung der Saarbepvölterung 
och niicht in dem Maße vorhanden gewesen sein 
kann, wie die die jranzösische uswäriige Poli— 
tik dei den Verhandlüngen in Versailles hinzustessen 
versuchte. Der Präfekt des Seardepartements, dessen Haupistad 
damals Trier war, exließ im Jahre 1788 an seine untergeordnete, 
Behörden ein Schreiben des —8 daß bei einer Abstimmum 
„alle notwendigen Maßnahmen zu ergreife 
seien, um ein gLüdliches Resultat'zuserzielen, 
Diese AÄeußerung zeigt neben vielen andern gänz offensichtlich 
daß seitens der obersten französischen Zentralbehörde in Trier de— 
zesamte behärdliche Unterapparat aufgeboten wurde, um bei de 
kommenden Abstimmung ein günstiges Resultat zu erzielen. Di— 
ausführenden Organe der Variser auswärtigen Politik ginge 
schon damals, genau wie heute, mit einer pemundernswerten Ge 
schicklichkeit vor. Jeder Anlaß war willlommen, um in der Be 
pölkerung Stimmenfang zu treiben oder auch, um Unterichr ijte' 
für den Ansichluß an Frankreich zu erschleichen 
Es ist angesichts ver wahren Gesinnung der Saarbevölkerur 
ausgeschlossen, daß die Träger des außenpolitischen franzölische 
imperialistischen Gedankens mit ganz ehrlichen Mitteln zu Wert 
zegangen sind. In dem oben hereits erwähnsen Briefe des Vre
	        
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