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verlangt wird, wohl aber die Preise dem Goldmarkstand ange
paßt werden. Wie gesagt, nicht mit Unrecht wird diese Be⸗
fürchtung geäußert, denn vom Juni 1923 stieg der Dollarkurs
zegenüber dem französischen Franken um 153,12 Prozent, während
die Teuerung um 164,46 Prozent stieg. Also nicht nur ein voll—
ständiges Anpassen der Preise an den Goldstandard, sondern sogar
ein stärkeres Anziehen derselben. Die Löhne aber stiegen in
demselben Zeitraum in den Hauptwirtschaftsgruppen nur um:
im Berghauuu 665,45 Prozent
in der Hüttenindustrie 13610 Prozent
in der weiterverarbeit. Eisenindustrie 151,63 Prozent
Die prozentuale Steigerung des Lohnes der in der Hütten—
und Metallindustrie beschäftigten Arbeitnehmer ist zwar höher
als im Bergbau, bleibt aber auch in der Hüttenindustrie uͤm
2836 Prozent, in der weiterverarbeitenden Eisenindustrie um
12.73 Prozent gegenüber der Steigerung der amtlichen Teuerungs—
zahlen zurück.
Hierbei ist zu bedenken, daß der Lebensstandard der ßütten—
und Metallarbeiterschaft, insbesondere der in der weiterverarbei—
tenden Eisenindustrie Beschäftigten, welche bis zur Währungs.
umstellung in Papiermark entlohnt wurden, bereits im Juͤnt
1923 nicht nur ein außerordentlich schlechter, sondern damals
bereits fast ein unhaltbarer war.
Angesichts dieser Entwicklung ist der Wunsch der Arbeit⸗
nehmerschaft nach Wertsicherung ihres Lohnes ver—
ständlich. Wiederum haben wir im Saargebiet den Zustand, daß
nicht der Wert der vom Arbeitnehmer heleisteten Arbeit aus—
schlaggebend ist für dessen Lebenshältung, sondern der jeweilige
Kursstand des Franken, der die Preise veeinflußt. Aus diesem
Zustand will die Arbeitnehmerschaft heraus.
Als erste haben die Christlichen Gewerkschaften die Forde—
rung nach einer Wertsicherung des Lohnes erhoben. Der Christ—
liche Metallarbeiterverband hat in der allgemein Beachtung
gefundenen Bezirkskonferenz Ende Juni dieses Jahres in einer
stark beachteten Entschließung die Berechnung der Löhne auf
wertgesicherter Grundlage verlangt. Die Freien Gewerkschaften
schlossen sich später dieser Forderuüng an.
Nun bestehen aber auch gerade in Arbeitnehmerkreisen die
oerschiedensten Auffassungen über diese wichtige Frage. Die
zrimitivste ist wohl die, daß man einfach sagt, „es muß an Stelle
in Franken, der Lohn in Goldmark gezahlt werden“. Leider
liegen die Dinge heüte nicht mehr so einsach wie damals, als
Deutschland aus politischen Gründen das Saargebiet mit allem
uu billigen Preisen versorgte. An einer solchen Versorgung hat
Frankreich nicht das geringste Intereffe, denn es will im Saar—
gebiet Geld verdienen, aber nichts hineinstecken. Hinzu kommt.
einmal Goldmarklohnzahlung vorausgesetzt, daß sofort Hander
und Handwertk sich auf diese Goldlöhne umstellte und wir
deutsche Inlandspreise hätten, wobel noch lange nicht fest—
steht, daß die deutschen Goldloöhne im Saargebiet bezahlt würden.
Erste Voraussetzung zur Zahlung der deutschen Goldlöhne ist
unter den gegenwärtigen Verhältnissen die Umänderung des
Vertrages von Versailles, die Loslösung des Saargebietes aus
dem französischen und die Einfügung in das deutsche Zoll- und
Wirtschaftsgebiet. Bis zu diesem Zeitpunkte, und sei er noch so
nahe. kann und will die Arbeitnehmerschaft des Saargebietes
nicht warten. Es müssen und konnen daher andere Wege ge—
gangen werden, die zu dem Ziele, der Arbeitnehmerschaft zu
helfen, jühren. Die Nominalsumme des Lohnes muß voraus⸗
eilend den realen Bedürfnissen entsprechen. Denn in der Ver—
zangenheit zeigt es sich, daß der Lohn⸗ und Gehaltsempfänger
am schwersten unter einer Inflation leidet.
Darum muß der reale Wert des Lohnes so ge⸗
sichert sein, daß der Nominalbetrag diesem Be—
darf automatisch folgt. Diese Regelung hat wenig mit
gleitenden“ Löhnen zu tun, da nicht allein die jeweils geltende
Teuerungszahl, sondern der Goldwert des Franken und die
Leistungsfähigkeit der Industrie unter Berücksichtigung ihrer Ab—
satzgebiete usw. mit in Rechnung gestellt werden muß.
Gerade das letztere ist mit einer der Hauptpunkte. Nicht nur
allein der Bergbau verkauft einen Teif seiner Förderung zu
Valutapreisen, sondern vor allem die saarländische Schwerindustrie.
Die deutschen Zollstundungen halten den deutschen Markt offen,
erhebliche Gewinne macht die Industrie am deutschen Geschäft.
Hinzu kommen Verkäufe zu Goldpreisen nach valutastarken euro—⸗
päischen und überseeischen Ländern. Die weilerverarbeitende
Eisenindustrie ist in derselben Lage. Sogar im Saargebiet tätigt
diese ihre Abschlüsse, wie übrigens auch die Schwerindustrie, nauͤr
noch wertbestandig.
Es sind also alle Voraussetzungen vorhanden, ohne auf die
grundsätzliche von außenpolittschen Ereignissen abhängige General⸗—
regelung der Saarvethältnisse zu warten, auf lohnpolitischem Ge⸗
biete die von der Arbeitnehmerschaft geforderte Sicherung ihres
Lohnes gegen Geldentwertung einireten zu lassen. Erste Vorgus⸗
setzung ist natürlich, daß der jetzt gezahlte, geradezu kärgliche Lohn
der heutigen Teuerung angepaßt und von diefer Grundlage aus
aufgebaut wird. Bedeutet auch diese Regelung nicht das Ende
aller Not, so doch wenigstens eine Verbesserung des bisherigen
Zustandes, der zwangslaͤufig zur Katastrophe führen muß und
ine Bevölkerung von über dreiviertel Millionen deutscher
Menschen in den Abgrund reißt.
Vor allem aber nochmals „Rückkehr nach dem Reiche“.
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Kranzosisch⸗politische Justiz?
Mißhanolung eines Saarländers auf französischem Boden durch einen französischen Gendarmen.
Unschuldig in Hast! J Was sagt die Regierungskommission?
(Infolge Stoffandranges zurückgestellt.)
Ein recht bedenklicher Fall der französischen Justiz hält die
hemüter in Bisten in großer Erregung, zumal er geeignet ist,
braven, unbescholtenen Einwohnern dieser Gemeinde schweres
Leid und grohe Ehrenkränkung zuzufügen.
Es handelt sich um folgenden Fall. Am Freitag, dem 85. Juni
dem — ———— vormittags, in der Zeit zwischen 5.50
und 6 Uhr, wurde betrůgerischerweise auf das Lohnguthaben des
bergmanns Philipp Eisenbarth aus Visten der Betrag von
00 Irs. abgehoben. Der Betrüger hatte den für die Zahlung
etrforderlichen sogenannten Bon mit der Unterschrift des Revier—
teigers versehen, dem Zahlmeister der Gruve vorgezeigt und er—
Nelt anstandslos den Betrag von 8300 Frs. ausgebändigt. Am
lleichen Tage fand sich der wirtlich empfangsberechligte Phiupp
kisenbarth mit dem sogenannten Bon zur Empfangnahme seines
vberdienten Lohnes bei dem Zahlmeister ein. Hier wurde ihm er⸗
inet, daß sein Lohn bereits abgehoben sei. Kine sofortige An⸗
stage des E. vei dem Reviersteiger, ob dieser zweimal den für die
dahlung, notwendigen Bon ausgestellt habe verneinte dieser
der Steiger ging mit dem Ph. Eisenbarth vom Schacht zur Kasse
und da stellte sich heraus, daß es sich um einen Bon handelte, auf
— die Unterschrift des Steigers gefäischt war, und irgend ein
pauner bei dem Kassierer der Grube den Betrag von 300 Frs
ich erischmindeln hn
Nikolaus E. mußte zunächst auf der Markenkontrolle eine
Schriftprobe abgeben und zwar vormittags gegen 8 Uhr. In—
zwischen wurde N. E. von dem französischen Gendarmen ....
unter besondere Fittiche genommen. Dieser Vertreter der be—
waffneten Macht scheint zu glauben, man könne das Recht durch
Gewalt suchen und auch sinden. Der Herr Gendarm ..... miß—
handelte den 21)ährigen Nikolaus E. Er schlug ihm mit der Hand
derart dreimal an das linke Ohr, daß er gegen einen Schrank slog
und sich außerdem in ärztliche Behandlung begeben mußte.
Am 11. Juni 1926 wird auf dem Krankenschein Nr. 2139 von
dem behandelnden Arzt, Dr. Marx-Saarlouis, festgestellt daß
Nikolaus E. „frische Trommelfellzerreißung links mit hoch⸗
gradiger Schwerhörigkeit“, arbeitsunfähig sci. und weiter wird
ihm Bettruhe vorgeschrieben.
Diese Brutglität des Gendarmen ...... gegen einen wehr—
losen jungen Menschen verdient niedriger gehängt zu werden.
Woher nimmt der Vertreter der öffentlichen Sicherheit das Recht,
einen Saarländer auf französischem Boden zu mißhandeln und
* so, daß er einen schweten körperlichen Schaden davonträgt?
st die Regierungskommission bereit, sich dieses Falles anzu—
nehmen? Will sie dafür sorgen, daß
1. Sühne für diese Schandtat und
2. voller Schadenersatz geleistet und
3. dieser Gendarm energisch zur Ordnung gerufen wirdꝰ
Die Bevölkerung erwartet sofortige Stellungnahme der Saar—
regierung und zwar öffentlich; sie erwartet weiter, daß bei der
ränzösischen Regierung wegen der Mißhandlung eines Saar—
änders auf französischem Boden Schritte unternommen werden
„„Am 8. Juni wurde Philipp Eisenbarth, der Empfangs—
erechtigte des Lohnes, unter der Anschuldigung verhaftet, daß
die Unterschrift gefaͤlscht hahe, und sein Bruder NRikolaus
kisenbarth, der ebenfalls in Kreuzwald arbeitet, das Geld in
myfang genommen. Beide wurden verhauel