Full text: Der Saar-Freund (7.1926)

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EAl,l⸗ 
Nachrichten aus dem 
ab getrennten 
Saar-unß Pfalægebiet 
* 
8. 
* 
Uummer 10 7. Jahrgang 
— 326 
Mitteilungsb latt 
des 
Bundes der Saar Vereine 
verun . Erlober es⸗ 
— 
Grundlagen des Rechts im Saargebiet. 
„Wenn die Gesetze gut sein sollen, so müssen sie klar 
ausgedrückt sein, damit keine Rechtsverdrehung sie nach 
Belieben deuten kann, um den Sinn zu umgehen.“ 
Friedrich der Große. 
Während in der französischen Literatur die Saarfrage 
eine ausgedehnte wissenschaftliche und adeerege 
Behandlung erfahren hat, weist die deutsche Literatur auf 
diesem Gebiet, soweit zusammenhängende, umfassende Dar— 
stellungen in Betracht kommen, eine empfindliche Lücke auf 
das gaͤlt vor allem bis vor kurzem für das Gebiet selbst wie 
für die Betrachtungen der Rechtslage im Saargebiet. 
Wohl besitzen wir eine Jeie von wertvollen deutschen 
Einzeluntersuchungen (so die Arbeiten von Bergemann, 
Frank, Goergen u. a.), es fehlte aber an einer umfassenden 
deutschen kritischen Darstellung des besonderen Saargebiets— 
rechts — eine Tatsache, die sich um so unangenehmer bemerk— 
har machte, als französische Juristen, wie Allot, in breitester 
Form den Standpunkt der französischen Rechtswissenschaft 
zum Saarproblem dargelegt hatten. 
Es ist das große Verdienst des Naumburger Ober—⸗ 
landesgerichtsrates Otto Andres, diese von Jahr zu Jahr 
empfindlicher werdende Lücke durch seine Schrift Grund⸗— 
lagen des Rechts im Saargebiet“ (GBerlin, 
dümmler 1926) ausgefüllt zu haben. 
Die Arbeit von Andres ist einmal von ganz grundsätz— 
licher Bedeutung. Man braucht nicht die Ihen sechs Jahre 
im Saargebiet gelebt zu haben, um zu wissen, wie unklar 
und wie undurchsichtig die rechtlichen Grundlagen dieses 
Gebildes ‚Saargebiet“ sind. Es genügt die Kenntnis von 
drei besonderen Merkmalen, welche die Saarbestimmungen 
im Vertrag von Versailles auszeichnen, um eine Erklärung 
ür alle daraus entstandenen Wirrnisse zu finden: Das 
Saarstatut ist erstens das Ergebnis eines Kompromisses. Es 
wurde geschaffen, um im letzlen Augenblick eine Spannung 
wischen Wilson und Clemenceau zu uͤberbrücken, die fast zur 
Sprengung der Friedenskonferenz zu führen drohte. Weiter: 
das Statut wurde in einer einzigen Nacht redigiert und 
umfaßt noch nicht 50 Artikel, muß sich also bei dem Umfang 
der Materie auf ganz allgemeine Angaben beschränken. Und 
schließlich; Das Saarsiatut hat ein Gebilde geschaffen, dem in 
staatsrechtlicher Hinsicht keine Varallele zur Seite gedtellt 
werden kann. 
Aus ddiesen drei, der Entstehungsgeschichte des Saar⸗ 
tatuts eutnommenen Tatsachen erklaͤrt fich ohne weiteres 
die ganze Kompliziertheit und Verworrenheit des Rechts— 
zustandes im Saargebiet, wobei ganz davon abgesehen 
werden kann, daß die praktische Durchführung der Be— 
— entscheidend unter der Gegenwirkung macht— 
politischer Intereffen litt. 
J Es leuchtet daher ohne weiteres ein, daß eine brauchbare 
ritische Darstellung der Rechtslage an der Saar — eben 
weil es sich um elwas ganz NReues handelt — es ver— 
meiden muß, Schwierigkeiten der Ausle— 
gung entweder zu umgehen oder sie ohne 
Rücksicht aufden Gegenstand der Anwendung 
auf konstruktivem Wege aus der Welt zuü 
schaffen. Diesen Fehler hat der bekannte Völkerrechtler 
Wehberge in seiner Schrift: „Die staats- und völkerrecht— 
liche Stellung des Saargebietes“ begangen und damit dem 
Saargebiet einen sehr schlechten Dienst erwiesen. 
Obwohl das Buch nur 38 Seiten (außer einem Anhang) 
umfaßt, ist es nicht möglich, an dieser Stelle auf die Un— 
summe von Ungenauigkeiten und Unrichtigkeiten, die es ent— 
hält, einzugehen. Nur einiges sei herausgegriffen: 
Zunächst einmal scheinen dem Verfasser die Verhältnisse 
im Saargebiet völlig fremd zu sein. Sonst hätte er das 
Kapitel VI nicht mit den Worten beginnen können: „Die 
Mehrzahl der im Saargebiete wohnenden Personen sind 
Deutsche“. Denn dieser Satz setzt ganz eindeutig den Begriff 
einer beachtlichen französischen Minderheit im Saargebiot 
voraus — eine Verkennung der Wirklichkeit, aus der sich 
dann eine ganze Reihe unglaublicher Thesen, die mit dem 
Sinn des Saarstatuts in direktem Widerspruch stehen, er—⸗ 
klären lassen. So wenn Wehberg z. B. von der Aufrecht⸗ 
erhaltung des dischen Unterrichts in den saarländischen 
Schulen spricht (Se33, wo es sich doch schlechtweg um die 
Erhaltung der deutschen Schule als solche handelt) und die 
Einführung des französischen Unterrichts in den Volks— 
schulen „durchaus billigt“. 
Oder wenn er zu dem deutschen Protest gegen das Vor— 
handensein französischer Kriegsgerichte im Saargebiet kurger⸗ 
hand erklärt: „Ob der deutsche Protest gerechtfertigt ist, 
mag dahingestellt bleiben. Meines Erachsens sollte man 
jeder Truppe, ob sie mit Recht oder Unrecht sich in einem 
Lande aufhält, das Recht zuerkennen. Handlungen gegen ihre 
Sicherheit zu verfolgen.“ 
Wehberg muß der Auffassung gewesen sein, das Saar— 
gebiet sei ein national gemischtes Gebiet. Sonst ließe es sich 
nicht erklären, daß er in der Uebertragung des Auslands— 
schüßes der Sagarländer an Frankreich lediglich eine Frage 
der Courtoisie und des Taltes“ erblickt (S. 11). Sonst hätte 
er auch nicht in so unverzeihlichem Maße die verschiedenen 
Kundgebungen der Saarbevölkerung udd Noten der dent⸗ 
schen Regierung, in denen von der „deutschen Saarbevölke— 
rung“ die Rede ist, mißverstehen und sich ausgerechnet in der 
Frage der Saareinwohnerschaftsverordnung zur Verteidi— 
gung der Regierungskommission auf die Ansicht des 
chinesischen Vertreters im Völkerbund stützen können. 
Die Rechtsbetrachtungen, die sich aufeine 
derartige,nichtzuentschuldigende Unkennt— 
nis der dabfächlichen Verhälthnissse, im Saar⸗— 
gebiet stützen, sind um so bedenklihe,rt, als 
die Gefahr besteht, daß sie mit Rükksicht auf 
dern Rufdes Verfassers als eines deutschen
	        
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