Full text: Der Saar-Freund (7.1926)

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Frankeninflation und Stetnerpolitik der Saarregierung. 
Ddas Verhalten der Saarregierung bei dem 
setzigen Zusammenbruch der französischen Wäh— 
ruüͤnng straft immer deutlicher ihre „Begründung“ für die 
pertragswidrige Einführung der Franken— 
währung im Saargebiet Lügen. Nicht das „Wohl⸗ 
ergehen der Bevölkerung“ oder die Sorge für eine ge— 
funde Wirtschaftsentwicklung an der Saar war für 
ihre damalige Währungspolitik maßgebend, sondern allein 
politische Interessen Frankreichs waren An⸗ 
laß und Zweckdieser Maßnahme. Nur waren ihr da⸗ 
mals diese politischen Machinationen nicht ohne weiteres nach⸗ 
zuweisen. Sie liefert aber jetzt durch ihr untätiges Verhalten 
der zunehmenden katastrophalen Frankeninflation gegenüber 
selbst nachträglich noch hierfür den Beweis. Was hat sie damals 
alles aufgestellt um angeblich die Bevölkerung an der Saar vor 
den verhaͤngnisvollen Folgen der Inflation zu bewahren; sie hat 
in die Finanzwirtschaft der Gemeinden eingegriffen, sofern diese 
neue Ausgaben in der Markwährung beschlossen, hat ihnen be— 
stimmte Einnahmen in „stabilen“ Franken vorgeschrieben, hat 
Sehalts- und Lohnerhöhungen an Beamte und 
Staatsarbeiter verweigert, sofern sie nicht in 
„stabiler“ Frankenwährung verlangt wurden, 
hat Frankenbeihilfen gewährt, Franken-Anleihen gegeben und 
unterstützt usw., bis sie schließlich mit ihrem bekannten Franken⸗ 
diktat und endlich mit der endgültigen Beseitigung der Mark— 
währung ihr politisches Ziel erreicht hatte. 
Seitdem sind alle ihre Währungsinflationssorgen ge⸗ 
schwunden. Der Franken stürzt in den Abgrund und reißt das 
Saargebiet mit sich Die Saarregierung rührt sich 
nicht, um die Wohlfahrt der Bevölkerung zu sichern, um sie 
vor jedem materiellen Schaden zu bewahren, um ihr eine stabile 
Währung zu geben. Was sie damals den Gemeinden verbot 
nämlich neue Ausgaben in der unstabilen Währung zu beschließen, 
tut sie heute selbst ohne Bedenken. So hat sie jetzt den Mit—⸗ 
gliedern des Landrats drei Entwürfe unter Desavouierung ihres 
damaligen Standpunktes betr. die Erhöhung der Umsatzsteuer, 
der Stempelsteuer und der indirekten Steuern auf Benzin, Pe— 
troleum und mineralische Schweröle zugeleitet, die insgesamt 
Mehreinnahmen von zusammen 21 250000 Fr. bringen sollen. 
Zur Begründung der Vorlagen führt die Regierungskom⸗ 
mission nachfolgendes aus: 
Der Ausgleich des Haushaltsplans der Regierungskommission 
war bei der Gehaltsregelung, die am 1. April 1926 in Kraft war, 
sowie der sonstigen zu dieser Zeit gültigen Gesetzgebung erreicht. 
Die inzwischen eingetretene allgemeine Teuerung hat die Re— 
gierungskommission veranlaßt, eine Aufbesserung der Gehalts— 
bezüge der Beamten durch Erhöhung des Umrechnungsfaktors 
vorzunehmen, der als Grundlage für die Gehaltsfestsetzung dient 
und sich auch auf die Pensionen auswirkt. Bei der letzten Steuer—⸗ 
vorlage hat die Regierungskommission der Begutachtung durch 
den Landesrat in weitgehendem Maße Rechnung getragen, um 
den Wünschen der Bevölkerung entgegenzukommen, und ins— 
besondere auf dem Gebiete der indirekten Steuern die ursprüng— 
lich vorgesehenen Sätze erheblich ermäßigt. Infolgedessen sind 
die damals eingetretenen Steuererhöhungen 
nicht ausreichend. um Gehaltserhöhungen in 
wünschens wertem Maße durchzuführen. Es ist 
ferner notwendig, auch die Löhne der Staatsarbeiter entsprechend 
zu erhöhen. Eine weitere geldliche Belastung erwächst der Re— 
gierungskommission durch Maßnahmen auf dem Gebiete der So— 
zialversicherung, die in Erfüllung wiederholt laut gewordener 
Wünsche aus berufenen Kreisen der Bevölkerung durchgeführt 
werden soll. Um den Haushaltsplan ins Gleichgewicht zu bringen, 
müssen unter besonderer Berücksichtigung des Umstandes, daß ein 
Teil des Mehrbedarfs durch Tariferhöhungen bei den Verkehrs— 
verwaltungen (Eisenbahn und Post) gedeckt werden kann und 
daß ferner gewisse Steuern Mehreinnahmen gegenüber dem 
Etatsvoranschlag erwarten lassen, schätzungsweise jährlich noch 
21000 000 durch Erschließung neuer Steuerquellen aufgebracht 
werden. Die Notwendigkeit, unverzüglich über ausreichende 
Geldmittel zu verfügen, zwingt zu der Maßnahme, lediglich schon 
bestehende Einnahmequellen weiter auszubauen. Dabei sind, ab— 
gesehen von der Umsatzsteuer, diejenigen Steuerzweige unberührt 
geblieben, die bereits Gegenstand der am 28. April 1926 an⸗ 
genommenen Steuorreform waren. 
siernach schlägt die Regierungskommission vor, einen grö— 
zeren Teil des noch erforderlichen Mehrbedarfs durch eine Er— 
höhung der Umsatzsteuer zu decken und zwar in Anbetracht der 
Tatsachen, daß diese Steuer sich in anderen Ländern bei gleichen 
oder ähnlichen Wirtschafteverhältnissen nach den gemachten Er— 
fahrungen allgemein als tragbar erwiesen hat und die Erhebung 
ohne jede Vergrößerung des Beamtenapparats möglich ist. Bei 
reiner Erhöhung von 0,3 v. H. wird mit einer Mehreinnahme von 
jährlich 12 Millionen gerechnet. Zur Aufbringung der restlichen 
s Millionen hat die Regierungskommission in erster Linie die 
Stempelsteuern herangezogen, die seit den Jahren 1923 (Reichs- 
tempel⸗) und 1924 (Stempelsteuerverordnung) eine Aenderung 
nicht erfahren haben. Endlich ist eine Erhöhung der Steuer für 
leichte Mineralöle und die Einbeziehung der mineralischen 
Schweröle in die betreffende Steuertarifstelle des Verbrauchs— 
teuertarifs vorgesehen. Im Hinblick darauf, daß sich die Preis— 
zildung für diese Oele im gemeinsamen Zollgebiete gleichartig 
entwickelt hat, und daß deshalb der saarländische Verbraucher 
von dem Nichibestehen dieser Steuer keinen Vorteil hat, kann die 
vorgeschlagene Steuer, die ihrer Höhe nach den in Frankreich 
geltenden Sätzen entspricht, als durchaus traabar bezeichnet 
werden. 
Um die Regierungskommission in die Lage zu versetzen, die 
in Aussicht genommenen Erhöhungen der Gehälter und Löhne 
alsbald vornehmen zu können, wird der Landesrat gebeten, zu 
den übermittelten Steuervorlagen mit möglichster Beschleunigung 
Stellung zu nehmen. 
Hierzu bemerkt die sogialistische Saarbrücker „Volks⸗ 
st i m me“ u. a.: 
Die letzte Gehaltsregelung wurde am 1. April durch— 
zeführt. Den Haushalt des Saargebiets verabschiedete die Re— 
gierungskommission in ihrer Sitzung vom 28. April 1926. In 
biesem Haushalt sind 20 000 000 Fr. Bedarf für Erhöhung der Be⸗ 
roldungen, Vergütungen der Angestellten und Löhne der Arbeit⸗ 
rehmer eingesetzt. Als Bedarf für anderweitige Eingruppierung 
von Beamten treten 3 100 000 Fr. und an Reserve und Ausgleich 
2604 189 Fr. in diesem Haushalt hervor. Die von der Regie⸗ 
rungskommission geforderten 21000 000 Fr. sind also bereits im 
haushalt des Jahres 1926 in den Ausgaben vorgesehen. Mithin 
st die Begründung der Regierungskommission abwegig, denn in 
diesem ausgeglichenen Haushalt sind noch insgesamt 25 704 189 Fr. 
zur Aufbesserung der Gehaltsbezüge der Beamten und Angestellten 
owie der Arbeiter enthalten. Auf Grund dessen ist die Möglich— 
keit gegeben, Gehälter und Lohnerhöhungen in wünschenswertem 
Maße durchzuführen. Jedenfalls soll die Regierungskommission 
hre Steuervorlagen dem Landesrat gegenüber mit anderen 
Motiven begründen. Die Begründung wäre dann angängig und 
richtig, wenn dem Landesrat ein Einfluß auf die Gehalts- und 
Lohnregelung zugestanden würde. Solange ihm dieser Einfluß 
nicht eingeräumt wird, soll man auch eine solche Begründung zur 
Erböhung der Steuern vermeiden. 
Oder will manim Falle einer Ablehnung der 
Steunervorlagen auch die Gehalts- und Lohn— 
erhöhungen ablehnen und den Landesrat für 
die Folgen verantwortlich machen? Dies schein 
der Zweck der Begründung zu sein. 
In der „Saarbrücker Zeitung“ nimmt ein Kenner 
der wirtschaftlichen Verhältnisse des Saargebiets zu den neuen 
Steuergesetzent wärfen der Saarregierung in einem 
längeren Aufsatz Stellung, in welchem er u. a. ausführt: 
Der wichtigste Teil der Gründe, die die Regierungskommission 
für die Erhöhung der Umsatzsteuer vorbringt, ist tatsächlich ihre 
Bezugnahme auf die „gegenwärtige“ Wirtschaftslage des 
Saargebietes. Es ist dies zwar nur eine ganz schamhafte An— 
deutung; sie scheut sich das Kind beim Namen zu nennen, denn 
offiziell hat offenbar die Regierungskom— 
mission noch keine Kenntnis von dem, was si⸗ 
innerlich meint, nämlich vom Zusammenbrudh 
der französischen Währung, auf die sie ih 
Steuersystenm gegen das Anraten des Landes 
rates und aller Kreise der Bevölkerung aufge 
bauthat. Es wird dann die grundlegende Frage erhoben: Ist tat 
fächlich der Finanzbedarf des Saargebietes so stark, daß er nur 
mit dem Mittel der Steuererhöhung und insbesondere mit dem
	        
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