Full text: Der Saar-Freund (7.1926)

Recht der Auslegung, so daß fie sehr wohl der Bestimmung 
bes 8 28: après d vis des representants élus des Lobi- 
onts — after cons ultaotion with the eélected repre— 
tatives oĩ me inhobitonts die Bedeutung einer „Be⸗ 
ratung“ geben kann. 
Im Gegensatz zu consentement, die unserem „JZustim⸗ 
mung“ entsprechen, hat avis die Bedeutung von Mit⸗ 
leikung schlechthin. Diese Auslegung ist dem Begriff 
„avis“ auch von Clemenceau selbst gegeben worden. 
Als weiteres Argument ihrer Nichtverantwortlichkeit 
gegenüber dem Landesrat ist von der Reg.⸗K. die Bestim⸗ 
mung der 88 16 und 17: ihre Verantwortlichkeit gegenüher 
dem Volkerbunde benutzt worden. Es ist ihr darin zuzu—⸗ 
stimmen, daß eine Verantwortlichkeit die andere ausschließt. 
Der Völkerbundsrat hat der Regq.-K. in diesem Punkte 
ausdrücklich zugestimmt. 
Es ist aljo nicht die alleinige Schuld der Reg.⸗K., daß 
der Landesrat so geringen Einfluß auf Gesetzgebung und 
Regierung hat. Darum muß es unser Bestreben sein, eine 
Aenderung dieser autokratischen Bestimmung des Frie⸗ 
densvertraͤges herbeizufjühren und mit Hilfe des Völker⸗ 
bundes den Widerstand Frankreichs in dieser Sache zu 
brechen, das wohl weiß, daß das morsche Gebäude von Ver⸗ 
sailles in Schutt und klägliche Trümmer zusammenbricht, 
penn auch nur ein Stein aus seinem Gefüge he raus⸗ 
genommen wird. 
Wer wird aber heute noch behaupten, daß der Friedens— 
vertrag heilig und unverletlich ist? 
Und doch, der Landesrat ist nicht ganz bedeutungslos. 
Wer erleben konnte, wie mannhaft und mit welcher uner— 
müdlichen Kraft dort die Vertreter des Saarvolkes gegen die 
Französterungsbestrebungen einer Regierung Rault ge—⸗ 
stritten haben, wird die hohe Mission des Landesrates an⸗ 
erkennen. Er ist seit seinem Bestehen das Sprachrohr einer 
geknechteten Bevölkerung. Ihm ist es in erster Linie zu 
perdanken, wenn heute wieder frischer belebender Ostwind 
an der Saar weht. 
Das übrige hoffen und erwarten wir von der Emsicht 
einer Regierung Siephens und Kossmann. Man kann er 
warten, daß nunmehr die Gutachten des Landesrats nich 
mehr in die Papierkörbe wandern, sondern ihre gebührende 
Anerkennung und Berücksichtigung finden. Die Vertreter 
des Volkes werden am ehesten erkennen, was der Bevpölke— 
rung nottut zur Zufriedenheit und zum Glück: das Wohl 
ergehen der Bevölkerung soll jedoch oberster Grundlatz de 
Regierung des Saargebietes sein. 
Der Landesrat, dessen Wahlperiode 3 Jahre beträg 
besteht aus 30 Mitaliedern, die durch allgemeine, gleiche, un 
mittelbare und geheime Listenwahl nach dem Grundlatz der 
Verhältniswahl gewählt werden. Aktives Wahlrecht he— 
sitzen alle Männer und Frauen, die die Eigenschaft als Saas— 
reinwohner besttzen und am Tage der Wahl das 20. Lebens— 
ahr vollendet haben. Wählbar sind Personen beiderlei Ge— 
chlechts, die am Tage der Wahl das 25. Lebensjahr vollender 
haben, aus dem Saargebiet stammen, tatsächlich dort wohnen 
und weder einer nichtsaarländischen Vertretung angehören 
noch außerhalb des Saargebiets ein öffentliches Amt aus— 
üben. Dder Vorsitzende wird von der Reg.-K. aus der Zah 
der pajsiv wahlberechtigten Einwohner des Gebietes er 
nannt, er muß also nicht notwendigerweise Mitglied de 
Landesrates sein. Die Mitalieder bezichen eine Aufwands 
entschädigung. 
Der Präsident der Reg.-K. beruft den Landesrat wenig 
stens einmal im Vierteljahr; ebenso bestimmt er die Tages 
ordnung. Eine Beratung über Gegenstände außerhalb der 
Tagesocdnung zieht deren Nichtigkeit nach sich. Die Ge 
etzesentwürse werden von einem Staatslommissar ein 
gebracht und verteidigt. 
Der jetzige Landesrat setzt sich zusammen aus 
5 Aretern des Zentrums; 
der Sozialdemokratie; 
der Kommunisten; 
der Vereinigung von Hausbesit 
und Landwirtschaft; 
der saarl. Volkspartei (Liberale 
und Demokraten). 
— 
— ⸗ 
Kommunalwahlen im Saogrgebiet. 
Von KarlOlbmert, Frankfurt a. M. 
gemeinsamen Ausgaben und Ziele, namentlich die politischer und 
nationaler Art, stark vernachlässigt werden. Hinzu kommit, dar 
jede Schwächung der jührenden politischen Parteien und jede 
weitere Zersplitterung des politischen Lebens, eine Verringerund 
der an der Saar im Kampfe für die Erhaltung des Deutjchtum— 
so außerordentlich notwendige Stoßkraft im Gefolge hat. Und 
wenn für die Gemeinden, besonders in der jetzigen schweren Zeit 
die wirischaftlichen Belange auch von ganz erheblicher Bedeutund 
ind, so wird man doch sehr wohl der Ansicht sein können, daß die 
kZösung wirtschaftlicher und finanzieller Probleme — wie die Ert 
ahrung gezeigt hat — mindestens ebenso gut von den politischen 
Parteien, in deren Reihen durchweg sachverständige Wirtschaftler 
itzen, erfsolgen kann, wie von ausgesprochenen Intexessenten 
zruppen. Zudem ist in den politischen Parteien auch genügend 
Raum für die Behandlung von Standesfragen. 
Meines Erachtens müssen die politischen Parteien daher aue 
im Sagargebiet die eigentlichen Führer der Kommunalwahl 
bewegung sein. Sie besitzen das Vertrauen weitester Kreise de 
Bevölkerung und haben dies durch ihre Tätigkeit in der Ver 
gangenheit redlich verdient. Ohne die zielbewußte, kluge Arbe 
der politischen Parteien, lägen die Verhältnisse an der Saar vie 
chlechter als jetzt. Ihnen allein ist es z. B. auch zu verdanker 
daß die Regierungskommission eine Verbesserung des Gemeinde 
wahlrechtes zugestanden hat. 
Aus der Tatsache, daß im Saargebiet seit 1919 die hauptsaa 
lichsten politischen Parteien sich zu einem Verständigungsausschu 
oder zu einer interfraltionellen Zusammenarbeit gefunden haben 
gemeinsame Eingaben usw. machten, darf nicht geschlußjolge 
werden, daß fie nun auch verpflichtet seien, bei Wahlen gemein 
am vorzugehen oder während der Wahlbewegung auf die B⸗ 
onung ihrer Grundsätze zu verzichten. Die gemeinfame Arber 
ũr die deunsche Saarheimat darf uͤnd soll nicht zur Verwischum 
Am 11. Juli finden im ganzen Saargebiet Nenwahlen für 
die Gemeinde-, Stadt- und Kreisvertretungen, die sogenannten 
Kommunalwaähien statt. Gegenüber den bisher geltenden Wahl— 
bestimmungen, ist insosern eine Aenderung eingetreten, als jetzt 
nuch gebundenen Liften gewählt wird und einheitliche Stimm⸗ 
zettel, die von der Behoörde geliefert werden, zur Verwendung 
gelangen. Das ist, verglichen mit den bishetigen Wahlvor⸗ 
schriften, eine wesentliche Verbesserung des Wahlverfahrens; denn 
das freie Listensystem und die Stellung der Stimmzettel durch die 
Parteien haben Begleiterscheinungen gezeigt, die alles andere als 
erfreulich waren. Aber hier soll nicht näher auf die Wahlhandlung 
und die in Frage kommenden Bestimmungen für die Wahlen ein— 
gegangen werden. Was mich veranlaßt, diese Zeilen für den 
Saarfreund“ zu schreiben, ist die Befürchtung, daß sich bei der 
Wahlbewegung Erscheinungen zeigen werden, die eine Gejahr für 
den bisher so einmütig gejührten Kampf jür die Heimat mit sich 
bringen können. Diese Befürchtung, für deren Berechtigung leider 
schon einige bestimmte Anzeichen und Vorgänge genannt werden 
lönnten, rechtfertigen meines Erachtens die nachfolgenden Darle— 
zungen im „Saarfreund“ ohne nähere Begründung. Selbstver— 
stöndlich muß das Ausgeführte mit der Ueberparteilichkeit des 
Bundes der Saarvereine vereinbar sein. Es wird auch keiner 
Partei zu Liebe oder zu Leide geschrieben, sondern allein aus der 
Sorge um das Saargebiet, das mir in den langen Jahren meinen 
dortigen Tätigkeit eine zweite, liebe Heimat geworden ist. Daher 
glaube ich auch für die Kommunalwaählen solgende grundlätzliche 
Sedanken äußern zu dürfen: 
Wie die politischen Verhältnisse bei uns nun einmal liegen 
— man mag dazu stehen wie man will — liegt bei den Wahlen 
von allgemeiner Bedeutung dann, wenn sie anders als nach par—⸗ 
leipolitischen Gesichtspunkien, z. B. nach ständischen getätigt 
werden, in erheblichem Umfange die Gefahr vor. daß die großen
	        
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