Full text: Der Saar-Freund (7.1926)

gumgen gat) Woher leitet die Regierungskommisston, die zu 
trengster Neutralität bei der Verwallung des Sgargebietes ver⸗ 
pflichtet ist, das Recht ab, die Bevölkerung zugunsten eines frem⸗ 
den Staaies mit Steuern zu belasten? 
Ein ähnlicher Fall, der in seiner finanziellen Auswirkung 
„war unbedeutend ist, für die Mentalität der Regierungs⸗ 
ommission bezw. der ihr nachgeordneten Dienststellen aber nicht 
veniger bezeichnend, ist die verfügte Befreiung des französischen 
Piilifärs von Abgaben bei der en der Saarfähren. Alle 
Welt weiß, daß sich das französische Milifär unter Verletzung des 
Versailler Vertrages im Saargebiet aufhält. Trotzdem genießt 
z2s — dept noch — eine Vorzugsbehandlung gegenüber der ein⸗ 
heimischen Bevölkerung. 
Kürzlich beantragte ein saarländischer Turnverein aus einer 
fleinen Ortschaft bei der Regierungskommission, um einer For⸗ 
malität zu genügen, die Genehmigung zur Verlegung 
leines Tarn e wofür alle Vorbereitungen schon ge— 
roffen waren. Die Regierungskommission lehnte ab, ohne An⸗ 
jabe irgendwelcher Gründe. Ergebnis: Erneuie Verstimmung in 
der Bevölkerung. Man kennt die feindselige Haltung der Re— 
zierungskommission dem deutschen Turnwesen gegenüber zur Ge⸗ 
rüge. Im Etat für 1925 wurden sämtlistche Anterstützungen für 
das Turnwesen im Saargebiet gestrichen, während man die Zu— 
vendung zur Förderung des französischen Sprachunterrichts um 
das Vierfache erhöhte. 8 
Diese unerfreulichen Vorkommnisse aus der letzten Zeit ließen 
sich noch vermehren. Dies alles sind Poincaréesche Methoden, die 
zju dem Geist von Locarno nicht passen. Man kann dem Führer 
der sozialdemokratischen Landesratsfraktion Hoffmann nur zu⸗ 
timmen, wenn er kürzlich verlangte, der Poincaréismus 
im Saargebiet müsse nun aufhören. 
Die beste Gelegenheit, mit diesem verruchten System im 
Saargebiet aufzuräumen, bietet sich dem Völkerbundsrat im März 
hei der Neuwmahl der Regierungskommission. 
hoffen wir, daß die Saarbevölkerung dann endlich auch etwas 
von dem Friedensgeiste Locarnos verspürt. Zeit wäre es. 
Neue Verhandlungen in Böoöͤen⸗GBaden. 
Bekanntlich fanden im Oltober 1925 in Baden-Baden zwischen 
Vertretern der deuischen Reichsregierung und der Saarregierung 
Verhandlungen e Regelung einer ganzen Reihe schwebender 
Fragen staft, über die wir in Rummer 21 vom 1. November 
(925 berichteten. Richt erledigt wurden damals die Fragen der 
Beamtenpensionen, die man im Rahmen nieuer Ver—⸗ 
handlungen mit dem Gesamtkomplex der durch die Tätigkeit der 
ßr Verfügung der Regierungskommission gestellten deutschen 
Beamten aufgeworfenen Fragen behandeln wollte. Diese Ver—⸗ 
ebe en haben vom 10.—21. Dezember wiederum in Baden⸗ 
Wen aeee und zur Unterzeichnung einer Abrede 
geführt. 
Die Abrede enthält u. a. Vereinbarungen zur Sücherung 
der Laufbahn der deutschen Beamten, über Be— 
amtenprüfungen und über eine Reihe anderer beamtentechtlicher 
Begenstände. Sie sieht ferner die Schaffung eines Penfionsrück⸗ 
lage-Fonds vor, den die auf ihre gesamte 
ee ausdehnen will und degen Mittel in der Weise 
vertbeständig ängelegt werden sollen, daß sie oe soziale 
zwecke, zum Beispiel für eaee des Wohnungsbaues ins—⸗ 
hesondere für Beamte, nutzbar gemacht werden. 
Zur Gehaltsfrage ist vorgesehen, daß die Regierungs⸗ 
kommission tunlichst bald nach Wiederherstellung e sta⸗ 
biler Währungsverhältnisse im Saargebiet die Gehaältsbezüge, 
abgesehen von den örtlich abgestufsen Teilen, wicht un⸗ 
aregt gestalten wird'als nach den deutschen 
Bestimmungen. Um in der Zwischenzeit das Besoldungs⸗ 
wesen im Saargebiet den deutschen Bestimmungen weiter an⸗ 
e wird die Delegation der Regierungskommisston dieser 
borschlagen, alsbald eine Besoldungsreform vorzunehmen, 
die unter Berüchsichtigung der besonderen Verhältnisse namentlich 
kine wesentliche Erhöhung der Kinderzulage und eine 
Wiedereinführungg der, Frauenzulage, bringen 
soll. Die Bekanntgabe näherer Einzelheiten über die Reform ist 
in kurzem zu erwarten. Die Januargehälter werden auf An—⸗ 
ordnung der Reperndeenenn bereits am 22. Dezember ge⸗ 
ahlt werden. Da ferner die deutsche Regierung in den letzten 
Tagen den Beamten der unteren Gruppen einmalige Zuwen⸗ 
dungen bewilligt hat, beabsichtigt die Regierungskommission, die 
irüher den Unterbeamten gezahlten Vorschüsse zur Beschaffung 
don Wintervorräten niederzuschlagen. 
Die im Oktober in Baden-Baden eingeleiteten Besprechungen 
pegen der Lage der, Sozialrentner im Saargebiet werden im 
—5 zwischen Sachverständigen der Reichsregierung und der 
Regierungskommission fortgesetzt werden. 
Diese ig Mitteilung über die Vereinbarungen zur Siche⸗ 
rung der Laufbahn der deutschen Beamten ijst leider sehr nichis⸗ 
agend. Wenn wir recht unterrichtet knd. versuchte die Saar⸗ 
legnerung von vwer tschen Reglerung die —8 zu er⸗ 
alten. daß jetzt oder eeer — man dachte dabei offenbar an 
zie Zeit nach der Rückkehr des Saargebiets zu Deutschland — 
rus dem Fn der Saarregierung ausschei⸗ 
dende deutsche Beamte in demselben Dienstgrad 
und, in den ßleichen Dienstbefugnissen von der 
deutischen oder den Landesregserungen über— 
tommen werden. Diese Bestrebungen der Saarregierung 
iegen in der Rictung, wie sie seinerzeit von der französischen 
Regierung nach dem Abschluß der Londoner Verhandlungen über 
das Dawes-Abkommen in der Frage der Amnestierung der 
zheinischen Separatisten dertreten wurden, Die Saar⸗ 
egierung will für die ehenen deren sie sich zur Durchführung 
hrer Franzöfierungspolitik bediente, nicht nur eine pätere 
——— vermeiden, sondern ihnen auch für ihre Zukunft 
die Wege ebnen. Unter diesem System ist eine ganze Reshe von 
)eutschen fragwürdigen Persönlichkeiten in Ant und Würden 
aenmen, die in gleicher Eigenschaft zu übernehmen der deutschen 
egierung eigentlich nicht zugemutet werden sollte. 
Wir sind nicht darüber unterrichtet, welche Zusicherungen die 
)eutsche Regierung diesen Forderungen der Saarregierung gegen⸗ 
iber gegeben hat. Wir konnen uns aber nicht denken, daß sie 
iesen weitgehenden Forderungen nachgegeben hat. Jedensalls 
vürde man das im Saargeblet um so weniger verstehen, als 
zerade die Personen, die ig mit aller Kraft egen die Fran⸗ 
ösierungsbestrebungen der Saarregierung und, der französischen 
————— gewandt haben, vielfach in ihrer eee 
n ihrem Fortkommen geschädigt, zum Teil durch Ausweifung 
virtschaftlich vollständig vernichtet wurden. Wie sollte da ein 
Ausgleich möglich sein, der Gerechtigkeit zum Siege verholfen 
verden! Wir nehmen daher an, daß die Vertreter der deutschen 
Regierung ein Ansinnen, wie es von der Saarregierung hestein 
rn sein soll, höflich aber bestimmt abgelehnt 
daben.“ 
Armes Brasilien. 
Wie die „Neunkirchner Zeitung“ berichtet, soll Dr. Roos in 
zulzbach, der die Stelle eines „Schulinspeltors“ innehatte, und 
em die französischen Schulen von Reden und Heiligenwald unter⸗ 
tellt waren, nach — Brasilien ausgewandert., lein. 
Dr. Roos hät sich bald nach dem Einzug der Franzosen für be— 
nüßigt gehalten, alles Schlechte und Böse im deutschen Vater⸗ 
and zu suchen und alles Gute von Frankreich zu erwarten. Ex 
nachte in „Pazifismus“ gegen Deutschland und verherrlichte durch 
»lenlange Artikel den französischen Militarismus. Er verurteilte 
die deuische Treue der Saargebietsbepölkerung und nannte sie 
Nationalismus“, lobte aber Herrn Rault und seine Beamten 
vegen ihres Nationalstolzes. Daß ihm die französischen Schulen 
yon Reden und Helligenwald als „Schulinspektor“ unterstellt 
vurden, ist sicherlich nicht auf die Vertretung seiner politischen 
Auffassung in der Oeffentlichkeit zurückzuführen! (7) Man hatte 
ffenbar keinen Besseren! Nun hat er offenbar des Saaraebiet 
erlassen — und niemand weint um ihn. Armes Brasilien! 
Lielleicht bereitet Herr Roos seinem Gesinnungsgenossen Schoett⸗ 
er dort eine Stätie, da es ja doch nur eine Frage der Zeit sein 
tann, wenn Schoettler sich auch für die Franzosen als völlig 
iberflüssig erweist. 
2 
Kleine Tageschronik. 
Die Größe der Saarpfalz. 
Das gesamte Saargebiet umfaßt 1921 Quadratkilometer mit 
»und 700 600 Einwohnern. Von der Pfalz wurden hierzu 55 Ge⸗ 
neinden abgetreten; nämlich Stadt und Bezirksamt St. Ingbert, 
owie Teile der Bezirksämter Homburg und Zweibrücken, in denen 
sch recht wertvolle Kohlengruüben besinden. Der pfalz-banerische 
Anteil der Fläche des neuen Gebietes beträgt rund ein Viertel, 
in der Bevölketung ein Achtel. Die größte Fläche und Ein⸗ 
vohnerzahl trat das Bezirksamt St. Ingbert ab, nämlich 27 700 
Zettar und 44000 Cinwohner. Dann kommt das Bezirksamt 
zomburg mit 11 Gemeinden, 13 700 Hektar und 29600 Seelen. 
ẽkndlich Zweibrücken mit 15 Gemeinden, 9600 Hektar und 7600 
kinwohnern. Der Prozentanteil der Saarpfalz, die insgesamt 
4024 Hektar mit 80 900 Einwohnern umfaßt, gegenüber Bayern 
heträgt der Imne nach 0,66 Prozent, der 3383 nach 
2Prozent. uf die Pfalz bejogen ergt sich für diese eine 
inderung von 74 Prozent der Fläche und 9 Prozent der Ein⸗ 
vohnerzahl. Mit einer Bevölkerungsdichte von, 195 Einwohnern 
uf1Vudaratkilometer überragt dieser Landstrich sowohl den 
Freistagl Bayern (99) als auch die Pialz selbst (152). Bei der 
etzten Feltesanne im Jahre 1910 waren sieben Zehntel katho⸗ 
isch. fast drei Zehntel evangelisch. 
In bezug auf Berufsgliederung treffen 56,4 Prozent der Er⸗ 
verbstätigen aus Bergbau und Industrie; dazu beschäftigten be⸗ 
iachbarte preußische Gruben⸗ und Hüttenwerke zum Teil wey; 
Raͤnger als die pfälzischen Berawerke selbst. Auf die Landwir
	        
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