schiuß der Regierungskommission selbst, die darin erklärt
hatic, daß die Ordnung im Saargebiet, auch auf den Eisen⸗
bahnen, Gne Truppen aufrechterhalten werden könne, wenn
sie gegebenenfalls Truppen von auswärts bereingiehen
würde. Vräsident Stephens schlägt aus diesem Grunde die
Ternhtung einer der Regierungskommission zu unterstellen⸗
den Eisenbahnkommission vor, der für den Notfall Truppen
zur Verfügaung gestellt werden sollen, die aber in Garnisonen
audzerhalb des Saargebietes unterzubringen wären. Der
dritte Vorschlag ging von dem saarländischen Mit-
glied der Regierungskommission, Herrn
Coßmann, aus. Er lehnt den französisch-belgisch-tschechi⸗
schen als vertragswidrig mit Entschiedenheit ab und erklärt,
die Regierungskommission müsse die ihr obliegende Aufgabe
der Sicherung des Eisenbahnverkehrs selbst ausüben.
Fremde Trup * n, deren Befehlshaber gegebenenfalls
doch nach eigenem Futdünken handeln würden. dürften
nicht zur Verwendungkommen. In den weiteren
Ausfuührungen Coßmanns wird darauf hingewiesen, daß
durch den Nehrheitsvorschlag der Regierungskommission die
zaͤhlteichen früheren Beschlüsse des Völkerbundsrates über
e Zutückziehung der fremden Truppen aus dem Saar—
gebiet illusorisch gemacht würden. Der Vorschlag Coßmanns
de dahin, die Bildung einer zivilen Eisen—
ahnkoömmissison und einer technischen Not—
hilfe noch dem Vorbild Deutschlands und Englands vorzu⸗
nehmen. Die Eisenbahnkommission soll ausschließlich der
Regierungskommisston unterstehen und militärische Eisen⸗
bahnsachverständige nur dann zugeteilt erhalten. wenn solche
im Lande selbst nicht zu finden sein sollten.
Es ist nicht verwunderlich, daß der Bexricht der Regie—
rungskommission zu der Frage des sogen. Bahnschutzes mit
den drei verschiedenen Vorschlägen in deutschen politischen
wie auch in Völkerbundskreisen lebhafte Ueberraschung her—
vorgerufen hat. Der Vorschlag der französisch-belgisch⸗
tschechischen Mehrheit in der Regierungskommission lsucht
dem Ratsbeschluß vom 18. März eine rein militärische Aus—
legung zu geben. Eine soiche Auslegung widerspricht nicht
nuͤr den klaͤren Bestimmungen des Säarstatuts, die jeglichen
Heeresdienst im Saargebiet verbieten und den früheren
Beschlüssen des Völkerbundsrates über die Zurückziehung der
französischen Saartruppen, sie steht auch im Widerspruch mit
dem Geisti, der alle politischen, wirtschaftlichen und vertrag⸗
lichen Beziehungen der Länder untereinander nach Locarno
beherrschen soll. Letzten Endes läuft der Vorschlag der
Mehrheit der Regierungskommission darauf hinaus, diese
Räumung nach mehr als sechsjähriger Verzögerung nicht
nur abermals hinauszuschieben, sondern sie zu verewigen
und zu legalisieren. Der Vorschlag berücksichtigt im übrigen
nur französische Interessen, ohne auf die Interessen der Be⸗
völkerung und auf die vertraglichen Bestimmungen Rüchksicht
zu nehmen. Er bedeutet einen neuen groben Verstoß gegen
den Versailler Vertrag, der in 8 19 des Saarstatuts der
Saarregierungskommission volle Freiheit in der Verwaltung
und Ausbeutung der Eisenbahnen usw. zusichert. die aber
durch eine Eisenbahnkommission mit französischem Militär⸗
kommando eingeschränkt und, wie bereits oben angeführt,
gegebenenfalls beseitigt würde. Die Saarregierung ist ver—
pflichtet. ihre Regierungsausgaben als ureigene unbehin—
derte und unbeeinflußbare auszuüben, sie dari diese Auf⸗
gaben nicht durch Uebertragung auf eine andere Macht ein—
schränken. Uebrigens ist der französisch-belgisch-tichechische
Vorschlag eine solche Ungeheuerlichkeit, wenn man sich vor—
stellte, daß er auf ein anderes Land übertragen würde.
Welche Konsequenzen müßten sich wohl ergeben, wenn bei
einem Generalstreik in irgendeinem Lande seine Regierung
sich militärische Hilfe zut Sicherung der Bahnen aus anderen
Ländern herbeiriefe!
Der Vorschlag der Mehrheit der Regierungskommission
erfordert aber auch eine Prüfung nach der rein finanziellen
Seite hin. In dem Bericht aun den Völkerbund ist mit
keinem Wort davon die Rede, wer die Kosten der Eisenbahn-
kommission und ihrer Hilsstruppen tragen soll. Der Ver—
dacht liegt nahe, daß nach Zustimmung des Völkerbunds—
rates zu diesem Vorschlag die Kosten der Saarregierung
zufallen würden. Nachdem die Saarregierung bisher den
Standpunkt vertreten hat, daß eine Vermehrung der Gen—
darmerie über eine Kopfzahl von 1000 hinaus für das Saar—
gebiet finanziell nicht zu tragen sei, jollte man eigentlich
annehmen, daß die Aufbringung der Kosten für diese Eisen—
bahnkommission und Hilfstruppen sich schon aus den von
der Saarregierung seinerzeit angegebenen finangiellen
Gründen I5 werde erreichen lassen. Daß aber die Kosten
von einer fremden Macht, also in diesem Falle von Frank—
reich, getragen würden, wäre aus Gründen der Neutralitä
des Saargebletes ebenfalls unmöglich.
Bei dem Vorschlag der französisch-belgisch-tschechischen
Mehrheit in der Regierungskommission ist aber weiterhin
von besonderer Bedeutung, daß er die Benutzung des Saar⸗
gebietes für militärische Durchgangstransporte als etwas
Selbstverstaͤndliches betrachtet. Solange die ver—
ragswidrige Anwesenheit französischer
Truppen im Saargebiet dauert. fäglt diese
Frahe zusammen mit der der Zuräckziehung
dieser Truppen. Sind aber in dieser Beziehung end⸗
lich vertragsmaßige Zustände hergestellt, dann bildet das
Duürchzugsrecht für fremde Truppen eine
neue Frage, die nicht ohne Beteiligung
deutschland's geregeli werden darf. Der Ver—
sailler Vortrag sieht ein solches Durchzugsrecht nicht vor, und
da Deutschland'auf die Ausübung seiner Rechte im Saar—⸗
zebiet nut insoweit verzichtet hal, als es im Vertrag er—
vähnt ist, so erscheint es als seibstverständlich, daß Deutsch⸗
sand gegen ein von Frankreich gefordertes Durchzugsrecht
durch das Soargebiet unter allen Umständen Einspruch er⸗
heben würde. Dieser Einspruch wäre um so berechtigter, als
die Saarbahnen keineswegs für die Zwecke der Truppen im
besetzten Gebiet unerläßlich sind. Den Besatzungstruppen
stehen so viele und leistungsfähige andere Bahnen azur Ver⸗
fügung, daß selbst der Völkerbund sich gegen eine derartige
Verlehung der Reutralität des Völkerbundsaebietes an der
Saar wenden müßte.
Der Völkerbundsrat sollte und wollte sich mit dem Be⸗
richt der Saarregierung über die „Sicherstellung der Trans⸗
votte auf den Saareisenbahnen für die französische Be—⸗
satzung“ auf seiner Junitagung beschäftigen. Angesichts der
Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Saarregierung
und unter dem im Völkerbundsrat selbst stark hervortreten⸗
den französischen Druck, auf dem Umwege über den mili—
rärischen Bahnschutz die Saarbesatzung für die Dauer auf—⸗
recht zu erhalien, hat der Völkerbundsrat die Ver—⸗
tagung auf den September beschlossen. Man
muß annehmen, daß sich der Völkerbundsrat zu dieser Ver⸗
tagung enischlossen hat, nachdem in einer vertraulichen Aus⸗
prache zwischen Briand und Chamberlain eine solche Er⸗
edigung dieser Frage festgelegt worden ist. Man wird also
damit rechnen müssen, daß in der Zwischenzeit eine ent⸗
prechende Bearbeitung der in Frage kommenden Völker—
zundsratsmächte und vor allem auch der Mitalieder der
Zaarregierung erfolgen wird, die der verschleierten Be—
sassung der Saarbesatzung widerstreben.
Das Verhalten der einzelnen Mitglieder der Saar—
regierung bestätigt im übrigen unsere von Anfang an ver⸗
tretene Vermutung, daß die Zusammensetzung der
Saarregierung auch nach dem Ausscheiden
des Herren Rault unter allen Umständen die
französische Mehrheit sicherstellt. Wer je noch
daran gezweifelt hat, daß neben Belgien die Tschechoslowakei
und Polen als französische Vasallen die französischen Be—⸗
strebungen zu unterstützen haben, der wird durch das Ver⸗
jalten der belgisch-tjchechischen Mitglieder der Saarregie—⸗
rung eines besseren belehrt. Im übrigen aber beleuchtet
das Vorgehen der französisch-belgisch-tschechischen Mehrheit in
der Regierungskommission schlagartig die noch immer auch
in der französischen Regierung bestehenden Saarpläne, füt
die man sich unter allen Umständen die französische Besatzung
an der Saar wie am Rhein sichern will. Die politische
Rolle, die man der Saarbesatzung zugeteilt hat. wird durch
den Mehrheitsvorschlag der Saarregierung ins grelle Licht
der Oeffentlichkeit gerückt. Selbst der Naivste wird darübet
unterrichtet sein, daß Sicherheitsgründe nicht einen Augen⸗
blick maßgebend gewesen find für die vertragswidrige Auf—
rechterhaltung der Saarbesatzung, die man jetzt als mili—
tärischen Bahnschutz auch für die Zukunft beibehalten will.