En neuer Lohnkonflikt im Saarbergbau.
Die Saarbergleute führen bekanntlich seit Jahren einen ver⸗
weifelten Kampf um eine bessere Existenz, da die ihnen bisher
von der französischen Grubenverwaltung zugebilligten Löhne als
in jedem Umfange unzureichend anzusprechen sind. Das ist jetzt
um so mehr der Fall, als trotz der ‘— sinkenden Tendenz des
französischen Franken und der dadurch bedingten Verteuerung
aller Waren irgendwelche Ausgleichszahlungen nicht gewährt
worden sind. Man hatte gehofft, daß die Anwesenheit des fran—
zösischen Arbeitsministerss de Monzie in Saarbrücken und
seine Besprechung mit den Bergarbeitervertretern hierin Wandel
schaffen würde. Zwar machte de Monzie Zusicherungen unverbind—
licher Art und verwies im übrigen die Vergarbeilervertreter an
die Bergwerksdirektion in Saarbrücken. Die Besprechungen mit
dieser sind aber an der Unnachgiebigkeit der Bergwerksdirektion
gescheitert, so daß die Bergarbeitergewerkschaften sich telegraphisch
an den französischen Arbeitsminister wandien, nunmehr die Ver—
handlungen in dem Lohnkonflikt selbst zu übernehmen. Diese
Verhandlungen haben unter Vorsitz de Monzies am 19. und
20. Dezember in Paris stattgefunden. Am 2. Verhandlungstag
ließ de Monzie den Arbeitervertretern mitteilen, daß die General—
ditektion der Saargruben angewiesen worden sei, ab 1. Januar
1926ß die Grundlöhne um 15 Prozent zu erhöhen.
Nach ihrer Rückkehr aus Paris nahnien die Führer der Berg⸗
arbeitergewerkschaften die Verhandlungen mit der Direktion der
Saargruben in Saarbrücken wieder auf. Sie machten die Direk—
tion darauf aufmerksam, daß nach Auffassung der Arbeiterschaft
das von de Monzie gemachte Angebot sowohl hinsichtlich des Zeit—
punktes der Inkraftsetzung, wie auch des Ausmaßes der Erhöhung
zänzlich unzureichend sei, da die Erhöhung der Grundlöhne um
15. Prozent in Wirklichkeit nur eine Erhöhung des
Effektivlohnes un 425 Prozent bedeute. Besondere
Erbitterung hatte auch die Tatsache hervorgerufen, daß gerade
die untersten, am meisten notleidenden Lohnempfänger bei dem
französischen Angebot sehr schlecht weggekommen sind. Es wurde
verlangt, daß die Lohnerhöhung bereits vor dem 1. Januar ein—⸗
tritt. Die Bergwerksdirektion beschränkte sich darauf, mitzuteilen,
daß e die Wuͤnsche der Organisationen nach Varis weiter leiten
wurde.
Mit dem Angebot des französischen Arbeitsministers beschäf⸗
tigten sich sowohl der Bezirksvorstand des Verbandes der Berg—
arbeiter Deutschlands, wie auch der 1ber⸗-Ausschuß christlicher
Bergarbeiterorganisationen und eine Vertrauensmännetkonfe—
renz der im christlichen Metallarbeiterverband organisierten
handwerker, Heizer und Maschinisten. In allen Konferenzen
wurde zum Ausdruck gebracht, daß das Angebot der fran—
zäsischen Regierung — In einer Ent—⸗
schließung des Bezirksvorstandes des Verbandes der Berg—
arbeiter Dautschlands heißt es unter anderem:
„Trotzdem die dauernde Teuerung im Dezember erheblich war
und Verhandlungen bereits am 1. und 18. Dezember stattge⸗
sunden haben, wurde die Lohnerhöhung für Dezember nicht be—
willigt. Das Lohnangebot, das eine Lohnerhöhung von 60
Centimes bis 1,50 Franken vorsieht, und dadurch den jetzt schon
Geringstentlohnten die geringsten Vorteile bietet, ist nicht ge—
eianet, die Zustimmung des Bergarbeiterverbandes zu finden.“
Der Ber⸗-Ausschuß des Vereins christlicher Bergarbeiter
der nach eingehendem Bericht des Bezirksleiters Kuhnen über
die Lohnverhandlungen in Paris das Angebot für zu gering er—
klärte, beauftragte die Gewerkvereinsleitung, mit den anderen
Organisationen gemeinsam vorzugehen, um ein anderes Er—
gebnis zu erzielen. Sollte der französische Arbeitsminister
darauf bestehen, daß die Lohnerhöhung so spät und in der Form,
wie jetzt vorgeschlagen, erfolgte, dann müsse der Taris ge—
kündigt werden. Auch eine Vertrauensmänner—
konferenz der Handwerker, Heizer und Maschi⸗
nisten im christlichen Metallarbeiterverband lehnte nach
einem ausführlichen Bericht des Bezirksleiters Pick das Lohmn
angebot des französischen Arbeitsministers als den wirklichen
Teuerungsverhältnissen nicht entsprechend a b. In der vorge—
schlageren prozentualen Lohnerhöhung erblickte die Konferenz
eine Mißachtung des Standes der Handwerker,
heizerund Maschinisten und verlangt, daß nicht nur die
Lohnerhöhung gleichzeitig, sondern auch durch eine besondere
Regelung der Verdienst der vorgenannten Arbeiterkategorien dem
Durchschnittslohn der vor Kohle beschäftigten Hauer gleichgestellt
wird. Für den Monat Dezember erwartete die Konferenz eine ent⸗
sprechende Nachzahlung und beauftragt die Bezirksleitung, den
zuständigen Stellen die Auffassung der Grubenmetallarbeiter um—
gebend zu unterbreiten
Gefährdung saardeutscher Ortschasten
durch ein französisches Sprengstofflager.
Explosion eines Sprengstofflagers bei Freimengen.
Wie berechtigt die Proteste der Saarpresse gegen die Er—
richtung des französischen Sprengstofflagers an der saarländisch—
othringischen Grenze waren, wurde leider schon wenige Monate
rach dem Bekanntwerden dieser Vorgänge durch eine Spreng⸗
toffexplosion in unmittelbarer Nähe dieses neuen Muni—⸗
tionslagerserwiesen.
Am 21. Dezember flog das kleine Munitionslager
der Saar-Mosel⸗Gesellschaft unweit Freimengen
bei Merlenbach in die Luft. Die Explosion wurde durch das
Auseinanderfliegen der Sauerstoffanlage des Remaux⸗Schachtes
verursacht, durch die in dem Dynamitstollen der Saar⸗Mosel⸗Ge⸗
ellschaft lagernden 400 Kilogramm Dynamit entzündet wurden.
die furchtbare Detonation wurde bis Saarbrücken und Saarlouis
vernommen. Die Saarpresse meldet hierzu folgende Einzelheiten.
An den in der Nähe liegenden Häusern der Orte Freimengen
uind Merlenbach wurden durch die Gewalt der Explosion die
Ddächer abgedeckt und die Fensterscheiben zer—
rümmert. Im Schulhaus von Freimengen stürzten in—⸗
olge der Erschütterung die Dechen des Schulsaales ein,
vobei durch Splitterwirkung herabfallender Dachziegeln und
tzalken 25 Kinder, die sich auf dem Schulhofe in der Pause
bejanden, zum größten Teil leicht verletzt wurden.
Im Werlke selbst hat das Unglück leider zwei Opfer ge—⸗
ordert. Von der Belegschaft wurden zwei Arbeiter ge—
dötet. Verletzt wurden, soweit bis jetzt festgestellt werden
onnte, etwa 20 Arbeiter. Größere Verluste an Menschen⸗
leben sind glücklicherweise durch den Zufall vermieden worden,
daß sich ein großer Teil der Arbeiter im Augenblick der Explo⸗
ion auzerhalb des Betriebes bei einem Sauersitofttransvort be⸗
ianden.
Der Sachschaden wird auf 10 bis 12 Millionen Fran—
den geschätzt. Sümtliche kostbare Maschinen der Saucerstoffabrik
wurden vernichtet. In der Kirche von Freimengen wurden die
wertvollen handgemalten Fenster zerstört.
Ju der Nähe der Explosionsstätte befindet sich das eingangs
rxwähnte große Munitionsdepot, in dem riesige Vorräte lagern,
owie eine große Sauerstoffabrik. Diese Anlagen, gegen deren
krrichtungen in unmittelbarer Nähe der Saargebietsgrenze die
in der Gefahrenzone liegenden saarländischen Ortschaften seiner⸗
zeit erfolglos protestierten, ind nur durch einen Bahn⸗
damm von der Unglücksstelle getrennt und
liegen etwa 40 Meter von ihr entfsernt.
Wir glauben trotzdem nicht, daß nunmehr die Saarregierung
etwa neue Vorstellungen bei der französischen Regierung wegen
der geführdeten Sicherheit der Bewonner der umgrenzenden Orte
erheben wird.
Wo bleiben die Kückwirkungen
an der Soar?
Diese Feohe erhebt die Saarzeitung in ihrer Nummer vom
21. 12. 25. Sie meint, daß man hätte annehmen sollen, der
Jeistige Umschwung, der mit Unterzeichnung des Locarno⸗-Paktes
einen ersten sinnfälligen Ausdruck fand, duürfe nicht ohne Rück—
vpirkung auf die Mentalität der Regierungskommission bleiben
Die von dem Völkerbund eingesetzte Regierungskommission sel
war zu strengster Neutralität verpflichtet, zu dieser Reutralitäl
ber koͤnne sich die Regierungskommission, von den zurückliegenden
dahren ganz abgesehen, selbst in jüngster Zeit noch nicht ent⸗
chließen. iUm das Defizit der Sgarbahnen — von dem
nan befürchtet, daß es in diesem Jahre 30 Millionen auten
betragen wird — zu bekämpfen, hat die Regierungskommission am
4. Dezember die — erhöht. Von dieser Er⸗
zöhungausgeschlossen bleiben, wie gausdrücklich verordnel
wird, die Gebühren für die Kohlenbeförderung
rach Frankreich. Daß Frankreich, dem durch den Versailler
Vertrag die Kohlengruben des Saargebiets gegeben wurden, an
ziner billigen Beförderung seiner Saarkohlen ein Interesse hat,
liegt auf der Hand. Aber man fragt sich, welche Veranlassung für
zie Saarbevölkerung besteht, durch Steuerleistungen für das
Defizit aufzukommen, das durch die unter Selbstkosten vor—
zenommene Beförderung französischer Güter im Saargebiet ent—
teht. Steuerlast der Verostereng ist überdies höher als in
Deutichtand obwoßt bas Soartdgebiet feine Repatationsperpflich