Full text: Der Saar-Freund (4.1923)

Nummer 1 
„Saar⸗Freund“ 
Seite 11 
von der pfälzisch⸗saarländischen Grenze. 
Bis weit hinein ins pfälzische Gebiet erheben sich bittere 
Klagen über die ungeheuren Nahrungsmittelverteuerungen und 
Aufkäufe von Nahrungsmitteln durch Frankenempfänger aus dem 
Saargebiete. Es wird von einem grausamen Todesstoß gesprochen 
für viele, den die jetzt führen, die Frankenempfänger sind und die 
gegenwärtige Entwertung unseres Geldes dazu benützen, die not— 
wendigsten Lebensmittel aufzukaufen und diese um des schnöden 
Gewinnes willen über die Grenze bringen. Nicht zufrieden mit 
dem Mehrverdienst, so heißt es in einem solchen Klageliede, den 
sie ohnedies schon vor ihren Mitbürgern voraus haben, suchen sie 
sich noch auf Kosten ihres notleidenden Volkes zu bereichern. Sie 
scheinen kein Herz und kein Gewissen mehr zu haben; denn rück— 
sichtslos werden die Metzgerläden leer gekauft sowie Butter und 
Eier in großen Mengen um jeden Preis erstanden, so daß für die 
übrigen Volksgenossen, die nicht mit riesigem Verdienste oder 
anderen Geldmitteln versehen sind, das Nachsehen und Hungern 
übrig bleibt. Fürwahr ganz schreckliche Zustände ohne Aussicht 
auf Besserung. 
Amerika und die pfälzische Kinderfürsorge. 
Unter dem Titel „Annual Review IIlustrated and Okfiziell 
Reports of the American Homes for Children in the Rheinpfalz 
(Occupied Territory)“ hat Dr. William Scharsmith, der Be— 
zründer und Schatzmeister dieser so außerordentlich wohltätig 
wirkenden Korporation den Jahresbericht für 19211928 ver⸗ 
öffentlicht. In der Einleitung des mit zahlreichen wohlgelungenen 
Aufnahmen ausgestatteten Berichtes spricht Dr. Scharsmith 
namens der notleidenden Kinder der Pfalz den herzlichsten Dank 
aus allen Spendern, Wohltätern und Mitarbeitern, allen denen, 
velche ein Werk vollenden helfen, das bestehen bleiben wird 
zgleich einem Denkstein zur Erinnerung an die große humanitäre 
Tat, welche Amerikaner vollbracht haben. Es folgen ausführliche 
Nitteilungen über die Gründung des Vereins, über die Zu— 
ammensetzung des Direktoriums, über die Neuyorker Hilfsgesell— 
chaft, den Briefwechsel zwischen dem Fürsorgeverband der Pfalz 
uind Dr. Scharsmith, ferner ausführliche Berichte und Ab— 
bildungen aus den amerikanischen Heimen der Rheinpfalz, in der 
Pfälzischen Kinderheilstätte Bad Dürkheim, am Donnersberg, in 
Elmstein, Spezerbrunn, Ramsen, Bergzabern und Dahn mit ein— 
zehender Beschreibung der feierlichen Uebergabe dieser Heime an 
die Präsidentin der aäͤmerikanischen Heime für die Kinder in der 
Rheinpfalz Frau Rosa Emmler im Juni und JulieIfd. Jahres. 
Aus fast allen Heimen sind anschauliche Kindergruppenbilder, so— 
vie solche, die anläßlich der Uebergabefeierlichkeiten aufge— 
rommen wurden, beigefügt. Im Bericht finden wir u. a. auch das 
pohlgelungene Bildnis des Herrn Regierungspräsidenten, von 
Chlingensperg als Vorsitzenden des Fürsorgeverbandes der Pfalz 
und seiner Gemahlin als Vorsitzende des Vereins Pjfälzischer 
Ferienheime. Dieser erste Jahresbericht über die äußerst segens— 
reiche Tätigkeit der American Homes for children in the Rhein— 
»falz ist sehr umfangreich gehalten und mit einer Sorgfalt zu— 
ammengestellt, die ohne weiteres die volle Hingabe des Heraus— 
gebers an das großzügige, menschenfreundliche Werk deutlich er— 
ennen läßt. Daher sind die Pfälzer Herrn Dr. Scharsmith, der 
Präsidentin Frau Emmler und allen deren Mitarbeitern zu 
tiefstem Dank verpflichtet. Niemals soll vergessen werden, was 
unsere treuen, von warmer Nöächstenliebe erfüllten Landsleute 
senseits des Ozeans im Interesse unserer armen leidenden Kinder— 
welt bisher geleistet haben und auf Jahre hinaus zu leisten 
willens sind. 
Arbeitsgemeinschaft Pfälzer Kunst. 
Nach Mitteilungen der Geschäftsstelle der Arbeitsgemeinschaft 
sind bei dem zuständigen Ministerium zwecks Anlage und Ausbau 
der seit Jahren geplanten Pfalzgalerie 500 000 M. beantragt. 
Die bisherige Benzino-Gemäldesammlung Kaiserslautern wird 
in eine pfälzische Kunstsammlung erweitert, die mit den Jahren 
1850 beginnt und bis zum heutigen Tage fortgeführt werden soll 
Das Pfaͤlzische Gewerbemuseum will eine Uebersicht über das ge— 
samte pfälzische Kunstschaffen geben, dadurch, daß es von jedem 
führenden Künstler der Pfalz besonders charakteristische Arbeiten 
sammelt. Ferner sollen Biographien und Uebersichten über die 
Lebensart der einzelnen Künstler und über den Besitzer der ein— 
zelnen Werke gesammelt werden, um so dem gesamten künst— 
lerischen Schaffen von Pfälzer Söhnen ein dauerndes Archiv zu 
sichern. Es handelt sich bei diesem Ausbau der Pfalzgalerie um 
eine kulturelle Tat der Pfalz. — Zusammen mit dem Pfälzischen 
Gewerbemuseum will die Arbeitsgemeinschaft Pfälzer Kunst eine 
große wirtschaftliche Hilfsorganisation für das Pfälzische Kunst— 
gewerbe schaffen. Es soll eine Gesellschaft „Pfälzische Händwerks— 
kunst“ mit einem Großkaufmann an der Spitze und mit Fach— 
leuten in den einzelnen Sparten geschaffen werden, die den Absatz 
der pfälzischen kunstgewerblichen Erzeugnisse auf Messen und an 
Exportfirmen übernehmen. Die Gesellschaft soll verzinsliche 
Anteilscheine zu 5000 M. ausgeben. — Das Vortragsprogramm 
des Pfälzischen Gewerbemuseums weist für 1922/23 hochinteressante 
Vorträge auf von Dr. Graf, Direktor, Kaiserslautern, Studienrat 
Hartwein-Speyer, Studienrat Heckenberger-Kaiserslautern. Prof. 
Miller-Kaiserslautern, Oberstudienrat Dr. Schreibmüller-Landau, 
Studienprofessor Thalhofer-Kaiserslautern, Prof. Ulm-Speyer 
und Konservator Zink-Kaiserslautern. 
Eine pfälzische Wucherperiode vor 70 Jahren. 
Der Preiswucher der Nachkriegszeit hat in der Pfalz vor etwa 
70 Jahren einen seltsamen Vorläufer gehabt. In den Jahren 
1852 bis 1854 stiegen Habgier, Wucher und Uebervorteilung ins 
Ungemessene. Bereits im Jahre 1852 befaßten sich pfälzische Ge— 
richte mit Wucherprozessen, so das Bezirksgericht Frankenthal, 
das anfänglich 15 Hauptverfahren durchzuführen batte, darunter 
einige von bisher in der Pfalz unbekanntem Umfang. Hierbei 
wurden nahezu 700 Einzelfälle von gewerbsmäßigem Wucher nach— 
gewiesen und 19 Angeklagte in die für die damalige Zeit beträcht— 
liche Summe von 150 000 Gulden verurteilt. Allenthalben rückten 
die Gerichte den Volksausbeutern in einer Weise zu Leibe, die 
der heutigen Justiz völlig fremd ist. So gingen die Geldstrafen, 
die binnen kurzem wegen Wuchers verhängt wurden, in die Hun— 
derttausende von Gulden. In einem eingigen Prozeß wurden 
ünf Wucherer zu über 100000 Gulden verurteilt. ein Haupt— 
chuldiger außerdem zu fünf Jahren Gefängnis. Eine arößere 
Reihe Beschuldiater wurden gegen Sicherheitssummen in Freiheit 
gesekt und ergriffen die Flucht unter Zurücklassung der Beträge. 
Ehrliche Leute, deren Namen fatalerweise jenem eines der 
Wucherer gleich lauteten, änderten, um der öffentlichen Verachtung 
willen. ihre Familiennamen. Im Jahre 1854 erklärte der Präsi— 
dent des Pfalzkreises bei Eröffnung des pfälzischen Landrates: 
Wir leben in den fetten Jahren der Wucherstrafen. Es ist mir 
Zadurch möglich geworden. die bedeutende Schuldenlast. die ich 
bon meinem Vorgänger übernommen habe, zu tilgen und noch 
15000 Gulden zu erübrigen.“ Außerdem wurde jedem der 
24 Kantonalvereine des St. Johannisvereins der Pfalz zu wohl— 
sätigen Zwecken die Summe von 150 Gulden. später mit Schärfer— 
verden der Wucherstrafen nochmals je 1000 Gulden zugeteilt. 
Durch Haussuchungen, Beschlagnahmen und abschreckende Urteile 
ringen die Gerichte noch jahrelang energisch vor und machten in 
echter Volksjustiz „kurzen Prozeß“ mit den Schuldigen: die ver— 
urteilten Verbrecher am Volkswohl und habgierigen Ausbeuter 
der Notlage standen mit ihren Familien noch lange Jahre unter 
der Verachtung und Fehme der enständigen Nebenmenschen. 
Kheinpfälzisches Worterbuch. 
Die von der Akademie der Wissenschaften seit 1920 wieder 
aufgenommene intensive Arbeit für dieses Wörterbuch nimmt 
ungehemmten Fortgang unter der bewährten Leitung des Haupt— 
lehrers Zwick in Kaiserslautern, auch Konrektor Dr. Keiper in 
Regensburg setzte seine verdienstvollen Exzerpierungen weiter 
fort. Mehrere neue Sammler wurden gewonnen. Durch Tod 
schieden aus die Mitarbeiter Philipp Blinn, Hauptlehrer in 
Ungstein, Johann Heintz, Hauptlehrer in Rutsweiler a. L. Be— 
sonders verdient hat sich um die Bearbeitung der Fragebogen 
wieder gemacht Bahninspektor Hans Eichbauer in Ludwigshafen 
am Rhein. Einem Aufruf im deutschen Seminar der Universität 
München zufolge stellt sich cand. phil. Rohr aus der Rheinpfalz 
zur Vornahme mundartlicher Erhebungen zur Verfügqung. 
Ein Pfälzer im Reichsministerium des Innern. 
Seit einiger Zeit ist unser Mitglied, der Regierungsrat 
Dr. jur. et rer. pol. Adolf Müller, ein in landwirtschaftlichen 
Kreisen der Pfalz bekannter Agrarschriftsteller, als Sach— 
verständiger für das Ernährungswesen und die landwirt— 
schaftlichen Augelegenheiten der besetzten Gebiete ins Staats— 
sekretariat für die besetzten rheinischen Gebiete berufen 
worden. Es ist, so schreibt man uns, sehr erfreulich, daß Staats— 
sekretär Brugger sich diese gusgezeichnete Kraft gesichert hat. 
Dr. Müller besitzt große praktische Kenntnisse in der Landwirt— 
schafs und ist mit deren Bedürfnissen sehr vertraut. Hoffentlich 
wird er viel Gelegenheit haben, zum Segen der gesamten 
pfälzischen Bevölkerung zu arbeiten 
32— 
Kusel. Auf der naturschön gelegenen, prächtig cenovierten 
geschichtlich hervorragenden Burg Lichtenberg bei Kusel ist eine 
Zugendherberge eingerichtet vorden, die am 22. Oktober 1922 mit 
zinem Jugendfeste, an dem sich die Bewohnerschaft der näheren 
33 pigren Amgebung zahlreich beteiligt hat. eingeweihf 
vorden i
	        
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