Hie Merknurstakuette in der Hammlung des Historischen
Pereins zu Baarbriüchken.
n Jahre 1844 wurden auf dem damals Karl Schmidtborn'schen Grundstücke in der Nähe der
Kohlwaage zu St. Johann, unweit des Leinpfades und der Malstatter Banngrenze Erdarbeiten
vorgenommen und dabei bedeutende Reste alten Mauerwerks entdeckt; die eingehende Unter—
uchung ergab, daß hier eine römische „villa rustica“ von ziemlicher Ausdehnung gestanden hatte.
Die Ausgraäbung hat denn auch eine Menge interessanter Funde aus römircher Zeit geliefert, welche
von Kari Schmidtborn mit dankenswerter Bereitwilligkeit zum größten Teile der Sammlung des
Historischen Dereins überwiesen wurden. Das interessanteste Stück unter diesen Funden ist aber zweifellos
die bronzene Merkurstatuette.
Der Gott Merkurius, der Hermes der
Griechen, wurde auch bei uns in der römischen
Kulturperiode verehrt, wie bereits Cäsar und
Tacitus berichten und was eine ganze Reihe
aufgefundener Bildwerke beweisen. Der römische
Name Merkurius wurde an Stelle des kelti—
schen Teutates und des germanischen Cuisko
gebräuchlich, ebenso aber auch merkwürdiger—
weise der griechische Name Hermes, mit welchem
sich verschiedene noch heute gebräuchliche Be—
zeichnungen verbinden, so in unserer Nähe
bei Beinrichs Haus der Hermesbrunnen und
eine im Fechinger Bann belegene Flur, welche
den Namen Hermesbüsch führt.
Merkurius oder Bermes gehörte im
Naturdienste des älteren Griechenlands zu den
unterirdischen Mächten, die Segen und Ge—
deihen aus der Tiefe heraufsenden, in ihm
wurde die befruchtende Naturkraft verehrt;
in der Odyssee und Ilias wird er wiederholt
erwähnt als der Geber alles Guten, der
Bringer des Beils, der Freudengeber. Zu
jenen Zeiten, als noch die Heerden den Wohl⸗
stand bildeten, war Hermes der Spender vieh—
reicher Weiden; diese Vorstellung als Hirtengott
ist die älteste, die mit dem Gott in Verbindung
gebracht ward und daher hat ihm auch die
damalige Kunst häufig einen Widder als
Attribut beigegeben. Mit der Entwickelung
des Bandels machte dieser den vornehmsten
Wohlstand aus und Bermes wird durch die
ihm beigegebenen Attribute immer mehr ein
kaufmännischer Gott und als Gewinnbringer,
als Beschützer der Märkte, der Reisenden und
——
verehrt und angesehen. Seine Bildsäulen sollten
Käuber und Diebe in Schrecken versetzen und
vielfach waren ihm Quellen geheiligt; eine
solche befand sich vor dem Capenische Tore
zu Rom, mit dessen Wasser die zur Reise ge⸗
rüsteten Kaufleute ihr Haupt und ihre zum
HVerkauf bestimmten Waren besprengten, mit
dessen Wasser aber auch die römischen Kauf—
leute die Schuld eines verübten Betruges
abzuwaschen glaubten. Auf die Vorstellung
des Gottes als Götterbote und als Begleiter
der abgeschiedenen Seelen zum Tartarus als
Vorsteher der Gymnastik, zu dem der griechische
Ephebe um Kraft und Sieg flehte, näher ein—
zugehen führt hier zu weit, kommt auch bei der Betrachtung unserer Merkurstatuette nicht in Frage,
da wir uns in dieser den Gott lediglich als den Beschützer des Hauses und den Bringer und Er—⸗
halter des Wohlstandes seines Besitzers vorstellen müssen. In den ältesten Darstellungen erscheint
der Hermes gewöhnlich mit einem langen Spitzbart; in späterer Zeit jedoch ward er als ein schöner
bartloser Jüngling dargestellt, nur bekleidet mit der leicht über die Schulter geworfenen Chlamys,
an den Fuͤßen die Flügelschuhe, auf dem kurz lockigen Haupte den Flügelhut — als Symbole seines
raschen gewandten Wesens — in der einen Hand einen Geldbeutel in der anderen einen von zwei
Schlangen umwundenen Stab, den Caduceus; letzterer fehlt zuweilen, auch finden sich Darstellungen,
bei denen die Flügel an den Füßen fehlen, oder sowohl hier als am Kopfe direkt angewachsen
Ascheinen. Unserer Statuette fehlen beide Unterarme; sie ist von ihrem Postament, auf dem sie
stand, abgebrochen, die Füße sind beschädigt und auch sonst hat die Figur durch Oxydation, anscheinend
auch durch Feuer gelitten. Nach den Mitteilungen des Historischen Vereins über die Ausgrabung
scheint aber der rechte Oberarm vorhanden gewesen' zu sein und ist vielleicht später abgebrochen.
Jedenfalls müssen wir den rechten Arm leicht ausgestreckt und in der Hand den Geldbeutel haltend
denken; ob die Linke den Caduceus hielt, ist nicht zu erkennen. Die Flügel an den Füßen fehlen,
wenigstens sind irgend welche Ansätze, die darauf hindeuten könnten, nicht zu bemerken; dagegen
erkennt man am Kopfe deutlich die ebenfalls beschädigten Flügel, welche im Verein mit der über
die Schulter fallenden Chlamys und der ganzen Haltung des reizenden Figürchens als unzweifel—
hafte Merkmale eines Hermes, oder Merkürbildchens aufgefaßt werden müssen. Wir erblicken trotz
der Beschädigungen eine schöne Jünglingsgestalt von reizvollster, anatomisch korrekter, feiner Modelli—