Aus der Zeit des Jürsten Tudwig'“).
Fuürß Ludwig von Nassau-Saarbrücken wurde als Sohn des bedeutenden Fürsten
Wilhelm Heinrich und der geistvollen Fürstin Sophie, geb. Gräfin von Erbach, der Freundin
des Encyklopädisten Diderot, am 3. Januar 1745 geboren. 1768 folgte er seinem frühverstorbenen
Vater, der so beträchtliche Schulden hinterließ, daß Kaiser Josef II. I770 auf Antrag der Agnaten
eine Schuldentilgungskommission einsetzte. Fürst Ludwig sah sich dadurch zu äußerster Sparfsamkeit
gezwungen und lebte in den ersten Jahren seiner Regierung zurückgezogen auf seinen Jagdschlössern.
So ist es zu erklären, daß Goethe in seinem bekannten Bericht über Saarbrücken im 10. Buch von
„Dichtung und Wahrheit“ wohl des Fürsten Wilhelm Heinrich gedenkt, dessen „genußreiches Leben
S„toff genug zur Unterhaltung gab“, den Fürsten Ludwig aber gar nicht erwähnt. —
Goethe ritt im Juni 1770 als Student von Straßburg aus mit zwei Freunden, Engelbach
und Weyland, über Zabern, Pfalzburg, Buchsweiler, Saargemünd nach Saarbrücken. Mancherlei
Beziehungen verbanden ihn und seinen Straßburger Kreis mit der kleinen Residenzstadt an der
Saar. Engelbach war Rat des Fürsten von Nassau-Saarbrücken, ließ sich im Mai 1770 in
Straßburg immatrikulieren, um die juristischen Prüfungen abzulegen. Am 19. Juni hatte er sie
bestanden. Weyland, Studierender der Medizin, war ein jüngerer Stiefbruder der Gattin des
Regierungsrats Chr. G. Schöll in Saarbrücken. Goethe selbst kannte die Gemahlin des nassau—
saarbrückischen Präsidenten v. Günderrode, eine geborene v. Stalburg, von Frankfurt her.
Als Gast des Präsidenten wohnte er drei Tage in dem stattlichen Eckhaus an der alten Brücke,
das vor wenigen Jahren abgerissen wurde.
Die Zeitbestimmung dieses Rittes machte Schwierigkeiten. Einen wichtigen Anhalt bot ein
Briefentwurf von Goethes Hand, der sich im Nachlaß der Frau v. Stein fand. Er ist gezeichnet
„Saarbrück, am 27. Juni“ und eine hübsche Ergänzung des Berichtes in „Dichtung und Wahrheit.“
Als weiterer Anhalt galt Goethes Behauptung, er habe der geliebten Friederike am Neunkirchener
Jagdschloß gedacht und sei am folgenden Morgen voll Sehnsucht nach Sesenheim aufgebrochen. Da
Goethe Friederike Brion nachweislich erst im Oktober 1770 kennen lernte, konnte der Ritt also nur
im Sommer 1771 unternommen worden sein. Neuerdings ist aber der Beweis gelungen, daß
Goethes Bemerkung als Dichtung aufzufassen und die Reise in den Sommer 1770 zu setzen ist.
Derselbe Weyland, der Goethe nach Saarbrücken begleitete, machte ihn mit Friederike
Brion bekannt. Er war mit ihr entfernt verwandt: sein Schwager Schöll war ein Bruder der
Frau Pfarrer Brion. Friederike besuchte im Juni 1772 mit Mutter und Schwester ihren Onkel
Schöll in Saarbrücken. Während ihrer Abwesenheit von Sesenheim dichtete ihr damaliger Verehrer,
der unglückliche Stürmer und Dränger Jakob Lenz, ein vielumstrittenes Lied, das sich in ihrem
Nachlaß mit der Uberschrift „Als ich in Saarbrücken“ fand und von manchem Gelehrten Goethe
zugeschrieben wird. — An dieser Stelle sei erwähnt, daß auch Goethes Lilli — Lilli Schöne—
mann aus Frankfurt — in Saarbrücken geweilt hat. Ihr Gatte, v. Türckheim in Straßburg,
mußte im Juli 1793 vor den Republikanern fliehen. Sie folgte ihm mit ihren fünf Kindern und
deren Hauslehrer und gelangte durch große Gefahren glücklich nach Saarbrücken, von wo sie zu
ihrem Gatten nach Mannheim weiter reiste *).
Durch Vermittlung Schölls kam im Februar 17723 — 12 Tage vor Schölls frühem Cod —
der Dichter Heinrich Keopold Wagner aus Straßburg als Bauslehrer der Söhne des Prä—
sidenten v. Günderrode nach Saarbrücken. In demselben Jahre tauchte dort ein Abenteurer,
Johann Christoph von Gritsch aus Regensburg, auf, der das Ohr des Fürsten gewann.
kudwig ernannte ihn zum Wirklichen geheimen Legationsrat und ließ sich durch ihn bewegen,
Protektor des Ordens zu Ehren der göttlichen Vorsehung zu werden, den böhmische Edelleute 1756
gestiftet hatten und dessen Großkreuz Gritsch war. Der Orden plante die Errichtung einer Ritter—
akademie in Saarbrücken, für die der gürst ihm ein Haus zur Verfügung stellte und akademische
Privilegien und Freiheiten für zehn Jahre erteilte. Gritsch übernahm es, für die nötigen Lehr—⸗
kräfte zu sorgen. Er versuchte 17740 in Mannheim, seinen Freund, den berühmten Stürmer und
Dränger Christian Schubart, für die Akademie zu gewinnen. Aber Schubart lehnte ab, da andere
Freunde ihn vor Gritsch gewarnt hatten. Wie Wagner dem Hofrat Ring in Karlsruhe am
30. April 1774 schrieb, verschwand Gritsch Anfang Februar 1774 mit Hinterlassung bedeutender
Schulden aus Saarbrücken. Nach einer Beschwerdeschrift, die er selbst, wahrscheinlich 12774, an den
Kaiser richtete und im Druck erscheinen ließ, wurde er gewaltsam aus Saarbrücken vertrieben; für
die Einrichtung der Ritterakademie — die niemals eröffnet wurde — forderte er 2000 Gulden, für
sonstige Auslagen 1000 Reichstaler Entschädigung. Gritsch wurde bald darauf vom König von
Polen nach Warschau berufen und zum Geheimen Rat ernannt. Später lebte er in Cettnang, der
Kesidenz des Reichsgrafen Franz Xaver von Montfort, der Großmeister des Ordens zu Ehren der
göttlichen Vorsehung war, und starb nach Meusels dunkler Angabe (Lexikon der deutschen Schrift—
steller. Leipzig, 1804, IV., 373) „in der Gefangenschaft.“
Wagner hatte Gritsch und seine Pläne von Anfang an scharf bekämpft. Trotzdem scheint
er zum Hof in guten Beziehungen gestanden zu haben, auch nachdem sein Brotherr in Ungnade
gefallen war und er selbst, wahrscheinlich als Bevollmächtigter der Familie Günderrode, vom
sürten eine unverdiente Beschimpfung erlitten hatte. Zu Neujahr 1774 widmete er dem Fürsten
ie Romanze Phaeton“, für die Ludwig in einem gnädigen Schreiben dankte. Ende Mai 1774
wurde er plötzlich aus Saarbrücken ausgewiesen, ohne daß er den Grund dieser Maßregelung erfuhr.
Nach seinen Briefen an Ring muß es in diesen Jahren in Saarbrücken, „wo der ehr—⸗
lichste Mann den größten Beschimpfungen ausgesetzt ist“, böse ausgesehen haben. Wagner klagt
besonders über den Mangel an geistigem Leben. Die halbe Stadt — auch Fürst Ludwig — las
zwar die Frankfurter gelehrten Anzeigen, aber von der zeitgenössischen Litteratur wollte niemand
etwas wissen. Wagners Versuch, durch Gründung einer Lesegesellschaft Wandel zu schaffen, schlug
fehl. — Im September 1781 traten einige Saarbrücker und St. Johanner zur Gründung einer
„Stadtbibliothek“ zusammen. Bis Ende 1783 waren 38 Werke angeschafft, darunter als Ur. 18
herders „Von deutscher Art und Kunst“, VNr. 19 die „Geschichte des Clavigo“, Ur. 31 ,„Ossians
*) Vergl. Ruppersberg, Geschichte der ehemaligen Grafschaft Saarbrücken, II, 292 ff. ferner die Veröffent—
—— We schmitz und We Feldmann im 8. Heft der Mitteilungen des Historischen Vereins für die Saargegend
eite 16 ff.
**) Pergl. Beft 8 der Mitt des Hist. Vereins 5. 484 ff.