Full text: 1.1937 (0001)

Nikolaus Fox 
Stand der Volkskunde in der Saargegend 
Durch die gewaltsame Schaffung eines „Saargebietes“ wurden Land und 
Leute an der Saar, besonders in den letzten Jahren vor der Abstimmung, zum 
Gegenstand von Untersuchungen, Berichten und Beschreibungen. Es fehlten aber zur 
Bezeichnung des Landes und der Bewohner die geeigneten Worte, und so kamen 
die Ausdrücke „Saarland“ und „Saarländer“ in Gebrauch, Namen, die man bisher 
kaum gehört hatte und die auch nie gebräuchlich waren. Bei dem umfangreichen 
Schrifttum über die Saar waren diese Bezeichnungen und das abgeleitete Eigen— 
schafiswort „saarländisch“ sehr notwendig. Wie hätte man die Menschen und die 
Dinge an der Saar überhaupt anders bezeichnen können? Von Anfang an be— 
deuteie das Wort Saarland eiwas ganz anderes als das Wort „Saargebiet“. Unter 
„Saarland“ verstand man in dem Schrifttum der Nachkriegszeit den ganzen Raum 
an der Saar, von dem Eintritt des Flusses in deutsches Gebiet an bis zur Mün— 
dung. Ueberall geht das Saarland über die künstlichen Grenzen des Saargebietes 
hinaus, es umfaßt auch die Westpfalz, den Hochwald und die untere Saar. 
Trotz dieser Auffassung in den schriftlichen und mündlichen Aeußerungen der 
Kenner wurden im allgemeinen Umgang und auch in der Presse die Worte „Saar—⸗ 
land“ und „Saarländer“ fast nur auf das Saargebiet und seine Bewohner bezogen. 
Diese beschränkte Auffassung der Bez eichnungen Saarland und Saarländer im 
allgemeinen Verkehr und Umgang bildete eine große Gefahr. In kleinen unzuver— 
lässigen und gedankenlosen Gruppen der Bevölkerung machte sich tatsächlich die An—⸗ 
sicht breit, das Saargebiet sei etwas volklich und wirtschaftlich Selbständiges, ein 
Organismus, der lebensfähig sei und sich im Bündnisverfahren an Frankreich oder 
an Deutschland anschließen könne. Die Saarregierung hat diese irrtümliche Auf— 
fassung in jeder Beziehung genährt. Die Einführung der Saarfarben, eines Saar— 
wappens, der Ausbau einer Regierung mit „Ministerien“, Aemtern und Abieilungen 
sollten in der Volksmeinung den Glauben an ein selbständiges Saargebiet stärken, 
und diese Absicht wurde umso gefährlicher, als das Wort „Saarland“ in der Um— 
gangssprache tatsächlich nur auf das „Saargebiet“ angewandt wurde. Durch ausge— 
klügelte Berordnungen versuchte die Saarregierung alle Verbände und Parteien von 
den Reichsverbänden zu lösen. Das Schulwesen wurde „saarländisch“ gemacht, 
und schließlich versuchte man, das Saargebiet noch kirchenpolitisch zu verselbständigen. 
Kurz und gut: es wurde alles versucht, den Separatismus zu fördern. Das fran— 
zösische Schriftlum behandelte das Saargebiet in seder Weise als ein selbständiges 
staatliches, wirischaftliches und kuliüürliches Gebilde. Die Geschichte und das Volks— 
tum in der Saargegend wurden in dem Bulletin de la Société des amis des pays 
de Is Sarre und in den Cahiers sarrois in einer einseitigen Art dargestellt: Immer 
wurde die Selbständigkeit des Saargebietes betont, und darliber hinaus versuchte 
man französische Bestandieile in dem Volkstum, gefchichtliche französische Ansprüche 
und eine geographische Verbundenheit mit Frankreich (CLothringen) nachzuweisen.) 
1) Dagegen: „Das Saargebiet. Seine Struktur seine Probleme“, herausgeg. 
von Fr. Kloevekorn. — Hermann Overbeck: Die natürlichen Landschaften 
des Saargebietes. Geogr. Anz. 1929 Heft 9. — Saarland, Sonderheft des 
Rheinischen Vereins für Denkmalpflege umd Heimatschutz, Heft 1/2, 1929. — 
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