Kurt Baumann
Kronprinz Oudwig von Bayern
unoͤd die Oberrheinlande 1809 - 1819
Als Frankreich im Jahre 1802 von seinem bayrischen Verbündeten die Abtre—
tung der rechtsheinischen Pfalz an Baden verlangte, da gab Kurfürst Max Joseph
nur ungern die über ein halbes Jahrtausend alte Stellung seines Hauses am Ober—
rhein preis. In der Forderung Frankreichs sah er zunächst nur eines der vielen zur
Diskussion gestellten Entschädigungsprojekte und glaubte infolgedessen diesem Ver—
langen ausweichen zu können. Ihm widerstrebe es, so ließ er in Paris erklären, eine
Provinz aufzugeben, in der er aufgewachsen sei und lange gelebt habe. Gegenüber
der entschiedenen Absicht der französischen Politik, Baden auf Kosten seiner Nachbarn
zu vergrößern, konnten aber derartige gefühlsmäßige Argumente nicht ins Gewicht
fallen. Montgelas erkannte sehr bald das Aussichtslose und Gefährliche einer ab—
lehnenden Haltung und vermochte, wenn auch nicht ohne Schwierigkeiten, seinen Für—
sten schließlich zur Einwilligung zu bestimmen. Für die realpolitischen Aeberlegungen
des Ministers spielten die dynastischen Gefühle Max Josephs keine Rolle; ihm schienen
die pfälzischen Aemter, die von ihrem linksrheinischen Hinterland abgetrennt worden
waren und denen die Verbindung mit dem bayrischen Haupiland fehlte, nur eine Be—
lastung für Bayern zu sein, bei ihrer weiten Entfernung schwierig zu sichern und zu
verteidigen, durch ihre Nachbarschaft mit Frankreich dauernd eine Reibungsfläche mit
diesem und eine Gefahr für den Gesamtstaat. Hingegen brachten die von Frankreich
als Entschädigung für die Pfalz gebotenen schwäbischen Gebieisteile eine erfreuliche
Erweiterung und Abrundung des altbayrischen Kerngebietes. Napoleons Absichten
und Monigelas' Wünsche kamen sich so schließlich entgegen; die bayrische Staatsräson
iriumphierte über das dynastische Empfinden des Kurfürsten. Damit war eine wich—
tige Enischeidung über die Entwicklungsrichtung des neubayrischen Staates getroffen
worden. Indem Monigelas aus der Not eine Tugend machte, stieß er in der Folge
auch die noch übrig gebliebenen Außenposten des wittelsbachischen Besitzes ab; auf
die Abtretung der Pfalz folgte die des Herzogtums Berg, für das Ansbach erworben
wurde. Die Politik des wittelsbachischen Hauses wurde von der inneren Zwiespältig—
keit befreit, welche seine gleichzeitige Rhein- und Donau-Stellung mit sich brachte;
unter freiwilligem Verzicht auf jene sollte sie nun nur noch bayrische Politik, sollte
Bayerns Gesicht nach dem Willen seines leitenden Staatsmanns ganz nach Süden
und Sübdosten gerichtet sein. Mit der Erwerbung von Tirol und Salzburg wurde nun
tatsächlich die alte Richtung der Expansion wieder eingeschlagen, die tausend Jahre
zuvor die Ostkolonisation des bayrischen Stammes bestimmt hatte. ODer deutsche We—
sten, welcher dem pfälzischen Zweig der Dynastie 600 Jahre lang Heimat gewesen
war, schien ganz aus ihrem Blickfeld enischwunden.
Von diesen Wandlungen der bayrischen Politik war der österreichische Staat am
meisten betroffen. Nachdem er gleich Bayern durch Napoleon aus Südwestdeutsch—
land und aus der französischen Nachbarschaft gedrängt worden war, schob sich nun—
mehr noch das vergrößerte Bayern zwischen ihn und Frankreich. Mit der auf Oester—
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